BDI zum Rohstoffkongress: Deutschlands Abhängigkeit ist so hoch wie nie
„Die Risiken aus Abhängigkeiten Deutschlands bei kritischen Rohstoffen sind so hoch wie nie. Für die doppelte Transformation aus Dekarbonisierung und Digitalisierung ist das eine große Gefahr. Sie gelingt nur mit einer gesicherten Rohstoffversorgung. Deutschland muss endlich mehr in seine Rohstoffsicherheit investieren. Wir brauchen Entschlossenheit, Initiativen und Erfolge“, mahnte der BDI-Präsident Siegfried Russwurm auf dem 8. Rohstoffkongress in Berlin.
Allein ein sofortiger Exportstopp für chinesisches Lithium könnte in Deutschland bis zu 115 Milliarden Euro Wertschöpfung gefährden – 15 Prozent der gesamten industriellen Wertschöpfung. Die Automobilindustrie, die auf Lithium für den Hochlauf der Elektromobilität angewiesen ist, stünde vor einem direkten Verlust von 42 Milliarden Euro. Durch indirekte und induzierte Effekte im Zusammenhang mit dem Automobilsektor erhöhten sich die Verluste sogar auf 88 Milliarden Euro. „Die Politik muss alles tun, um ein solches Worst-Case-Szenario zu verhindern“, forderte Russwurm. „Die Gefahren und Risiken sind offenkundig. Aber das Reaktionstempo ist viel zu gering.“
„Rohstoffe sind für die Zukunft Deutschlands als Industrieland und für unsere nationale Sicherheit unverzichtbar“, betonte der BDI-Präsident. „Allerdings werden Rohstoffe insbesondere von Autokratien zunehmend als geopolitisches Druckmittel eingesetzt. In einem solchen Umfeld funktionieren rein privatwirtschaftliche Lösungen nicht“, sagte Russwurm. Er führte Lithium als Beispiel an. Die globale Nachfrage nach Lithium werde bis 2040 um das 42-fache im Vergleich zu 2020 steigen. Deutschland importiere 2024 die Hälfte seiner Lithiumprodukte aus China – gegenüber 18 Prozent im Jahr 2014. Obwohl China nur über ein Fünftel der weltweiten Lithiumreserven verfüge, dominiere es die Batterieproduktion für Elektrofahrzeuge. „Deutschland und Europa drohen den globalen Wettbewerb um strategisch wichtige Rohstoffe zu verlieren“, warnte Russwurm.
„Die Politik muss mit einem Maßnahmenpaket dringend gegensteuern und die Steigerung heimischer Förderung und Verarbeitung ermöglichen und unterstützen, bestehende und neue Rohstoffkooperationen stärken sowie die Kreislaufwirtschaft ausbauen“, so der BDI-Präsident. „Deutschland verfügt über ein großes Potenzial an mineralischen Rohstoffen, das bisher sträflich ungenutzt bleibt.“ Dazu zählen zwei der bedeutendsten Lithiumvorkommen Europas im Erzgebirge und im Oberrheingraben. Dieses Potenzial müsse endlich ausgeschöpft werden. „Sicherere Rohstoffquellen als solche im eigenen Land gibt es nun mal nicht“, sagte der BDI-Präsident.
Bis 2030 sollen in Europa zehn Minen, 15 Weiterverarbeitungs- und 15 Recyclinganlagen entstehen. „Wir stehen vor bedeutenden Investitionsentscheidungen, die schnell und entschlossen umgesetzt werden müssen. Dafür bedarf es insbesondere auch mehr gesellschaftlicher Akzeptanz. Die Bedeutung von Rohstoffen muss in den Köpfen ankommen“, sagte Russwurm.
Neben der heimischen Förderung blieben Deutschland und Europa auch auf internationale Rohstoffkooperationen und den Abbau kritischer Rohstoffe im Ausland angewiesen. „Damit unsere Rohstoffversorgung unabhängiger wird, müssen Deutschland und Europa bestehende Rohstoffkooperationen vertiefen und neue Allianzen bilden“, so der BDI-Präsident. Kritische Rohstoffe sollten zentrale Bausteine in Handels-, Investitions- und entwicklungspolitischen Abkommen sein.
Die Wiederverwertung kritischer Rohstoffe in Deutschland biete für Deutschland eine doppelte Chance: geringere Abhängigkeiten von Dritten und erweiterte Wertschöpfungsketten für die Leitmärkte der Zukunft. „Deutschland ist bereits Vorreiter bei der Wiederverwertung verschiedenster Rohstoffe, darauf können wir aufbauen“, sagte Russwurm. Notwendig sei ein grundlegender Wandel von linearen zu zirkulären Wertschöpfungsstrukturen.
Zur Sicherung der Versorgung komme es auch darauf an, neue Wege zu gehen, etwa durch die Erschließung ganz neuer Förderstätten: „Wir müssen auch auf technologische Innovationen wie der Rohstoffförderung in der Tiefsee (‚Deep Sea Mining‘)und den Weltraumbergbau (‚Space Mining‘) setzen“, betonte Russwurm. Deutschland solle sich weiterhin aktiv an der Erforschung technologischer Innovationen beteiligen.
Der Rohstoffkongress fand in diesem Jahr zum achten Mal statt. Mehr als 400 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft tauschten sich in der Berliner Heeresbäckerei über eine sichere, umfassende und nachhaltige Rohstoffversorgung für den Standort Deutschland aus, unter anderem die Parlamentarische Staatssekretärin Franziska Brantner, Jakob Stausholm, CEO von Rio Tinto, Carin-Martina Tröltzsch, Mitglied des Vorstands von K+S und Toralf Haag, CEO von Aurubis.
Die gemeinsame Studie „Wege aus der Abhängigkeit“ von BDI und Roland Berger finden Sie hier.
Die Rede von BDI-Präsident Siegfried Russwurm auf dem Rohstoffkongress finden Sie hier.