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Dekarbonisierung der Industrie – Der Weg in die Klimaneutralität

Die Dekarbonisierung der Industrie ist zweifellos eine Mammutaufgabe, die Deutschland bewältigen muss, um das Klimaneutralitätsziel zu erreichen. Schließlich sind rund 20 Prozent der Treibhausgas-Emissionen des Landes auf industrielle Aktivitäten zurückzuführen. Dabei müssen alle vorhandenen technischen Möglichkeiten und der volle Instrumentenkasten genutzt werden.

Die Dekarbonisierung erfordert vor allem den raschen Ausbau erneuerbarer Energien und eine Steigerung der Energieeffizienz, um CO2-Emissionen zu vermeiden. Darüber hinaus spielt die Umstellung auf grüne Moleküle, insbesondere Wasserstoff und seine Derivate, eine zentrale Rolle. CO2-neutraler Wasserstoff kann fossile Brenn- und Rohstoffe in der Industrie ersetzen und wird zudem für neue Anwendungsgebiete, wie die Umstellung der Stahlproduktion von Koks und Kohle auf Wasserstoff, benötigt. 

Ein weiterer Schlüsselaspekt einer vollumfassenden Klimastrategie ist die Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2. Die Erkenntnis, dass der Einsatz von CO2-Speicherung und Nutzung ein wichtiger Baustein zur Erreichung der Klimaziele ist, wird durch einen breiten wissenschaftlichen Konsens getragen. So betonen sowohl die internationale Energieagentur als auch der Weltklimarat die Notwendigkeit von CO2-Speicherung und Nutzung für den Klimaschutz. 

Unternehmen benötigen rechtliche und ökonomische Rahmenbedingungen, die ausreichend Planungssicherheit gewährleisten und somit Investitionsentscheidungen hin zu klimafreundlichen Produktionsprozessen ermöglichen. In vielen Fällen ist eine finanzielle Unterstützung oder Anschubfinanzierung erforderlich, um klimafreundliche Produktionsprozesse gegenüber herkömmlichen Prozessen wirtschaftlich zu gestalten. 

Die deutsche Industrie ist sich ihrer Verantwortung bewusst und hat sich dazu verpflichtet, ihren Beitrag zur grünen Transformation zu leisten. Aus diesem Grund arbeitet der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) daran, den richtigen ökonomischen und rechtlichen Rahmen für diese Veränderungen zu schaffen. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen der Industrie und politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern können die erforderlichen Schritte unternommen werden, um die Dekarbonisierung der Industrie erfolgreich voranzutreiben und letztendlich die Klimaneutralität zu erreichen. 

Wasserstoff: Ohne grüne Moleküle keine Dekarbonisierung 

Grüne Moleküle in Form von Wasserstoff und Wasserstoff-Derivaten sind für die Dekarbonisierung von entscheidender Bedeutung. Sie werden überall dort gebraucht, wo sich eine Elektrifizierung und Umstellung auf erneuerbare Energie schwierig gestaltet. Dies stellt eine gewaltige Herausforderung dar, denn es muss ein rascher Hochlauf entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette gelingen. Um einen Markt zu kreieren, braucht es Anreize auf Angebots- und Nachfrageseite sowie einen raschen Hochlauf der Import- und Transportinfrastruktur, um beiden Seiten miteinander zu verbinden. 

Die deutsche Industrie ist gut positioniert, eine Vorreiterrolle im globalen Wasserstoffmarkt einzunehmen und bietet eine Vielzahl von technischen Lösungen an. Doch die Zeit, den Wasserstoffhochlauf in Deutschland und Europa voranzubringen, drängt. Auch internationale Wettbewerber unternehmen große Schritte, um sich einen Anteil des aufstrebenden Wasserstoffmarktes zu sichern.

