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Welche Trends der Vorjahre setzen sich in der US-Handelspolitik fort?

Unter Joe Biden haben sich die Beziehungen zu wichtigen Verbündeten seit der Trump-Regierung wieder deutlich verbessert. Dennoch bleibt zu erkennen, dass einige Trends der Vorjahre in der US-amerikanischen Handelspolitik sich nachhaltig fortsetzen.

Elemente, die aus der Zeit unter Präsident Trump bestehen bleiben:

  • Bei aller Wertschätzung der Biden-Administration internationaler Partnerschaften: Die Stärke und Stärkung der heimischen Wirtschaft bleiben Priorität, im Zweifel auch zu Lasten von Verbündeten. Auch wenn die Biden-Administration den internationalen Handel nicht als Nullsummenspiel begreift, wird es doch als natürlich angesehen, dass jedes Land zunächst die eigenen Arbeitsplätze verteidigt. Wichtige Gesetze, die in den ersten beiden Jahren der Amtszeit Bidens verabschiedet wurden, sind das Bipartisan Infrastructure Law (BIL) und der Inflation Reduction Act (IRA). Beide enthalten Anforderungen zur Nutzung heimischer Materialien („local content“ / „Buy American requirements“), die gegenüber Handelspartnern diskriminieren. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit kündigte Biden eine striktere Anwendung der „Buy American“-Regelungen an und richtete ein „Made in America Office“ im Weißen Haus ein. In der Rede zur Lage der Nation im Februar 2023 kündigte der Präsident weitere Ausweitungen an. Die derzeit vorgesehenen Erweiterungen scheinen darauf abzuzielen, dass künftig prinzipiell alle Materialien, die für auf US-Bundesebene (mit-)finanzierten Infrastrukturprojekte benötigt werden, in den USA hergestellt sein müssen und nicht nur wie bisher bestimmte Materialien wie Stahl. Somit finden sich auch Joe Bidens (Handels-)Politik klare protektionistische Elemente, die langfristig der US-Wettbewerbsfähigkeit schaden können.
  • Kritik an der WTO: Trotz einer generell hohen Wertschätzung internationaler Zusammenarbeit ist auch die Biden-Regierung der WTO gegenüber kritisch eingestellt. Bereits 2016 blockierte die Obama-Administration in den letzten Tagen ihrer Amtszeit die Neubenennung eines Mitglieds des WTO-Berufungsgremiums („Appellate Body“). Die Trump-Administration hielt diese Blockade aufrecht, auch als weitere Mitglieder turnusgemäß ausschieden und das Berufungsgremium daraufhin handlungsunfähig wurde. Auch unter Biden wurde die Blockade bisher nicht aufgehoben. Die Administration kritisiert unter anderem, dass sich das Streitschlichtungsgremium der WTO zu stark in nationale Angelegenheiten eingemischt habe, vor allem im Hinblick auf nationale Sicherheitsbedenken. Darüber hinaus habe die Organisation bisher keinen geeigneten Umgang mit China als Nicht-Marktwirtschaft und inzwischen gleichzeitig wirtschaftlichem Schwergewicht in der Welt gefunden.  
  • Kritik an China, die konkrete Maßnahmen nach sich zieht: Unter Trump führten die USA Strafzölle auf chinesische Importe ein. Rechtliche Basis dafür ist Abschnitt 301 des „Trade Act of 1974“, der es den USA erlaubt, bei unfairem Verhalten von Handelspartnern Gegenmaßnahmen zu ergreifen. China antwortete ebenfalls mit Zöllen und in den darauffolgenden Monaten folgten diverse Eskalationsstufen in Form weiterer Zölle. 2020 schlossen die USA und China den „Phase One Deal“, welcher den Konflikt etwas entschärft. Viele der Zölle sind jedoch nach wie vor in Kraft. Während unter der Trump-Administration das hohe Handelsbilanzdefizit der USA mit China und der Diebstahl geistigen Eigentums im Zentrum der Kritik standen, hebt die „2023 Trade Policy Agenda“ die staatlich gelenkten, nicht marktwirtschaftlichen Handelspraktiken hervor, aber auch die Verletzung von Arbeitnehmerrechten und die schwachen Umweltvorschriften. Jedoch sollte die handelspolitische Antwort auf Chinas unfaire Handelspraktiken im größeren Kontext betrachtet werden. Die USA nutzen inzwischen Maßnahmen wie Exportkontrollen, aber auch weitere Instrumente wie Investitionsprüfungen (bald möglicherweise auch für ausgehende Investitionen, „outbound investment screening“) und auch industriepolitische Gesetzgebung wie den CHIPS and Science Act im Systemwettbewerb mit China.
  • „Economic Security is national security“: Bereits unter Trump spielten sicherheitspolitische Erwägungen bei wirtschaftspolitischen Maßnahmen eine zunehmende Rolle. So machte Trump bei den Zöllen auf Stahl und Aluminium von dem lang nicht genutzten Instrument von Zöllen nach Abschnitt 232 des Trade Expansion Act of 1962 Gebrauch: Dieses erlaubt es, Zölle zu erheben, wenn eine Untersuchung des US-Wirtschaftsministeriums zu dem Schluss kommt, dass bestimmte Importe die nationale Sicherheit bedrohen. Unter Biden drohen keine neuen 232-Zölle auf Importe aus der EU und anderen befreundeten Ländern. Jedoch wird die sicherheitspolitische Bedrohung durch China immer mehr zur Grundlage für wirtschaftspolitische Maßnahmen. In der nationalen Sicherheitsstrategie des weißen Hauses vom Oktober 2022 wird „Out-Competing China and Constraining Russia“ als eine globale Priorität benannt. Beispielsweise wurden sowohl unter Trump als auch unter Biden die US-Exportkontrollen ausgeweitet, um den Fortschritt Chinas im Hochtechnologiebereich einzuhegen. Hintergrund ist Chinas Strategie der „military-civil fusion“, also der Verknüpfung von militärischen und zivilen Programmen bei der Entwicklung neuer Technologien. Diese erschwert es deutlich, bei Exporten nach China zwischen zivilen und militärischen Endverbrauchern zu unterscheiden.  

