Lars Krückeberg (Graft) im Video-Interview © BDI

Welche Trends prägen die Wirtschaft der Zukunft?

Was haben Röntgenstrahlen, Penicillin, Teflon und Amerika gemeinsam? Sie wurden alle zufällig entdeckt. Wenn Architekt Lars Krückeberg nach dem Wesen von Innovation gefragt wird, verweist er gerne auf diese überraschende Erkenntnis. Oder er zeigt ein menschliches Gehirn mit seinen beiden Hemisphären – in der linken eine Ansammlung von Schubfächern („dort wird kalkuliert“), in der rechten kreatives Chaos („dort wird geschaffen“). „Kombiniert man beides, entsteht Innovation.“

Als einer der Gründer des für seine visionären Entwürfe bekannten Architekturbüros GRAFT hat Krückeberg quasi täglich mit der Frage zu tun, wie sein Unternehmen urbane Trends begleitet. „Wir leben in Zeiten von enormen gesellschaftlichen Veränderungen. Im Zuge dessen werden sich auch unsere Städte extrem verändern. Gleichzeitig werden immer mehr Menschen in Städten wohnen. Dort wird sich die Zukunft unseres Zusammenlebens entscheiden“, so der Architekt auf dem Leader.In-Panel am Tag der Deutschen Industrie 2017 (TDI’17).

Innovationstrends im Fokus

Die Digitale Transformation ist ganz wesentlich und birgt für uns ein riesiges Potenzial in der Wirtschaft aber auch in der Gesellschaft insgesamt, so Gastgeber und Managing Partner Christopher Nürk, Deloitte. Unter dem Label „Influencer“ luden Deloitte in Kooperation mit dem BDI und dem Handelsblatt junge Unternehmer ein, um der Frage nachzugehen, welche Innovationen, Services und Produkte Trends setzen können. So entwickelte Christoph Goeller, Co-Founder des Startups Coolar eine neue Kühltechnik, die mit Wärme statt mit Strom kühlt. Damit ist sie bestens für den Einsatz in Regionen geeignet, die noch nicht durchgehend elektrifiziert sind. Ebenfalls vertreten war Antonia Albert, Co-Founder des jungen Unternehmens Careship, das die Pflege durch digitale Services vereinfacht und damit mehr Lebensfreude schafft. Katja Hermes, Gründerin des deutschen Ablegers von Sound Diplomacy, berät weltweit Städte in der Umsetzung von Musik-Konzepten.

So unterschiedlich diese Ansätze auch sind, im Kern dreht es sich bei allen Projekten um den Aspekt des sozialen Engagements – man spricht auch von „Social Entrepreneurship“. Und zwar nicht im Sinne einer altruistischen Non-Profit-Strategie, wie Lars Krückeberg ausdrücklich betont. Das Ziel, so Krückeberg, könne sehr wohl sein, einen gewinnorientierten Ansatz zu verfolgen, allerdings mit einem sozialen Anspruch: „Es geht nicht darum, etwas zu machen, das schön aussieht, sondern auf etwas zu setzen, das möglicherweise extreme Veränderungen bereithält.“ Oder, wie es Christoph Goeller von Coolar formuliert: „Wenn man sich mit Menschen, die in Knappheit leben, emphatisch solidarisiert, ist das eine Quelle für Innovation.“

Damit könnten Social Startups tatsächlich eine Vorbildfunktion übernehmen, auch für größere Unternehmen. Gemeint ist das Mitdenken der Kundenperspektive, das inzwischen viele Unternehmen als ein Kernelement innovativer Prozesse erkannt haben und das Antonia Albert am Beispiel ihres Unternehmens Careship auf den Punkt bringt: „Es war unfassbar frustrierend, eine Betreuung für meine Großmutter zu suchen. Ich habe mir dann gesagt: So muss es doch ganz vielen anderen Menschen auch gehen.“ Persönliche Motivation, so Albert, habe bei ihr und vielen anderen erfolgreichen Gründern von Anfang an im Vordergrund gestanden und sie dazu animiert, neue Wege zu gehen.

Von einer ähnlichen Erfahrung berichtet Katja Hermes von Sound Diplomacy. Hermes hatte lange Zeit in der Musikbranche gearbeitet, bevor sie Teil eines Projektes wurde, das ein vollkommen neues Geschäftsfeld erschloss: Städte, so die Idee, können von ihrer Musikszene und dem damit einhergehenden Angebot von Musik so massiv profitieren, dass es sich für sie lohnt, über eine umfassende Vermarktungsstrategie nachzudenken. Sound Diplomacy, so Hermes, sei der erste Dienstleister, der dies anbiete.

Rahmenbedingungen für Gründungen verbessern

Um ihre innovative Kraft zur vollen Entfaltung zu bringen, müssten Startups wie Coolar, Careship und Sound Diplomacy allerdings auch gründungsfreundliche Rahmenbedingungen vorfinden, so die Gründer einhellig. Hier gebe es in Deutschland noch Verbesserungspotenzial, wie Christoph Goeller berichtet. Man werde zwar inzwischen recht gut mit Anschubfinanzierungen und Gründungsberatungen, etwa in firmenunterstützten sogenannten Acceleratoren oder Hubs, unterstützt. Dann allerdings folge eine Durststrecke, bis ein Produkt Serienreife erreicht habe.

Junge Unternehmer wie Goeller fordern deshalb mehr Unterstützung durch die Privatwirtschaft, um den Prozess der „Innovation und Exploration“, wie er es ausdrückt, so risikoarm wie möglich zu gestalten. Auch für BDI-Präsident Dieter Kempf gehört die privatwirtschaftliche Unterstützung von Innovationsprozessen zu den entscheidenden Aufgaben der Wirtschaftspolitik, wie er auf dem TDI‘17 betonte: „Die privaten Investitionen in Forschung und Entwicklung müssen steigen, will Deutschland weiterhin zu den innovativsten Industriestaaten der Welt zählen.“ Von einer steuerlichen Forschungsförderung würden große wie auch mittelständische Industrieunternehmen profitieren.

Günstige Rahmenbedingungen sind das eine. Doch mindestens ebenso wichtig sei ein unternehmerischer Perspektivwechsel, resümiert Lars Krückeberg den aktuellen Stand bei der Suche nach Ideen für die Zukunft. Der deutschen Industrie eröffne sich damit das Potenzial, wirtschaftlich erfolgreich zu sein und zugleich gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern.

Impressionen vom Leader.In-Panel