Carbon Management: Ein weiterer notwendiger Baustein 

Die Erreichung der Klimaneutralität erfordert eine umfassende Strategie, die nicht nur auf die Vermeidung von CO2-Emissionen durch den Übergang zu grünem Strom oder grünem Wasserstoff setzt, sondern auch auf die CO2-Abscheidung, Speicherung und Nutzung (Carbon Capture and Storage or Utilization, CCS/U). So entstehen in einigen industriellen Prozessen, wie zum Beispiel in der Zement- oder Kalkproduktion, CO2-Emissionen die anderweitig nicht vermieden werden können. 

Zusätzlich müssen nicht nur anfallende CO2-Emissionen mittels CCS/U vermieden, sondern auch Restemissionen aus Bereichen wie der Landwirtschaft ausgeglichen werden. Hier spielen negative Emissionen eine Schlüsselrolle, die ebenfalls auf CCS/U-Technologien basieren. Letztlich ist die Ermöglichung der CO2-Abscheidung, Speicherung und Nutzung nicht nur eine Zukunftsfrage des Industriestandortes Deutschland, sondern ebenso eine Möglichkeit, international klimapolitische Verantwortung wahrzunehmen. 

Bislang gab es in Deutschland aufgrund unzureichender gesellschaftlicher, politischer und finanzieller Unterstützung kaum Fortschritte bei der Entwicklung von CCS/U-Maßnahmen. Daher müssen nun zügig die gesetzlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass ein Hochlauf dieser Technologien gelingt. Dazu gehören u.a. Investitionsanreize sowie der Aufbau einer CO2-Infrastruktur. Weitere Informationen finden Sie in unserem Q&A zu CCS/U [Hier den Link einfügen]. 

Klimaschutzverträge: CCfDs als Instrument für die Transformation 

Die Klimaschutzverträge (KSV oder engl. Carbon Contracts for Difference, kurz CCfDs) stellen ein zentrales Instrument dar, um Schwankungen des CO2-Preises abzufedern und den Übergang zur klimafreundlichen Produktion zu erleichtern. Im Rahmen dieser Verträge erhalten Unternehmen staatliche Ausgleichszahlungen, sofern die klimafreundliche Produktion immer noch kostenintensiver ist als die herkömmliche, CO2-intensive Produktion. Mit der Reduzierung der Kosten für erneuerbare Energieträger, die durch KSV abgesichert sind, und dem Anstieg der CO2-Kosten, verringert sich die staatliche Förderung zunehmend. Dies macht KSV zu einem kosteneffizienten Förderinstrument für den Staat, das transformative Technologien für Unternehmen, Investoren und Finanzierungspartner planbarer macht. 

Durch die Anwendung von KSV können erhebliche Mengen an Treibhausgasen in der Industrie eingespart werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) schätzt, dass bis zum Jahr 2045 rund 350 Megatonnen CO2-Äquivalent eingespart werden könnten, was einer jährlichen Reduktion von bis zu 20 Megatonnen an Emissionen entspricht. 

Die BDI-Klimastudie „Klimapfade 2.0 - Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft“unterstreicht die entscheidende Rolle der Industrie und ihrer Technologien als zentrale Wegbereiter für erfolgreichen Klimaschutz. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die Unternehmen in einer nach wie vor von sehr unterschiedlichen Klimaschutzvorgaben und damit Belastungen geprägten Welt international wettbewerbsfähig bleiben. Ein entscheidender Punkt ist, dass die Risiken des Umstiegs auf neue CO2-freie Verfahren „geteilt“ werden (risk sharing), mit anderen Worten: solange es kein annähernd Level Playing Field gibt, müssen die Unternehmen die notwendigen Werkzeuge und Unterstützung erhalten, um ihren Beitrag zur Dekarbonisierung leisten und die Ziele der Klimaneutralität erreichen zu können. Die KSV sind ein vielversprechender Ansatz, um die Transformation zu unterstützen; so kann die Industrie den Pfad des nachhaltigen Klimaschutzes weiter beschreiten.