©pexels pixabay

Zehn Thesen für ein integriertes Energiesystem 2030

Die Gestaltung des künftigen Energiesystems ist einer der zentralen gesamtwirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Aufgaben der kommenden Jahre. Der BDI hat zehn Thesen für ein integriertes Energiesystem der Zukunft unter Federführung des BDI-Arbeitskreises „Internet der Energie“ erarbeitet.

Bis 2045 soll Deutschland laut Vorgaben der Bundesregierung klimaneutral sein. Auf dem Weg dahin werden die Herausforderungen bei der Einhaltung der energiewirtschaftlichen Ziele im Jahr 2030 und auch im Jahr 2045 andere sein als heute. Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, ist gegenwärtig insbesondere ein Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netzinfrastruktur erforderlich. Zugleich muss eine starke inländische Industrie sicher und wirtschaftlich mit den erforderlichen Energiemengen versorgt werden können. Und selbstverständlich müssen auch die Privathaushalte weiterhin sicher versorgt werden.   

Wie wird das Energiesystem der Zukunft aussehen?

Die drei Ds Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung werden das Energiesystem zunehmen und maßgeblich prägen.

Den Hauptanteil an der zukünftigen Energieerzeugung werden Wind- und Solarkraftwerke ausmachen. Deren schwankende und teilweise kleinskalige Erzeugung bei Grenzkosten nahe Null erfordern neue Lösungen.

Damit die Markmechanismen auch unter veränderten Rahmenbedingungen ihre Koordinationsfunktion entfalten können, müssen wir das Marktdesign überdenken und Maßnahmen zur Absicherung der Versorgungszuverlässigkeit entwickeln. All diese Lösungen werden zu großen Teilen auf der digitalen Vernetzung der Energieressourcen beruhen. Die digitale Infrastruktur wird sich künftig vermehrt über die Grenzen der Einzelsektoren Strom, Wärme und Verkehr hinaus erstrecken.

„In Zeiten absehbarer Energieknappheit in Deutschland und der Europäischen Union ist ein integriertes Energiesystem umso wichtiger, weil möglichst viele Akteure miteinander vernetzt werden müssen, um alle Potenziale zu heben, sagt Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer.“

Unsere zehn Thesen

Der Umbau des Energiesystems, seiner Infrastruktur und seiner Märkte erfordert die Erarbeitung eines langfristigen Konzeptes, das alle Akteure in diesem System adressiert und einbindet.

1. Elektrische Energie ist ein Grundpfeiler des künftigen Energiesystems.

Ein klimaneutrales Energiesystem speist sich weitgehend aus erneuerbaren Energien. Am effizientesten ist dabei die Nutzung mittels Direktelektrifizierung. Elektrische Energie ist daher ein Grundpfeiler des künftigen Energiesystems.

2. IKT und Energiesystem verschmelzen zu einem cyber-physischen Gesamtsystem.

Das künftige Energiesystem wird komplex und hochdynamisch sein. Eine zuverlässige Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) steuert es automatisiert und in Echtzeit. IKT und Energiesystem verschmelzen dabei zu einem cyber-physischen Gesamtsystem.

3. Bedarfsgerechte Energieversorgung erfordert intelligente Ansätze

Durch die dezentrale, fluktuierende Erzeugung drohen Angebotsengpässe. Um diese aufzulösen, bedarf es neben dem Netzausbau der Nutzung von Flexibilitätsoptionen. Die bedarfsgerechte Energieverteilung erfordert intelligente Ansätze.

4. Effektive Preisbildung in den Strommärkten orientiert sich an Flexibilität und Klimaschutz im Energiesystem.

Umweltschutzbeiträge und Flexibilität der Akteure erhalten einen eigenen Wert. Die effektive Preisbildung an den künftigen Strommärkten orientiert sich an Flexibilität und Klimaschutz im Energiesystem.

5. Versorgungsqualität wird zu einem Bestandteil des Leistungsversprechens.

Versorgungsqualität war bisher durch die Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe und die Organisation der Netze garantiert. Im hochdynamischen System der Zukunft wird Versorgungsqualität zu einem Bestandteil des Leistungsversprechens. Die Nutzung von Flexibilisierungsmechanismen wird sich in den Tarifen abbilden.

6. Jeder wird am Energiemarkt teilnehmen – aktiv oder passiv.

Unterstützt durch das „Internet der Energie“ nimmt jeder Verbraucher oder Betreiber von digitalisierten Geräten und Anlagen am Energiemarkt teil – aktiv oder passiv.

7. Ein stabiler Netzbetrieb wird nicht trotz, sondern durch sektorengekoppelte Netzführung erreicht.

Um eine stark fluktuierende Erzeugung zu integrieren, muss das Energiesystem der Zukunft Speicher- und Trägheitspotenziale aller Sektoren inklusive Wärme und Verkehr optimal nutzen. Einen stabilen Netzbetrieb erreichen wir nicht trotz, sondern durch sektorengekoppelte Netzführung.

8. Die Digitalisierung des Energiesystems steht noch am Anfang.

Die digitale Infrastruktur des künftigen Energiesystems muss interoperabel und funktional erweiterbar sein. Nur so können heute noch nicht bekannte Funktionen und sichere Servicepattformen ermöglicht werden. Die Digitalisierung des Energiesystems steht hierbei erst am Anfang.

9. Lokale Strukturen gewinnen weiter an Bedeutung und bieten Chancen.

Auf Ebene der Verteilnetze wird es künftig eine enorme Zahl an dezentral agierenden Systemen geben. Lokale Strukturen gewinnen an Bedeutung und bieten vielfältige Chancen.

10. Digitale Innovationszyklen dominieren die Entwicklung des Energiesystems.

Die Teilsysteme des künftigen Energiesystems entwickeln sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. IKT hat die höchste Innovationsfrequenz und den kürzesten Lebenszyklus. Aufgrund ihrer zentralen Rolle werden digitale Innovationszyklen die Entwicklung des Energiesystems maßgeblich prägen.

Wir wollen in die Diskussion mit Ihnen einsteigen – auf allen Ebenen

Mit der Publikation möchte der BDI die Diskussion um mögliche Entwicklungspfade zu einem Energiesystem der Zukunft anstoßen, wichtige Bausteine aus der Praxis aufzeigen und Impulse aus wissenschaftlicher Sicht geben.