Transatlantische Beziehungen: Kein Durchbruch beim EU-US-Gipfel
Beim EU-US-Gipfel am 20. Oktober 2023 in Washington trafen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel mit US-Präsident Joe Biden zusammen. Am Rande des Gipfels trafen sich auch EU- Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis und die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai für Verhandlungen zum Global Arrangement on Steel and Aluminium (GSA) und zum Critical Minerals Agreement (CMA).
Wichtige Verhandlungen sind ins Stocken geraten
Im Vorfeld hatte die EU gehofft, die Verhandlungen zum GSA größtenteils abschließen und den Streit um die US-Zölle auf Stahl und Aluminium beim Gipfel endgültig beenden zu können. Am Tag vor dem Gipfel brachen die Verhandlungen jedoch zusammen, nachdem die USA sich im Abkommen die Option offenhalten wollten, jederzeit wieder die Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte einführen zu können – eine für die EU inakzeptable Vereinbarung. Daher sind die Ergebnisse des Gipfels leider enttäuschend: Es wurde klar, dass eine Einigung auf ein GSA bis zur selbst gesetzten Frist Ende Oktober 2023 nicht möglich sein würde. Nach derzeitigem Stand treten die US-Zölle und die Vergeltungszölle der EU zum Jahresbeginn 2024 wieder in Kraft. Beamte beider Seiten haben jedoch erklärt, dass sie die Wiedereinführung von Zöllen vermeiden wollen. Eine mögliche Zwischenlösung, über die nun verhandelt wird, ist die Weiterführung der US-Zollkontingente für einen gewissen Zeitraum, um mehr Zeit für den Abschluss des GSA zu gewinnen.
Auch bei den Verhandlungen um ein Critical Minerals Agreement (CMA), das der Diskriminierung europäischer Anbieter beim Zugang zu Steuergutschriften für neue Elektroautos im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) entgegenwirken soll, konnten beide Seiten keine großen Durchbrüche erreichen. In ihrer Abschlusserklärung verweisen sie lediglich auf Verhandlungsfortschritte.
Bekenntnisse statt Ergebnisse
Die weiteren Gipfelergebnisse sind wenig überraschend: Es blieb bei Bekenntnissen anstelle von Ergebnissen. Beide Seiten betonten, dass sie eine Zusammenarbeit mit China bei globalen Herausforderungen anstreben und Decoupling nicht das Ziel sei. Stattdessen wolle man wirtschaftliche Resilienz durch „De-Risking“ und Diversifizierung ausbauen. Gleichzeitig bekräftigten sie die Notwendigkeit, die eigene Wirtschaftssicherheit („economic security“) zu stärken, global ein Level Playing Field zu etablieren und den Schutz kritischer Technologien sicherzustellen. Die USA und die EU verpflichteten sich, die Ukraine und Israel weiterhin zu unterstützen. Zudem wollen sich beide Seiten aktiv für eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) einzusetzen.
Auch in Bezug auf den Trade and Technology Council (TTC), das derzeit wichtigste transatlantische Forum für wirtschaftliche Zusammenarbeit, brachte der Gipfel keine konkreten Ergebnisse. Beim nächsten Treffen wollen beide Seiten weiter auf einen gemeinsamen Fortschritt hinarbeiten. Ein konkretes Datum nannten sie allerdings nicht. Inzwischen gilt es als wahrscheinlich, dass das fünfte TTC-Treffen entgegen der ursprünglichen Planung erst Anfang 2024 stattfinden wird.
Durchwachsene Bilanz für den TTC
Nach der anfänglichen Euphorie über die Einrichtung des TTC ist insgesamt Ernüchterung eingetreten: Seit zwei Jahren verhandelt das Forum, konnte aber bisher nur kleinere konkrete Verhandlungserfolge erzielen. Dies gilt insbesondere für den Technologiebereich, den die USA stärker priorisieren. Im Handelsbereich, in dem sich vor allem die EU mehr Fortschritte wünscht, geht es hingegen deutlich schleppender voran. Eine aktive Handelspolitik, vor allem wenn sie Verhandlungen über Marktzugang beinhaltet, ist derzeit keine Priorität für die Biden-Administration – nicht einmal mit wichtigen Partnern.
Da eine proaktive Klimapolitik und die grüne Transformation politische Ziele auf beiden Seiten des Atlantiks darstellen, erhofft sich die EU nun Fortschritte im Handelsbereich durch die Tranatlantic Initiative on Sustainable Trade (TIST) unter dem TTC. In vier Bereichen wollen die EU und die USA die grüne Transformation durch Handelserleichterungen und Investitionen in notwendige Produkte fördern:
- Nachhaltiges Unternehmensumfeld für einen integrierten transatlantischen Markt
- Widerstandsfähige und nachhaltige Lieferketten für die umweltfreundliche Wirtschaft
- Vorteile für Arbeitnehmer und Verbraucher in der grünen Wirtschaft
- Ein globaler Weg für die grüne Transformation.
Ob die TIST konkrete Ergebnisse liefern kann, wird sich zeigen.
Vor Super-Wahljahr 2024: Transatlantische Wirtschaftsbeziehungen absichern
Im Jahr 2024 stehen sowohl in der EU als auch in der USA Wahlen an, die zu politischen Veränderungen führen können. Daher sollten die transatlantischen Partner die bisher erzielten Ergebnisse unbedingt absichern („future proofing“). Dafür ist es wichtig, dass beide Seiten die nächsten Monate bis zu den Wahlen nutzen, um konkrete Ergebnisse zu erzielen und Verhandlungen in Teilbereichen abzuschließen. Nur so können sie sicherstellen, dass es nach den Wahlen keine Rückschritte in den transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen gibt. Zudem wird die Möglichkeit geschaffen, auf diesen Ergebnissen aufzubauen.