Rohstoffpolitik fit für die Zukunft machen
Digitalisierung, Energiewende, Elektromobilität und Industrie 4.0 sind in aller Munde. Sie haben erheblichen Einfluss auf den Alltag aller Menschen. Für die deutsche Industrie sind sie eine große Chance für mehr Zukunftstechnologien „Made in Germany“. Die Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch eine sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung.
„Mehr Zukunftstechnologien erfordern mehr Rohstoffe. Wir brauchen in Zukunft mehr und andere Rohstoffe“, so Kempf. Durch den steigenden Bedarf an metallischen Rohstoffen wie Kobalt, Lithium oder Graphit steigt die Abhängigkeit der deutschen Industrie von immer weniger rohstoffreichen Ländern. Die Demokratische Republik Kongo hat beispielsweise bereits heute bei der Kobalt-Förderung einen globalen Marktanteil von 60 Prozent – Tendenz steigend. Viele der rohstoffreichen Schwellen- und Entwicklungsländer erfüllen jedoch nicht die hohen deutschen und europäischen Sozial-, Umwelt-, Menschenrechts- oder Governance-Standards.
Zudem schränken viele Förderländer den Export ihrer Rohstoffe mit tarifären und nicht-tarifären Maßnahmen, z. B. Exportquoten, Zöllen oder Zertifizierungssystemen zunehmend ein. Sie wollen damit ihrer eigenen Industrie einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ermittelt, dass die Anzahl der Wettbewerbsverzerrungen seit 2008 von etwa 100 auf 858 gestiegen ist.
Nachhaltiger und verantwortungsvoller Rohstoffbezug notwendig
Die internationalen Rohstoffmärkte haben sich zudem grundlegend verändert. „Wir haben heute einen Anbieter- und keinen Nachfragemarkt mehr. Der deutschen Industrie fällt es zunehmend schwer, mit Minenbetreibern langfristige Lieferverträge mit hohen Standards abzuschließen“, erklärt Kempf. Für deutsche Unternehmen wird es vor diesem Hintergrund immer schwieriger, ihren Rohstoffbedarf nachhaltig und verantwortungsvoll zu sichern. Sie verfügen immer seltener über die Marktposition, ihre Standards vor Ort durchzusetzen.
Die deutsche Industrie bekennt sich zu höchsten Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards – auch in der Rohstoffförderung. Die Veränderungen an den globalen Rohstoffmärkten, getrieben durch neue Technologien, erschweren diese Zielsetzungen immer mehr. Kempf fordert deshalb: „Wir brauchen neue Ansätze und Lösungen, um die Situation vor Ort in Förderländern zu verbessern und gleichzeitig eine nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen zu sichern. Dies erfordert einen Paradigmenwechsel in der Rohstoffpolitik.“
„Dieser Paradigmenwechsel kann nur mit einer ganzheitlichen Betrachtung gelingen, d. h. einer Berücksichtigung der drei Säulen der Rohstoffversorgung: Heimische Rohstoffe, Importrohstoffe und Recyclingrohstoffe“, so Kempf weiter.
In der „Berliner Rohstofferklärung“ macht der BDI fünf konkrete Vorschläge, wie dieser Paradigmenwechsel gelingen kann. Die zentrale Forderung ist die Ernennung des Bundeswirtschaftsministers zum Rohstoffbeauftragten der Bundesregierung, der damit in einer idealen Position wäre, um den Veränderungsprozess federführend voranzutreiben. Beispielsweise indem er „die 2010 verabschiedete Rohstoffstrategie der Bundesregierung fit für die Zukunft macht“, schlägt Kempf vor.
Bei der Übergabe der Rohstofferklärung anlässlich des 6. BDI-Rohstoffkongresses an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, fasste Kempf zusammen: „Rohstoffe gehen uns alle an. Sie sind aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Deshalb müssen Rohstoffe wieder einen festen Platz auf der politischen Agenda bekommen. Das kann nur mit einem Paradigmenwechsel in der Rohstoffpolitik gelingen.“