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Verfassungsbeschwerde gegen die Weitererhebung des Solidaritätszuschlags

In einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben die Beschwerdeführer die Erhebung des Solidaritätszuschlags im Jahr 2020 sowie den nur unvollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags im Jahr 2021 als verfassungswidrig bezeichnet. Der BDI hat sich in einer Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde geäußert und unterstützt die Forderung eines vollständigen Abbaus des Solidaritätszuschlags für alle Steuerpflichtigen.

Die Beschwerdeführer begründen ihre Vorwürfe mit Verstößen gegen mehrere Grundgesetzartikel durch die Fortführung des Solidaritätszuschlags nach Ende 2019 und stellen die Rechtmäßigkeit der Weitererhebung infrage. Der BDI schließt sich den Argumenten an und erweitert diese wie folgt:

  • Die Erhebung des Solidaritätszuschlags im Jahr 2020 ist rechtlich nicht haltbar, da mit dem Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 keine Grundlage mehr bestand. Zeitgleich endete damit der zusätzlich vorgesehene Finanzierungsbedarf für den Aufbau der neuen Bundesländer, welcher eng mit der Erhebung des Solidaritätszuschlags verbunden war. Sollte weiterhin ein finanzieller Mehrbedarf zum Aufbau der neuen Länder fortbestehen, müsste dieser aus dem regulären Bundeshaushalt gedeckt werden, nicht durch eine Ergänzungsabgabe.
     
  • Die Fortführung des Solidaritätszuschlags ab 2021 für bestimmte Bevölkerungsteile und Unternehmen verstößt gegen das Gleichheitsgebot nach Artikel 3 des Grundgesetzes. Insbesondere die differenzierte Behandlung vieler Unternehmen, vor allem der Kapitalgesellschaften, die erheblich zu den aktuellen Aufkommensrekorden beitragen, lässt sich nicht mit sozialpolitischen Motiven rechtfertigen. Die steuerliche Umverteilung muss über die Einkommenssteuer erfolgen, nicht über eine Ergänzungsabgabe. Zudem ist die Lenkungswirkung ein sachfremdes Ziel, das im Fall einer Ergänzungsabgabe unangemessen ist, soweit sich eine soziale Staffelung nicht unmittelbar aus dem Erhebungszweck der Abgabe ergibt. Darüber hinaus wurde außerhalb des Rahmens der Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes mit der nur teilweisen Abschaffung des Solidaritätszuschlags faktisch eine Anhebung der Einkommen- und Körperschaftsteuer beschlossen, ohne die notwendige Zustimmung des Bundesrates einzuholen.

Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle Steuerpflichtigen

Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands geht im Wesentlichen auf die Innovationskraft und dem daraus resultierenden Erfolg der Unternehmen im internationalen Wettbewerb zurück. Angesichts des globalen Steuerwettbewerbs ist es geboten, die Gesamtsteuerlast der Unternehmen auf ein international wettbewerbsfähiges Maximum von 25 Prozent zu reduzieren. Eine zeitnahe Abschaffung des Solidaritätszuschlags könnte einen wichtigen Beitrag zur Senkung der im internationalen Vergleich bereits sehr hohen Gesamtsteuerbelastung der Unternehmen in Deutschland leisten und so die Attraktivität des Standorts nachhaltig stärken.

Daher ist eine umfassende Reform des Solidaritätszuschlags dringend erforderlich. Als ersten Schritt empfiehlt es sich, den Satz des Solidaritätszuschlags zu senken und dadurch die Entlastung auf alle verbleibenden Zahler auszuweiten. In einem zweiten Schritt muss der Abbau des Solidaritätszuschlags mit einem verbindlichen Enddatum erfolgen. Für einen aufkommensverträglichen Einstieg schlagen wir daher eine Senkung des vollen Zuschlagssatzes auf zunächst drei Prozent ab 2024 vor, die gleichzeitig mit einem festen Enddatum für den vollständigen Abbau verbunden wird. Erst recht sollte keine Integration des Solidaritätszuschlags in die Einkommensteuer erfolgen, was einer Steuerhöhung gleichkäme und gerade in Zeiten wiederholter Steuermehreinnahmen auf Rekordniveau nicht zu rechtfertigen wäre.

Hintergrund zum Solidaritätszuschlag

Der Solidaritätszuschlag wurde als Ergänzungsabgabe mit dem Solidaritätszuschlagsgesetz 1991 zur Abfederung der Belastungen aus internationalen Konflikten, der Stützung europäischer Länder und schlussendlich für die Finanzierung der neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung eingeführt. Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 Prozent der festzusetzenden Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer. Seit 2021 wird der Solidaritätszuschlag bei der Lohn- und Einkommensteuer erst ab einer bestimmten Höhe der jeweiligen berechneten Lohnsteuer beziehungsweise der Einkommensteuer festgesetzt. Im Resultat gilt sie für rund 90 Prozent der Lohn- und Einkommensteuerzahler faktisch als abgeschafft. Für weitere rund 6,5 Prozent entfällt der Zuschlag in Teilen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied Anfang 2023, dass die Weitererhebung des Solidaritätszuschlags rechtmäßig sei (BFH v. 17.01.2023, Az. IX R 15/20). Die Stellungnahme des BDI bezieht sich auf eine Klage vor dem BVerfG, die die Weitererhebung des Solidaritätszuschlags im Jahr 2020 und seine fortgeführte Erhebung ab 2021 für die verbleibenden zehn Prozent der Zahler als verfassungswidrig bezeichnet, und setzt sich dabei an mehreren Stellen kritisch mit dem Urteil des BFH von Anfang 2023 auseinander.