thyssenkrupp – Bau der ersten Direktreduktionsanlage am Standort Duisburg © thyssenkrupp

Wasserstoff statt Kohle: Die Stahlproduktion in Deutschland wird grün

Die Transformation der Grundstoffindustrie spielt beim Kampf gegen den Klimawandel eine entscheidende Rolle. Deutsche Unternehmen begegnen dieser Herausforderung mit Mut zu Investitionen und der Bereitschaft, ganz neue Wege zu gehen. Ein Beispiel ist die Technologiewende in der Stahlproduktion.

Ob für Gebäude, Autos, Computer oder Spülbecken – Stahl ist einer der wichtigsten Grundstoffe in vielen Industrien und Lebensbereichen. Auch für die Energiewende ist das starke und preisgünstige Metall unerlässlich, denn es steckt in Strommasten wie in Windturbinen. Zugleich ist die Stahlproduktion in ihrer aktuellen Form für rund sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich und heizt dadurch den Klimawandel weiter an. Deutschlands größter Stahlproduzent Thyssenkrupp sieht in der Transformation der Stahlproduktion daher einen großen Hebel, um den Übergang in die klimaneutrale Gesellschaft zu meistern. Bis 2045 will das Unternehmen die eigene Stahlproduktion klimaneutral machen. Dafür investiert Thyssenkrupp bereits jetzt massiv in seine Standorte und führt innovative nachhaltige Technologien ein. 

Auch die Salzgitter AG, ein europaweit führender Stahl- und Technologiekonzern mit Sitz in Salzgitter, will ihren Stahl in Zukunft CO2-frei erzeugen. Dafür hat das Unternehmen das sogenannte SALCOS®-Projekt (Salzgitter Low CO2 Steelmaking) ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft und Forschung arbeitet die Salzgitter AG daran, wie sich Strom aus regenerativen Energien nutzen lässt, um Wasserstoff durch Elektrolyse zu erzeugen.  

Dieser umweltfreundliche Wasserstoff soll künftig die derzeit in konventionellen Hochöfen verwendete Kohle ersetzen. Mit dieser Carbon-Direct-Avoidance-Strategie, also dem Vermeiden von CO2 von vornherein, können die CO2-Emissionen bei der Stahlproduktion in Salzgitter um 95 Prozent reduziert werden. 

Wir sprachen mit Gunnar Groebler, Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG, über den Weg zur klimaneutralen Stahlproduktion. ©BDI       

Auf dem Weg zum Hochofen 2.0

Wie macht Wasserstoff konkret die Stahlproduktion grün? Grundsätzlich gilt: Der Grundstoff zur Stahlproduktion ist Eisenerz. In Hochöfen entsteht daraus durch den Einsatz von Kohle und Kohlenstoff flüssiges Roheisen. Stahlunternehmen wie Thyssenkrupp oder die Salzgitter AG verarbeiten es weiter zu qualitativ hochwertigem Flachstahl. Gegenwärtig wird Roheisen in Hochöfen durch die Verwendung von Kohle hergestellt. Als Nebenprodukt entsteht prozessbedingt CO2. Abhilfe schaffen Direktreduktionsanlagen. In diesen Anlagen wird das Eisenerz mit Wasserstoff reduziert. Der Wasserstoff reagiert direkt mit dem Sauerstoff im Eisenerz (Eisenoxid), während es sich in festem Zustand befindet, und wandelt es so in Eisenschwamm (Direct Reduced Iron) um, eine Substanz, die nahezu aus reinem Eisen besteht. Bei dieser innovativen Technologie entsteht als Nebenprodukt Wasser (H2O) anstelle von CO2. Das wird anschließend im integrierten System recycelt. Anschließend wird das poröse Eisenschwamm-Material durch Schmelzen mit Stahlschrott in einem Elektrolichtbogenofen weiterverarbeitet. 

Das Ruhrgebiet spielt bei der Energiewende vorne mit

Im vergangenen Jahr hat der Vorstand von Thyssenkrupp eine Investitionssumme von mehr als zwei Milliarden Euro für den Standort Duisburg bewilligt. Damit ist der Weg frei für eines der größten industriellen Dekarbonisierungsprojekte weltweit. Anfang März 2023 erfolgte der nächste Schritt zur Umsetzung mit der Lieferung und dem Bau der wasserstoffbasierten Direktreduktionsanlage inklusive zweier Einschmelzer. 2026 soll die neue Anlage in Betrieb gehen und bis 2030 zwei Hochöfen ersetzen. „2030 planen wir bereits mit rund fünf Millionen Tonnen CO2-armen Stahl und einer dann realisierten CO2-Einsparung von weit mehr als 30 Prozent“, sagt Arnd Köfler, CTO von Thyssenkrupp Steel. Spätestens 2045 soll die Transformation zu einer komplett klimaneutralen Produktion abgeschlossen sein.  

Auch die Salzgitter AG investiert in CO2-freien Stahl - in drei Stufen. Im ersten Schritt soll bis Ende 2025 eine Direktreduktionsanlage in Betrieb gehen. Der Wandel ließe sich ohne staatliche Fördermittel in Gesamthöhe von rund einer Milliarde Euro für die Umsetzung der ersten Transformationsstufe nicht bewältigen. „Wir werden schon 2026 in der Lage sein, signifikante Mengen an grünem Stahl zu produzieren und unseren Kunden zur Verfügung zu stellen. Ich bin froh und auch ein bisschen stolz darauf, dass wir als Pionier mit einer komplett stehenden Finanzierung für die erste Stufe unseres Transformationsprogramms den Auftrag an unsere starken Partner vergeben haben“, sagt Gunnar Groebler, CEO der Salzgitter AG.  

Die Stahlindustrie in Deutschland und Europa steht vor der größten Herausforderung seit Jahrzehnten. Sie muss in kürzester Zeit klimaneutral werden. Unternehmen wie Thyssenkrupp oder die Salzgitter AG haben den Weg zu innovativen, klimaneutralen Technologien für die Stahlproduktion bereits eingeschlagen. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag für das Erreichen der Klimaziele. Nun kommt es auf die richtigen politischen Rahmenbedingungen an.