Rohstoffkongress: Deutschland braucht eine strategische Rohstoffpolitik
Ohne sichere Rohstoffversorgung gibt es keine Energiewende, E-Mobilität, Digitalisierung oder Industrie 4.0. Auch der für den Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit notwendige Ausbau der Infrastrukturen, von Straßen, Brücken, Schienen sowie digitalen und Energie-Netzen, ist ohne entsprechende Rohstoffe nicht möglich. Ebensowenig die Versorgung für unsere Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit.
Hohe Importabhängigkeiten und Risiken beim Rohstoffbezug
Aktuell ist Deutschland stark auf Importe aus China sowie aus Ländern mit komplizierten politisch-wirtschaftlichen Verhältnissen angewiesen. Gerade Russland und China sind systemische Wettbewerber, wie die Bundesregierung mit Nachdruck betont. Im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat Russland Energie als Waffe eingesetzt.
Auch China setzt aus geopolitischen Erwägungen auf Exportkontrollmaßnahmen kritischer Rohstoffe, wie unlängst bei Gallium, Germanium, Grafit und Antimon geschehen. Bei Seltenen Erden ist die Importabhängigkeit von China heute bereits wesentlich höher, als es die Abhängigkeit von russischen Energieträgern je war. Deutschland ist erpressbar. Im Gegensatz zu Öl und Gas gibt es bei kritischen mineralischen Rohstoffen keine nationalen Reserven. Gleichzeitig werden die globalen Rohstoffmärkte immer dann von chinesischen Überkapazitäten geflutet, wenn Versuche unternommen werden, außerhalb Chinas Rohstoffproduktionsstätten aufzubauen.
Deutschland und Europa zwischen China und den USA
Nichtsdestotrotz versuchen die USA, mit dem Inflation Reduction Act (IRA) und weiteren Gesetzgebungsverfahren, mit aller Macht die eigene Importabhängigkeit von chinesischen Rohstoffen zu brechen. Ziel ist es, eine eigene Clean-Tech-Industrie ohne chinesische Vorprodukte aufzubauen.
Durch all diese geopolitisch getriebenen Aktionen drohen globale Liefer- und Wertschöpfungsketten zu brechen. Mit weitreichenden Konsequenzen für die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Die deutsche und europäische Rohstoffindustrie steht am Scheideweg.
Rohstoffsicherung als Frage nationaler Sicherheit
Deutschland und Europa drohen den globalen Wettbewerb um strategisch wichtige Rohstoffe zu verlieren, mit fatalen Folgen für die Versorgungssicherheit und die Abhängigkeit von anderen Ländern. Daher braucht es einen gemeinsamen Kraftakt zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Versorgung mit kritischen Rohstoffen muss in Zukunft als strategisch bedeutsamer Bestandteil für die nationale Sicherheit gelten. Nur wenn dies verinnerlicht wird, kann mehr Rohstoffsouveränität erreicht werden.
Nötig ist eine ganzheitliche und strategische Rohstoffpolitik, die auf drei Säulen basiert: Geopolitische Versorgungsrisiken sollten durch die Stärkung heimischer Rohstoffe, den Zugang zu Importrohstoffen aus dem Ausland und den Ausbau von Recycling und Kreislaufwirtschaft reduziert werden. Keine Säule allein kann die Rohstoffsicherheit Deutschlands und Europas gewährleisten. Das Ziel sind integrierte Wertschöpfungsnetzwerke für strategische Bereiche in Europa, mit zuverlässigen Partnern.
Die drei Säulen der Rohstoffsicherung
Für eine stärkere Förderung des heimischen Rohstoffabbaus erwartet die Industrie von der Politik unter anderem, den Bergbau raumplanerisch zu ermöglichen sowie Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Insgesamt braucht es von Politik und Gesellschaft größere Kompromissfähigkeit, wenn es um Förderung und Weiterverarbeitung von Rohstoffen „Made in Germany“ geht. Künftig sollte zum Beispiel auch die heimische Lithium-Förderung, selbstverständlich unter Einhaltung höchster Umweltstandards, einen Beitrag zur Reduktion der Importabhängigkeit leisten. Im Gegensatz zu importiertem Lithium entstünde bei der heimischen Förderung aufgrund kurzer Wege ein geringerer CO2-Fußabdruck – ein Gewinn für die Klimabilanz und die Versorgungssicherheit.
Neben der heimischen Förderung bleiben Deutschland und Europa auf internationale Rohstoffkooperationen und den Abbau kritischer Rohstoffe im Ausland angewiesen. Kooperationen mit rohstoffreichen Ländern mit hohen Standards müssen intensiviert werden, etwa mit Australien, Kanada oder Chile. Kritische Rohstoffe sollten zentrale Bausteine in Handels-, Investitions- und entwicklungspolitischen Abkommen sein. Nur so können nachhaltigere Exploration und Raffinierung vor Ort gefördert werden.
Als letztem Bestandteil einer strategischen Rohstoffpolitik kommt der Kreislaufwirtschaft eine immer wichtigere Rolle zu. Deutschland ist beim Recycling im internationalen Vergleich schon ganz vorn mit dabei. Allerdings gibt es bei Rohstoffen für Zukunftstechnologien noch erhebliche Defizite: Etliche Tonnen gehen durch Nicht-Recycling verloren. Die Kreislauffähigkeit muss noch mehr als bisher ganz zu Beginn der Wertschöpfungskette, beim Produktdesign, ansetzen. Unternehmen brauchen dafür geeignete Rahmenbedingungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, die eine Verwendung von Recyclingmaterialien und industriellen Nebenprodukten sowie private Investitionen fördern. Innovationen bei Herstellungs-, Aufbereitungs- und Verwertungsverfahren sollten über Forschungsförderung unterstützt werden.
Inkohärenzen vermeiden
Lieferkettengesetze, EU-Chemikalienrecht und Taxonomie dürfen die notwendige Diversifizierung der Rohstoffversorgung auf keinen Fall gefährden. Die drei Säulen müssen ineinandergreifen. Genauso müssen bei Rohstoffen zukünftig Industrie-, Handels-, Sicherheits- und Standortpolitik noch viel stärker zusammengedacht werden. Nur so lässt sich mehr Rohstoffsouveränität erreichen.
Der Rohstoffkongress findet dieses Jahr zum achten Mal statt. Vor Ort in der Heeresbäckerei in Berlin tauschen sich mehr als 300 nationale und internationale Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über eine sichere, umfassende und nachhaltige Rohstoffversorgung für den Standort Deutschland aus, unter anderem mit Vize-Kanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck MdB, sowie BDI-Präsident Siegfried Russwurm.