Verwaltungsmodernisierung: Dringender Handlungsbedarf für die Industrie und die Gesellschaft

Die Modernisierung und Digitalisierung der deutschen Verwaltung stehen vor großen Herausforderungen. Unternehmen und Bürgerinnen sind unzufrieden, und die Industrie ist auf eine funktionierende Verwaltung angewiesen. Die deutsche Industrie fordert konkrete Maßnahmen, um die Verwaltungsmodernisierung voranzutreiben.

Langes Warten auf einen Termin im Bürgeramt, Papier-Formulare und die Pflicht zur händischen Unterschrift prägen die öffentliche Wahrnehmung der öffentlichen Verwaltung. Bereits digitalisierte Verwaltungsverfahren – wie beispielsweise die ELSTER-basierte Steuererklärung – gelten als wenig nutzendenfreundlich. Die Modernisierung und Digitalisierung der deutschen Verwaltung ist von entscheidender Bedeutung, um den wachsenden Anforderungen, wie schnelle und agil nutzbare Verwaltungsdienstleistungen, unserer Gesellschaft und der Industrie gerecht zu werden. Die Verwaltungsdigitalisierung ist nicht nur ein Schlagwort, sondern ein entscheidender Schritt, um effizientere, transparentere und flexiblere Dienstleistungen zu erbringen und die Wettbewerbsfähigkeit der InnoNation, des Industrie- und Innovationsstandorts Deutschland, zu wahren.

Die digitale Transformation in der Verwaltung bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Sie ermöglicht nicht nur einen schnelleren und bequemeren Zugriff auf wichtige Informationen und Dienstleistungen, sondern trägt auch dazu bei, Bürokratie abzubauen und die Prozesse effizienter zu gestalten. Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter profitieren gleichermaßen von dieser Revolution.

Der lange Weg zur Verwaltungsdigitalisierung

Die Digitalisierung der deutschen Verwaltung ist jedoch keine bloße Zukunftsvision, sondern ein Mammutprojekt, das bereits im Jahr 2000 begann. Die Bundesregierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte mit dem Projekt „BundOnline 2005 bis 2005 alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung online zur Verfügung stellen. Dadurch sollten wichtige Voraussetzungen für eine moderne und dienstleistungsorientierte Verwaltung geschaffen werden. Mit dem 2017 in Kraft getretenen Onlinezugangsgesetz (OZG) sollte die deutsche Verwaltung dann bis spätestens 2022 alle zentralen Verwaltungsleistungen verfügbar machen. Dazu wurden diese in 575 OZG-Diensten gebündelt. Doch auch diese eGovernment-Ambition von Bund und Ländern ist gescheitert: Knapp ein Jahr nach Umsetzungsfrist sind Stand Anfang November 2023 lediglich 145 der 575 OZG-Leistungspakete voll digital durchführbar. Abhilfe soll der IT-Planungsrat schaffen. Das 2010 gegründete Gremium hat zur Aufgabe die Zusammenarbeit der verschiedenen staatlichen Akteure im Bereich der Digitalisierungsbestrebungen in der öffentlichen Verwaltung zu koordinieren. Seit 2019 wird das Gremium durch die Föderale IT-Kooperation (FITKO) organisatorisch begleitet, welche Bund und die Länder künftig bei der Digitalisierung der Verwaltung und Entwicklung föderaler IT-Strukturen und -Standards unterstützen soll.

Die schleppende digitale Transformation der deutschen Verwaltung spiegelt sich zunehmend in internationalen Studien: So beispielsweise im Digital Economy and Society Index (DESI) der Europäischen Union. Dieser fasst diverse Indikatoren für die digitale Leistungsfähigkeit der EU-Länder zusammen und verfolgt dadurch ihren Fortschritt. Deutschland erreichte dort im Jahr 2022 nur den 13. Platz. Als führende Wirtschaftsnation Europas ist der Anspruch jedoch an anderer Stelle. Geführt wird das Ranking von den nordischen Staaten und den Niederlanden.

Die ausbleibende Verwaltungsdigitalisierung schlägt sich auch in der Zufriedenheit von Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern mit Behörden nieder: In einer Studie des Instituts Allensbach in Zusammenarbeit mit dem BDI halten nur zwei Prozent der befragten mittelständischen Unternehmen die deutsche Verwaltung für sehr leistungsfähig. 62 Prozent der Befragten halten die deutsche Verwaltung für weniger oder kaum leistungsfähig. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass die Anforderungen an und die Leistungsfähigkeit der Verwaltung nicht auf dem gleichen Niveau liegen.

