Ein digitales Gesundheitswesen braucht passende Rahmenbedingungen
Das deutsche Gesundheitswesen steckt im digitalen Umbruch. Digitale Lösungen und der Austausch von Gesundheitsdaten, beispielsweise zwischen Ärzten und Krankenhäusern, bieten enorme Möglichkeiten für Patienten, Forscher und Behandler. Jetzt braucht Deutschland die richtigen Rahmenbedingungen, um die Potenziale des digitalisierten Gesundheitssystems auszuschöpfen.
Durch die Digitalisierung verändert sich, wie wir arbeiten und kommunizieren. Und durch sie sollte sich auch verändern, wie die Akteure im deutschen Gesundheitssystem arbeiten und kommunizieren: wie sie Krankheiten vorbeugen, sie erkennen und behandeln. Im Zentrum eines digitalisierten Gesundheitswesens stehen Lösungen, die Patientendaten auswerten und so alle Behandlungsschritte von der Prävention bis zur Nachsorge verbessern. Es geht um die bestmögliche Verwendung von Gesundheitsdaten: Ziel muss es sein, Datenschutzinteressen der Patienten zu wahren und gleichzeitig mit diesen Daten Behandlung, Forschung sowie Innovationen voranzutreiben.
Von der besseren Erhebung, Vernetzung und Auswertung von Gesundheitsdaten, von digitalen Anwendungen oder der Unterstützung etwa durch künstliche Intelligenz profitieren Patienten und Behandler. Eine personalisierte Medizin wird möglich und damit auch eine höhere, effizientere Versorgungsqualität. Noch schöpft Deutschland dieses Potenzial nicht aus – die Digitalisierung ist dynamischer als es das Gesundheitswesen zulässt.
BDI-Initiative Gesundheit digital macht Chancen der Digitalisierung konkret
Ärzte, Politik und Industrie haben ein gemeinsames Interesse daran, diese digitalen Möglichkeiten zu nutzen. Und auch Patienten begrüßen sie mehrheitlich: So gaben in einer repräsentativen Forsa-Umfrage knapp 80 Prozent der Befragten an, sie würden ihre Daten für die medizinische Forschung zur Verfügung stellen.
Für den medizinischen Fortschritt werden Gesundheitsdaten immer wichtiger. Anonymisierte oder pseudonymisierte Gesundheitsdaten, die in der klinischen Routine bzw. im Alltag erhoben werden oder wurden – sogenannte Real World Data – können wesentlich dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung von Prävention bis Nachsorge zu verbessern.
Damit der Nutzen für Patienten greifbar wird, hat eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe der BDI-Initiative Gesundheit digital Lösungen für ein digitales Gesundheitswesen aufgezeigt. Sie hat eine „Patient Journey“ für Tumorerkrankungen – die zweithäufigste Todesursache in Deutschland – skizziert. Die Patient Journey als Versorgungspfad des Patienten beschreibt, welche Stationen ein Onkologiepatient im Behandlungsverlauf von Prävention bis Nachsorge typischerweise durchläuft. Zu jeder dieser Stationen hat die Expertengruppe Vorschläge erarbeitet, welche digitalen Angebote welche konkreten Vorteile für Patienten und Behandelnde haben – und was dem derzeit entgegensteht.
Digitalisierung steigert Versorgungsqualität und gibt Impulse für Forschung
Digitale Lösungen stellen die Bedürfnisse der Patienten in den Mittelpunkt: Sind Gesundheitsdaten von der Prävention bis zur Nachsorge enger vernetzt und verfügbar, fallen Entscheidungen schneller und auf einer verlässlicheren Datenbasis. Behandlungen lassen sich individueller zuschneiden und gleichzeitig lassen sich systematisch Ableitungen für vergleichbare Fälle treffen. Dieser Gewinn für die Versorgungsqualität ist kaum zu beziffern. Wohl aber für das Gesundheitssystem: Abstimmungen und Abrechnungen würden effizienter, Doppeluntersuchungen entfielen. Studien schätzen die möglichen Effizienzgewinne und Einsparungen auf bis zu 39 Milliarden Euro.
Für die Forschung birgt die Digitalisierung ebenfalls Chancen. Durch die Nutzung von Gesundheitsdaten in der Forschung werden zielgerichtete neue Präventionsangebote, Medikamente und Therapien möglich. Die öffentlichen und privatwirtschaftlichen Akteure in der Forschung benötigen dazu bessere Standortbedingungen, die sie im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligen. Es ist im Interesse der Patienten, wenn innovative digitale Lösungen nach europäischen Standards entstehen – und wir sie nicht aus dynamischeren, aber weitgehend unregulierten Märkten importieren.
Infrastruktur und Regulierung müssen digitale Innovation ermöglichen
Während in anderen Ländern digitale Lösungen im Behandlungsverlauf längst dazugehören, stehen sie hierzulande oft noch am Anfang: Im europäischen Vergleich mit 13 anderen Nationen liegt Deutschland hinsichtlich der Digitalisierung des Gesundheitswesens nur auf dem vorletzten Platz. In der BDI-Arbeitsgruppe wurde evaluiert, was Deutschland angehen muss, damit es seinen Rückstand aufholt.
Ein Aspekt ist die technische Hürde: Deutschland fehlt die digitale Infrastruktur, um flächendeckend Gesundheitsdaten schnell und zuverlässig auszutauschen und sicher zentral zu speichern. Breitbandversorgung und Cloud-Computing sind die Basis der Digitalisierung. Zudem sind Standards für die Struktur und Interpretation von Gesundheitsdaten notwendig sowie einheitliche Schnittstellen, über welche die unterschiedlichen Systeme von Ärzten, Kliniken und anderen Akteuren im Gesundheitswesen diese Daten austauschen.
Eng damit verbunden sind regulatorische Barrieren. Weder die Bundesländer noch die EU-Staaten sind sich einig, wie sie bestehende Datenschutzbestimmungen auslegen und anwenden; selbst einzelne Krankenhausträger in Deutschland haben Sonderregelungen. Einheitlichkeit und Rechtssicherheit sind die wichtigsten Faktoren für verlässliche digitale Lösungen. Noch ist deren Einsatz für die Behandelnden allerdings finanziell unattraktiv, weil die Kassen die Kosten nur selten erstatten.