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Strompreispaket: Wie wirkt sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus?

Die äußerst hohen Stromkosten sind eine enorme Belastung für die Industrie und ein zentrales Transformationshemmnis. Im November 2023 einigte sich die Bundesregierung nach monatelanger Diskussion auf ein Strompreispaket. Keine Woche später, am 15. November, fällt das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) und sorgt damit für neue Fragezeichen auch beim Strompreispaket.

Anfang Mai hatte das Bundeswirtschaftsministerium ein Konzept für einen Industriestrompreis bzw. Brückenstrompreis vorgelegt und damit die Diskussionen aus den energiepolitischen Kreisen heraus in die breite Öffentlichkeit getragen. Ein halbes Jahr diskutierten die politischen Entscheidungsträger, allen voran Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner, öffentlich über gegensätzliche Einstellungen zu möglichen Entlastungsmaßnahmen.

Der BDI hat von der Bundesregierung früh ein abgestimmtes Konzept für eine dauerhaft sichere Versorgung zu international wettbewerbsfähigen Kosten gefordert und dabei darauf hingewiesen, dass es sowohl langfristige Ansätze für die Breite der Industrie als auch kurzfristige Entlastungen für besonders betroffene Unternehmen aller Größenordnungen braucht.

Maßnahmen und Bewertung des Strompreispakets

Das Strompreispaket, das die Bundesregierung im November 2023 der Öffentlichkeit vorgestellt hat, sieht unter anderem vor, die Stromsteuer für das produzierende Gewerbe auf das europäische Minimum von 0,05 Cent pro Kilowattstunde zu senken. Diese Absenkung soll für die nächsten fünf Jahre gelten, wobei die Jahre 2026 bis 2028 noch unter einem Finanzierungsvorbehalt stehen. Darüber hinaus wird die Strompreiskompensation mit dem Wegfall des Selbstbehalts ausgeweitet. Der Super Cap der Strompreiskompensation, der die indirekten CO2-Kosten auf 1,5 Prozent der Bruttowertschöpfung begrenzt, soll um fünf Jahre verlängert werden und der bisherige Sockelbetrag entfallen.

Zu begrüßen ist, dass es, wie vom BDI gefordert, Entlastungen sowohl in der Breite der Industrie als auch in der Spitze gibt. Allerdings bleiben die Entlastungen für große Teile der energieintensiven Industrie deutlich hinter den vom Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagenen Entlastungen durch einen Industriestrompreis zurück: Statt mehr als 2000 energieintensive Unternehmen profitiert von der Verstetigung der Strompreiskompensation nur ein enger Kreis von knapp 350 Unternehmen, von der Verlängerung des Super Caps sogar nur ein noch kleinerer Kreis von rund 90 besonders energieintensiven Unternehmen. Und selbst für diese Unternehmen bedeuten die Ansätze im Strompreispaket vor allem ein Mehr an Planungssicherheit aber kaum zusätzliche Entlastung.

Entlastungen in der Breite soll vor allem die mit Senkung der Stromsteuer für das gesamte produzierende Gewerbe auf das europäische Minimum bringen. Dadurch entfällt für die Unternehmen auch der wiederkehrende bürokratische Aufwand für die Beantragung des Stromsteuer-Spitzenausgleichs. Die Absenkung für die nächsten fünf Jahre ist von dem politischen Willen aller Beteiligten getragen, diesen Zeitraum auch tatsächlich zu erreichen.

Der Spitzenausgleich zur Energiesteuer wird von diesen Regelungen zur Stromsteuer nicht erfasst und soll Ende 2023 tatsächlich auslaufen.  Das führt bei einigen Unternehmen mit erdgasintensiven Prozessen dazu, dass sie unterm Strich mit dem Strompreispaket weniger entlastet werden als derzeit.

Zusammenfassend bringt das Strompreispaket energieintensiven Branchen Planungssicherheit aber kaum zusätzliche Entlastungen. Für die Breite der Industrie ist die Senkung der Stromsteuer zu begrüßen und ein Beitrag für mehr Wettbewerbsfähigkeit.

EU-Beihilferecht gleich mitgedacht

Letztendlich hat die Bundesregierung auf die ökonomische Frage der enormen Belastung durch hohe Stromkosten mit dem Strompreispaket eine juristische Antwort gegeben. Da sie die Regelungen im Einklang mit dem geltenden Beihilferecht entwickelt hat, kann die EU-Kommission sie voraussichtlich größere Diskussionen genehmigen. Eine aufwendige, tiefgreifende und vor allem zeitintensive beihilferechtliche Prüfung durch die EU-Kommission, wie sie bei völlig neuen Instrumenten zu erwarten wäre, ist sowohl entbehrlich.

Was bedeutet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für das Strompreispaket?

Die Fragezeichen, die nun hinter dem politischen Kompromiss stehen, kommen nicht aus Brüssel, sondern aus Karlsruhe. Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts zum KTF betrifft nämlich auch das Strompreispaket und möglicherweise weitere Sondervermögen wie z.B. den Wirtschafts- und Stabilisierungsfond (WSF). Damit sind erhebliche Teile der Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung und die Transformation der Industrie betroffen.

Die erforderlichen Mittel für die Verstetigung der Strompreiskompensation und die Verlängerung des Super Caps sollten eigentlich aus dem KTF kommen. Auch andere in diesem Zusammenhang relevante Posten, wie unter anderem Mittel für die Abschaffung der Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) Umlage, den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft, den Ausbau der Elektromobilität und die Klimaschutzverträge werden bereits oder sollen eigentlich aus dem KTF finanziert werden. Die Entlastungen der Netzentgelte, die zwar vorher bekannt waren, die die Regierung aber ebenfalls im Rahmen des Strompreispakets aufführt, sollen aus dem WSF stammen, woraus ebenfalls die Gas- und Strompreisbremsen finanziert werden. Doch nach dem Karlsruher Urteil gibt es auch dazu mehr Fragen als Antworten.