Carbon Capture: Kohlenstoffkreisläufe für den Klimaschutz
100 Millionen Dollar Preisgeld für einen Technologiewettbewerb? Elon Musk muss sich seiner Sache sicher sein. Belohnt werden soll damit ein innovativer Weg, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu binden. Kohlenstoff wird bereits innerhalb vieler industrieller Prozesse als Rohstoff verwendet. Die Debatte zur Abscheidung und Nutzung von Kohlenstoff nimmt deshalb auch in Deutschland endlich an Fahrt auf. Deutschlands langfristiger Plan, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu sein, kann nur mit technologischen Antworten und Innovationen gelingen. Neben Technologien zur direkten Vermeidung von Treibhausgasemissionen – wie etwa dem Ausbau von erneuerbaren Energien und einer Verbesserung der Energieeffizienz – müssen auch die Möglichkeiten der Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 in Betracht gezogen werden.
Was steckt hinter CCS und CCU?
CCS-Technologien bieten die Möglichkeit, CO2 sicher und dauerhaft unterirdisch zu speichern oder im Fall von CCU den Kohlenstoff im Kreislauf zu führen und stofflich wiederzuverwerten. Die Erkenntnis, dass die Nutzung von CCS- und CCU-Technologien Teil einer Gesamtstrategie sein müssen, um die 2050 Klimaziele zu erreichen, wird ebenfalls von anderen Studien und Organisationen – wie der Internationalen Energieagentur und dem Weltklimarat (IPCC) – geteilt. Die derzeitige Bundesregierung hat die Bedeutung der Abscheidung und Nutzung von Kohlenstoff im Koalitionsvertrag aufgegriffen und angekündigt, eine Strategie für den Umgang mit unvermeidbaren Restemissionen zu erarbeiten. Bereits im April 2021 haben wir die Debatte mit einem BDI-Positionspapier angestoßen.
Welche Möglichkeiten zur Nutzung von Kohlenstoff gibt es?
Neben der unterirdischen Einlagerung von abgeschiedenem CO2 kann Kohlendioxid auch in einer Wasserstoff- oder Kohlenstoffkreislaufwirtschaft weiterverwertet werden. Schon heute findet die CCU-Technologie in der Industrie Anwendung, da Kohlenstoff in vielen Bereichen, z. B. in der chemischen Industrie, ein wichtiger Grundstoff ist. Abgeschiedenes CO2 kann in stofflichen Anwendungen verwendet werden, etwa für die Herstellung von Kunststoffen oder Düngemitteln. Eine weitere Anwendungsoption für abgespaltene CO2-Moleküle kann die Herstellung synthetischer Kraftstoffe sein. Perspektivisch kann Kohlenstoff auch durch Direct Air Capture gewonnen werden. Dabei wird das CO2 aus der Umgebungsluft quasi herausfiltriert.
Debatte zum Thema CCS und CCU war überfällig
Insbesondere am Industriestandort Deutschland gehören CCU- und CCS-Technologien auf die politische Agenda, wenn wir eine ernsthafte Debatte zum Ziel der Klimaneutralität führen wollen. In einigen Industrien bestehen heute noch keine technologischen Alternativen, Prozessemissionen zu vermeiden. Mittelfristig wird CCS in Verbindung mit der Nutzung von Biomasse zudem für den Ausgleich von Restemissionen erforderlich sein – sog. Negative Emissionen –, um klimaneutral werden zu können.
Hinzu kommt, dass auch bei der Herstellung von „blauem“ bzw. „türkisem“ Wasserstoff eine Strategie nötig ist, wie Kohlenstoff intelligent im Kreislauf geführt werden kann. Für die Dekarbonisierung in der Industrie ist ein zügiger Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft entscheidend. Um den geforderten raschen und kosteneffizienten Markthochlauf von Wasserstoff zu erzielen und die notwendigen Mengen an klimaneutralem Wasserstoff bereitstellen zu können, braucht es in der Markthochlaufphase auch blauen und türkisen Wasserstoff. Den kann es nur geben, wenn Kohlenstoffkreisläufe geschlossen und die Speicherung von CO2 vorangebracht werden.
Anwendung von CCU- und CCS-Technologien wirtschaftlicher machen
Derzeit ist die Anwendung von CCU und CCS noch teuer und wirtschaftlich unattraktiv. Mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung können helfen, dass Kosten dieser Technologien sinken. Insbesondere sollten Clusterlösungen gefördert werden, um mögliche Symbiosen zwischen Industriezweigen zu unterstützen: In einigen Industrien fällt CO2 als Abfallprodukt ab, andere benötigen dies zur stofflichen Verwendung.
Die Herausforderung liegt darin, langfristige Rahmenbedingungen und Anreize zu schaffen, die die Entwicklung und breite Anwendung der Technologien vorantreiben. Dazu gehören auch Standortbedingungen wie die ausreichende Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen. Vor allem muss schnellstmöglich eine Infrastruktur für den Transport von CO2 aufgebaut werden. Nicht zuletzt steht und fällt der Auf- und Ausbau dieser Technologien mit ihrer Akzeptanz in der Gesellschaft.
Es gilt deshalb, europäisch und international stark zusammenzuarbeiten, um die Transparenz und öffentliche Akzeptanz von CCU und CCS zu verbessern, um Anreize für Investitionen in solche Projekte zu schaffen und ihre Planung und Genehmigung zu erleichtern.