Substanz der Industrie bedroht

Nach seiner Teilnahme an der Kabinettsklausur in Meseberg sagt BDI-Präsident Siegfried Russwurm: „Substanz der Industrie ist bedroht.“

„Die Lage auf den Strom- und Gasmärkten ist dramatisch: Die Strompreise für 2023 sind aktuell auf mehr als 700 Euro pro Megawattstunde gestiegen – mehr als das 15-Fache des Preisniveaus der vergangenen Jahre. Der Gaspreis hat um 1000 Prozent auf mehr als 300 Euro pro Megawattstunde zugelegt. Die Lage ist für viele Unternehmen schon jetzt oder in Kürze toxisch, nicht nur wegen des Gasmangels, sondern vor allem wegen der aberwitzigen Preissteigerungen.

Die Substanz der Industrie ist bedroht. Die Entlastungen bei den Gaskosten über einen reduzierten Mehrwertsteuersatz erreichen allein alle privaten Haushalte, während die Industrie die Gasumlage in voller Höhe als zusätzliche Last tragen muss.

Der Gasverbrauch der Industrie lag im Juli um 21 Prozent unter dem Verbrauch des Vorjahresmonats, aber Vorsicht vor falschen Schlussfolgerungen: Dahinter stehen oft keine Effizienzgewinne, sondern ein dramatischer Produktionsrückgang. Das ist kein Erfolg, sondern Ausdruck eines massiven Problems.

Unternehmen brauchen Klarheit, ob jetzige Einsparungen im Falle einer Gasmangellage überhaupt künftig angerechnet werden können. Sonst zögern Unternehmen, schon jetzt Gas einzusparen, weil ihr niedrigerer aktueller Verbrauch der Aufsatzpunkt sein könnte. Eine klar benannte Basis, etwa der Durchschnitt des Vorjahresmonatsverbrauches, ist dringend nötig.

Viele Betriebe, gerade im Mittelstand, könnten und wollen kurzfristig Gas durch Öl ersetzen – und ihre Produktion vorübergehend ohne Gas aufrechterhalten. Es braucht Genehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und deutlich schnellere Entscheidungen der Behörden vor Ort.

Essenziell ist die Preisdämpfung beim Strom durch eine möglichst große Verbreiterung des Stromangebots in diesem Winter. Das sollte passieren über Erleichterungen für erneuerbare Energien, aber auch über den übergangsweise vermehrten Einsatz von Kohle- und Kernkraft. Mehr Angebot und sinkende Preise kommen allen Verbraucherinnen und Verbrauchern zugute, auch den Betrieben. Die Dramatik beim Strompreis sollte dazu führen, dass wirklich alles, was geht, wieder Strom produziert. Viele Unternehmen, ganz besonders viele inhabergeführte Mittelständler sind hochgradig unruhig und warten auf politische Führung und schnelle Entscheidungen.“