Digitale Verwaltung ist Grundvoraussetzung für digitale und grüne Transformation

Von der Gewerbeanmeldung über die Neuzulassung von elektrisch betriebenen Firmen-Kfz bis hin zu Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Glasfaserausbau sind deutsche Industrieunternehmen auf eine funktionierende öffentliche Verwaltung angewiesen. Mit durchschnittlich 200 Verwaltungskontakten im Jahr sind Unternehmen die Poweruser der öffentlichen Verwaltung. Eine digitale und agile Verwaltung ist für die InnoNation daher keine eine Option, sondern ein Grundpfeiler für eine funktionierende Industrie und die damit verbundene digitale und grüne Transformation.

Auch der Anfang September vorgestellte Deutschland-Pakt adressiert die Relevanz der digitalisierten Verwaltung, priorisiert dabei jedoch die Verwaltungsbedarfe der Bürgerinnen und Bürger. Da Bürgerinnen und Bürger im Durschnitt nur 1,5 Verwaltungskontakte pro Jahr haben – von dem eines bereits die voll-digitale Steuererklärung ist – sollten bei zukünftigen Digitalisierungsinitiativen die Bedarfe der Unternehmen als Poweruser der Verwaltung stärker als bisher in den Fokus genommen werden.

Forderungen der deutschen Industrie

Damit die Verwaltungsmodernisierung endlich erfolgreich umgesetzt werden kann, bedarf es eines Schulterschlusses von Bund und Ländern sowie eine enge Kooperation mit der Wirtschaft. Das Änderungsgesetz des Onlinezugangsgesetzes (OZG) muss den Weg bereiten, damit die deutsche Verwaltung endlich ins Digitalzeitalter katapultiert wird. Hierfür müssen aus Sicht der deutschen Industrie folgende Maßnahmen umgesetzt werden:

  • Durch den Fokus auf bundesweit einheitliche Standards und Schnittstellensoll sichergestellt werden, dass in den verschiedenen Bundesländern die jeweiligen Verwaltungsverfahren gleich ablaufen und miteinander kompatibel sind. So können Unternehmen mit Sitz in verschiedenen Bundesländern einheitliche Dienstleistungen abrufen.
  • Rechtsansprüche schaffen und mit Registermodernisierung verzahnen: Unternehmen sollten das Recht erhalten, die Bereitstellung von Daten zu verweigern, wenn diese bereits in staatlichen Registern vorhanden sind, um so die Digitalisierung und die Verzahnung der verschiedenen Verwaltungsaspekte weiter voranzutreiben. Die deutsche Industrie braucht verlässliche Fristen, um die Digitalisierung weiter voranzutreiben und nicht im internationalen Wettbewerb zurückzubleiben. Zusätzlich müssen die verschiedenen Register des Bundes und der Länder, in denen unterschiedliche Daten von Unternehmen und Personen gespeichert sind, interoperabel sein und vernetzt werden. Nur durch die Registermodernisierung müssen Unternehmen zukünftig Daten, die die Verwaltung schon in ihren Systemen haben, nicht mehrfach angegeben.
  • Nutzbarkeit des Organisationskontos sicherstellen und dessen volles Potenzial heben: Die Schaffung einer digitalen und anwenderorientierten öffentlichen Verwaltung entlastet Unternehmen und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Dafür ist ein zentrales Konto, über welches jegliche Verwaltungsdienstleistungen durchführbar sind, unabdingbar.  
  • Organisationskonto muss B2B-Kommunikation zu Verwaltungsverfahren ermöglichen: Vielfach sind Interaktionen zwischen der Wirtschaft und der Verwaltung Kommunikationsprozesse zwischen Unternehmen sowie Unternehmen und Gutachtern vorgelagert. Für ein möglichst effizientes, medienbruchfreies Verwaltungsverfahren sollte die B2B-Kommunikation ebenfalls über das Organisationskonto abgebildet werden können.

Future Forward Talk | E-Government

Über die Zukunft der digitalen Verwaltung in Deutschland sprach Iris Plöger (BDI) mit Bundes-CIO Markus Richter (Staatssekretär im Bundesinnenministerium) © BDI