BDI-Konjunktur-Statement von Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner

Die deutsche Industrie erwartet 2025 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent – unter anderem, weil die geplanten US-Zölle spürbar belasten. Die Industrieproduktion liegt weiter rund neun Prozent unter dem Niveau von Ende 2019, die Kapazitätsauslastung beträgt nur 77 Prozent. Eine echte Erholung ist noch nicht in Sicht – es gibt lediglich erste Anzeichen einer Bodenbildung.

Einen guten Tag auch von mir, meine Damen und Herren. Lassen Sie mich vorwegschicken: Wir veröffentlichen heute einen Konjunktur- und Wachstumsausblick, der stark von Annahmen geprägt ist, weil wir vor vielen Unsicherheiten stehen: Wie wird sich die Handels- und Zollpolitik weiterentwickeln? Wie wird der deutsche Haushalt in diesem und nächstem Jahr genau aussehen und damit die Investitionsplanung der öffentlichen Hand? Um nur einige Faktoren zu nennen, die für die internationale wie die deutsche Wirtschaft in nächster Zeit prägend sein werden. 

Der Blick auf die Weltwirtschaft zeigt: Die Zollpolitik der USA mit ihren angekündigten und teilweise bereits umgesetzten Zöllen auf ein breites Spektrum an Importgütern sowie geopolitische Unsicherheiten dämpfen das weltweite Wachstum. Daraus abgeleitet rechnen wir 2025 nur noch mit einem globalen Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent – das sind 0,5 Prozentpunkte weniger als noch zu Jahresbeginn erwartet. Auch der Welthandel dürfte nur um 1,5 bis 2 Prozent zulegen. Besonders betroffen sind die USA selbst. Hinzu kommen Risiken aus chinesischen Exportrestriktionen für Seltene Erden. 

Europa wächst nur schleppend – mit prognostizierten 0,8 Prozent im Jahr 2025 liegt der Euroraum deutlich unter seinem wirtschaftlichen Potenzial. Und Deutschland? Für Deutschland prognostizieren wir in diesem Jahr einen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent. Zu Jahresbeginn waren wir noch von einem moderateren Minus von 0,1 Prozent ausgegangen. Dass wir unsere Einschätzung nach unten korrigieren mussten, liegt insbesondere an der wachsenden Unsicherheit rund um die US-Zollpolitik und der ausbleibenden Dynamik in zentralen Wirtschaftsbereichen. Unsere Prognose basiert auf der aktuellen Rechtslage: Wir gehen davon aus, dass das angekündigte US-Zollregime in Kraft tritt.  

Konkret rechnen wir damit, dass die sogenannten Liberation Day-Zölle – also Zölle in Höhe von 20 Prozent auf eine Vielzahl von EU-Gütern – ab dem 10. Juli wieder greifen. Zudem werden Automobile mit 25 Prozent und Stahl mit 50 Prozent belastet. Diese Annahmen wirken sich unmittelbar auf die Wirtschaftsleistung aus: Die Zölle kosten die deutsche Wirtschaft in unserer Prognose etwa 0,3 Prozentpunkte Wachstum in diesem Jahr. Wäre eine Einigung auf moderate Zölle – etwa 10 Prozent – möglich, könnte sich das BIP 2025 immerhin um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte besser entwickeln. Für diesen Fall wären wir dann wieder bei der Prognose zu Beginn des Jahres. 

Was macht die Lage noch schwierig? Die Industrieproduktion hat sich im ersten Quartal 2025 zwar leicht erholt – im Vorquartalsvergleich ein Plus von 0,8 Prozent – doch im Jahresvergleich liegt sie weiterhin 2,3 Prozent im Minus. Und das auf einem bereits sehr niedrigen Niveau. Der langfristige Vergleich zeigt: Die Produktion liegt gut neun Prozent unter dem Stand von Ende 2019. Die Kapazitätsauslastung im Verarbeitenden Gewerbe beträgt aktuell 77 Prozent – deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. Hauptgrund für die schwache Auslastung ist derzeit die mangelnde Nachfrage – sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland. Auch der Auftragseingang liegt trotz einer leichten Stabilisierung weiter unter dem Vorkrisenniveau – um rund 5,5 Prozent.

Die Exporterwartungen sind weiterhin verhalten, auch wenn sich die Stimmung zuletzt leicht aufgehellt hat. Auf der Nachfrageseite sehen wir eine verhaltene Entwicklung. Der Konsum wächst zwar moderat – laut unserer Prognose um 0,9 Prozent. Das liegt vor allem an den steigenden öffentlichen Konsumausgaben. Der private Konsum steigt nach unseren Einschätzungen nur um 0,4 Prozent. Bei den Bruttoanlageinvestitionen ist das Bild durchwachsen: Während in Bau und Ausrüstung bestenfalls eine Bodenbildung zu erkennen ist, wachsen die Investitionen in sonstige Anlagen – etwa in Software oder F&E – um rund drei Prozent. Das ist positiv, aber kein konjunktureller Wendepunkt: Dieses Segment ist klein und wird vor allem von wenigen großen Unternehmen getragen. 

Im Außenhandel sehen wir für das erste Quartal noch positive Impulse – bei den Warenexporten sogar ein Plus von 3,9 Prozent. Doch wir wissen: Dahinter stehen überwiegend Vorzieheffekte im Handel mit den USA. Im zweiten Halbjahr erwarten wir einen deutlichen Rückgang. Die Exportprognose für das Gesamtjahr liegt deshalb bei minus zwei Prozent. Bei den Importen erwarten wir einen leichten Anstieg, so dass vom Außenhandel kein Wirtschaftsimpuls ausgehen wird.  

Meine Damen und Herren,  die deutsche Industrie erwartet ein weiteres schwieriges Jahr, es gibt Anzeichen einer Bodenbildung, aber nicht für eine nachhaltige Erholung 2025. Umso wichtiger, dass die jetzige Bundesregierung erkannt hat, dass es ohne Wirtschaftswachstum nicht geht und erste Maßnahmen gegen den Negativ-Trend ergriffen hat. Wie der BDI diese Maßnahmen einordnet und was er darüber hinaus von der Bundesregierung für eine echte Wirtschaftswende erwartet, wird Ihnen jetzt BDI-Präsident Peter Leibinger berichten. 

Vielen Dank.