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Szenario 3: Vertiefte Europäische Integration für Resilienz
Der Weg in das Szenario: Treiber und Weichenstellungen
- Sicherheitspolitik als Keimzelle für eine neue vertiefte EU-Integration
- Europäische Zusammenarbeit in zentralen Zukunftsfeldern als Stärke
- Entwicklungssprünge bei KI und anderen Technologien führen zu hohem Anpassungsdruck
- „Euro-regionale“ Heimatverbundenheit: Offenheit gegenüber Kooperation und neuen Standorten im EU-Ausland
Szenariowelt 2030
Angesichts neuer geostrategischer Realitäten getrieben durch den immer schnelleren Rückzug der USA aus Europa und eines hochkompetitiven, teils protektionistischen Umfelds stellt der Europäische Rat die Weichen für eine vertiefte Integration der EU, um robuste Handlungs- und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dabei ziehen unter dem Druck der neuen geostrategischen Realitäten auch eher euroskeptische Regierungen mit, wobei das Weimarer Dreieck aus Frankreich, Polen und Deutschland als „Motor“ der Entwicklung wirkt. Die Weltwirtschaft ist hochgradig politisiert, Geostrategie und Geoökonomie gehen Hand in Hand.
Stärkung der Resilienz als oberste Prämisse
Die neuen Integrationsmaßnahmen zielen auf eine Stärkung der Resilienz gegenüber externen Schocks und verbessern auch die Investitionsbedingungen: Dies geschieht etwa über die Verwirklichung der Kapitalmarktunion und eine kohärente Finanzpolitik. Das seitens der EU-Kommission oft beschworene Konzept der strategischen Autonomie hat eine Stärkung der Versorgungssicherheit zum Ziel – u. a. in der Chipfertigung oder beim Ausbau erneuerbarer Energien und Netzausbau. In diesem Rahmen gibt es immer wieder Zielkonflikte zwischen ökologischen und sozialen Fragen, etwa bei der (Wieder-)Eröffnung von Bergwerken in Europa. Auch die gezielte Förderung von Zirkularität dient sowohl den europäischen Klimazielen und der Senkung des Ressourcenverbrauchs als auch der Stärkung der strategischen Autonomie.
Zugleich zielt die Regulierung der EU darauf ab, gleiche Wettbewerbs-bedingungen („Level Playing Field“) im europäischen Binnenmarkt zu schaffen und globale Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen. Streit verursachen jedoch immer wieder die Fragen über die Rolle und Eingriffstiefe der EU-Institutionen und welche Branchen als Schlüsselbranchen im Fokus der EU-eigenen Förderung stehen. Insgesamt wird der marktwirtschaftliche Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts aber gestärkt: So gleicht sich beispielsweise die Abgabenlast in der EU zunehmend an und bürokratische Hürden, die dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital entgegenstehen, werden sukzessive abgebaut.
Neue, grenzüberschreitende Wertschöpfungsverbünde
Eine EU-weite Strategie für Datenökonomie, kritische Rohstoffe, Industrie, Schlüsseltechnologie-Ökosysteme und Kreislaufwirtschaft vereinfacht die unternehmensübergreifende Wertschöpfung. In der ganzen EU entstehen in Grenzregionen und neuerdings auch in industriellen Metaversen („Industrial Metaverses“) neue Wertschöpfungsverbünde, wobei dem industriellen Mittelstand in Deutschland eine entscheidende Rolle zukommt. Starke deutsche Wertschöpfungsverbünde fungieren als Architekten grenzüberschreitender europäischer Ökosysteme – Heimatverbundenheit wird vermehrt „euro-regional“, also regional grenzüberschreitend, gedacht.
Die Verbünde übersetzen künftige EU-Ziele und -Standards, etwa hinsichtlich Klimaschutz oder der Responsible Industrial AI in neue, wettbewerbsfähige Lösungen. Dynamische Entwicklungen bei Schlüsseltechnologien bringen hohen Anpassungsdruck für den Mittelstand. Für innovative Mittelständler und Technologieführer ergeben sich jedoch in spezifischen Kontexten, die auf europäische Resilienz-, Sicherheits- und Nachhaltigkeitsziele einzahlen, auch eine Vielzahl neuer Geschäftsopportunitäten. Europäische Unternehmen wenden KI nicht nur an, sondern entwickeln selbst leistungsfähige KI-Lösungen, oft für hochspezialisierte Nischenanwendungen. Zugleich nimmt aber der innereuropäische Wettbewerb um Fachkräfte und Firmenansiedlungen stark zu. Dies führt zu wiederkehrenden Konflikten unter einigen EU-Mitgliedstaaten.
Hohe Standorttreue bei gleichzeitiger globaler Vernetzung
Der deutsche Mittelstand zeigt grundsätzlich hohe Treue bezüglich gewachsener Standorte bei gleichzeitiger Offenheit gegenüber Kooperation und neuen Standorten im europäischen Ausland. Im Zuge dessen wird Englisch mancherorts als zweite Arbeitssprache eingeführt, KI-Echtzeitübersetzungen erleichtern dies. Europäische Innovations- und Wertschöpfungsverbünde sind eng vernetzt mit ausgewählten globalen Innovationszentren – wie etwa Singapur, Indien oder neuen Wachstumszentren in Afrika – und gelten dort (in ihren Nischen) als Vorreiter. Sie setzen dabei auf nachhaltige, zuverlässige Beziehungen mit Lieferanten, Kunden und vereinzelt auch Wettbewerbern innerhalb spezifischer Kontexte, um Gesamtlösungen für globale Märkte zu realisieren.