Welche Rolle spielt der Kongress?

Der Abschluss neuer Freihandelsabkommen hat für die Biden-Administration keine Priorität. Sie hat sich seit Ablauf des letzten Mandats des Kongresses über die Verhandlung von FTAs, der sogenannten „Trade Promotion Authority“, im Juni 2021 nicht um eine Erneuerung bemüht. Diese erleichtert nicht nur die Verabschiedung ausverhandelter FTAs durch den Kongress, sondern gibt der Administration im Gegenzug auch Verhandlungsziele vor. Stattdessen verhandeln die USA inzwischen in zahlreichen Dialogformaten und „Frameworks“ über wirtschafts- und handelspolitische Aspekte, wobei klassische Marktzugangsthemen von diesen Verhandlungen ausgeschlossen sind. Darüber gibt es zunehmend Kritik im US-amerikanischen Kongress – zum einen, weil die Administration diese Abkommen ohne vorherige Einbeziehung und Zustimmung des Kongresses vorantreibt. USTR verweist dabei auf die gesetzliche Grundlage, die das Mandat des USTR darlegt (19 U.S. Code 2171), welche der Kongress jedoch nicht für ausreichend hält. Zum anderen gibt es vermehrt Stimmen im Kongress – in beiden Parteien –, denen die handelspolitische Agenda der Biden-Administration nicht weit genug geht und die wieder durchsetzbare Handelsabkommen mit hohen Standards fordern.   

Der Vorsitzende des Handelsunterausschuss des „Ways and Means Committee“ im Repräsentantenhaus Adrian Smith, ein Republikaner aus Nebraska, hat nun angekündigt, sich für ein neues Handelsmandat einzusetzen. Neben dem Kongress könnten auch die Ambitionen Chinas die USA über kurz oder lang dazu bewegen, wieder echte FTAs zu verhandeln. Denn China weitet derzeit über laufende FTA-Verhandlungen, die manchen Handelspartnern attraktiver scheinen könnten als die Partnerschaftsabkommen und „Frameworks“ der USA, seinen Einfluss in der Welt aus.