Condition Monitoring und Predictive Maintenance per IIoT-Plattform © Adobestock/panuwat

Digitale B2B-Plattformen „Made in Germany“: Für eine nachhaltige und digitale Wirtschaft

Von der Fernwartung und der Zustandsüberwachung während der Corona-Pandemie, über geringere Ausfallzeiten von Zügen bis hin zur signifikanten Reduktion von Lkw-Leerfahrten: B2B-Plattformen bieten zahlreiche Vorteile. In Deutschland entsteht aktuell ein florierendes Plattformökosystem, denn deutsche Industrieunternehmen betreiben zunehmend eigene digitale Plattformen für den Geschäftskundenbereich (B2B). Diese Plattformen leisten einen entscheidenden Beitrag zur ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit.

Digitale Plattformen sind Intermediäre, die mit Hilfe von digitaler Technologie zwei oder mehr Marktteilnehmer über die Plattform verbinden und deren Interaktion vereinfachen oder sogar erst ermöglichen. In den vergangenen Jahren sind sie zu einem dominierenden Geschäftsmodell der digitalen Wirtschaft geworden. Sieben der zehn wertvollsten Unternehmen der Welt haben Plattformen als Kernbestandteil ihres Produkt- und Dienstleistungsportfolios. Ihre Plattformen sind jedoch bislang überwiegend im B2C-Bereich aktiv. Inzwischen ist auch die deutsche Industrie auf dem Weg in die Plattformökonomie – mit B2B-Plattformen.

Auf der industriellen Stärke Deutschlands aufbauen: B2B-Plattformen sichern Zukunftsfähigkeit der deutschen Industrie

Die deutsche Industrie hat 2018 mit über 30 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beigetragen. Auf dieser sehr starken industriellen Basis aufbauend, ist auch die Plattformlandschaft in Deutschland eine gänzlich andere, als jene in den USA oder China. So haben in den letzten Jahren deutsche Unternehmen – vom Start-Up über kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bis hin zu multinationalen Unternehmen – zunehmend in den Aufbau eigener Plattformen investiert und nehmen diese nunmehr in ihr Produkt- und Leistungsportfolio auf. Diese Plattformen sind dezidiert an den Bedarfen von Unternehmen ausgerichtet.

Ende 2018 nutzten bereits 67 Prozent der Unternehmen der Industrie und der industrienahen Dienstleistungen in Deutschland Plattformen. Knapp sieben Prozent der Wertschöpfung in diesem Bereich hing substanziell von der Nutzung von Plattformen ab. Zudem erachten fast sieben von zehn Unternehmen nach einer Studie des Branchenverbands Bitkom als eine der zentralen Chancen des Betreibens, respektive der Nutzung digitaler Plattformen die Wahrung der Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens.

B2B-Plattformen verzahnen Digitalisierung und Nachhaltigkeit in der Industrie

In der vierten Auflage der BDI-Übersicht zu deutschen digitalen B2B-Plattformen stellen wir 110 ausgewählte Beispiele digitaler B2B-Plattformen „Made in Germany“ vor. Digitale B2B-Plattformen, sind digitale Intermediäre, die zwei oder mehr gewerbliche Akteure über eine digitale Lösung miteinander verbinden. Dabei lassen sich grob datenzentrierte und transaktionszentrierte Ansätze unterscheiden: Plattformen mit Datenfokus generieren, sammeln und/oder speichern maschinell oder durch Nutzende generierte Informationen und bieten z. T. eine Infrastruktur für deren Austausch, Analyse und Auswertung an. Damit ermöglichen sie die Entwicklung neuer datenbasierter Geschäftsmodelle und Dienstleistungen. Im Unterschied dazu ermöglichen oder vereinfachen Plattformen mit Transaktionsfokus den Austausch und Handel zwischen Unternehmen in einer einheitlichen digitalen Umgebung – z.B. für Ein- und Verkauf oder Logistik.

Die Publikation verdeutlicht die Vielfalt an Einsatzfeldern im B2B-Bereich sowie deren zahlreiche positive Nebeneffekte: Über die Analyse von Maschinen- und Anlagendaten auf Industrial Internet of Things (IIoT)-Plattformen lässt sich z. B. die Verfügbarkeit von Aufzügen, Produktionsmaschinen und Zügen signifikant erhöhen, indem unplanmäßige Ausfallzeiten gesenkt werden. Über digitale Marktplätze können beim Ein- und Verkauf Kostenersparnisse von 41 Prozent generiert werden.

Aber auch ökologische Vorteile ergeben sich aus dem Einsatz digitaler B2B-Plattformen: So lassen sich durch den Einsatz von Logistikplattformen Leerkilometer von Lkw erheblich reduzieren und der Frachtraum von Frachtflugzeugen besser ausnutzen. Zudem lassen sich jährlich Millionen von Papierdokumenten einsparen. Auch könne durch Fashion-E-Commerce Plattformen Überproduktionen von Mode und Textilien reduziert werden – gleiches ist auch bei Ersatzteilen für Maschinen und Anlagen über branchenspezifische Lösungen möglich.

B2B-Plattformen neigen nicht zur Monopolbildung

Das ifo Institut hat im Auftrag des BDI im Jahr 2020 die Wirkmechanismen von B2B-Plattformen analysiert. Zentrale Ergebnisse der Studie sind:

  • B2B-Plattformen weisen einen höheren Grad der Spezialisierung als B2C-Plattformen auf.
  • Aktuell ist bei B2B-Plattformen keine Monopolbildung beobachtbar: Durch den hohen Grad an Spezialisierung und Serviceorientierung von B2B-Plattformen sind die Skalierbarkeit eingeschränkt und die Netzwerkeffekte weniger stark ausgeprägt als bei klassischen Verbraucherplattformen.
  • Auf B2B-Plattformen begegnen sich vergleichsweise symmetrische Geschäftspartner auf Augenhöhe. Einzelne gewerbliche Nutzer haben ein starkes Verhandlungsgewicht.

Kurzum: Betreiber von B2B-Plattformen agieren in einem hochgradig kompetitiven Marktumfeld. Die oben skizzierten Faktoren begünstigen die Koexistenz mehrerer konkurrierender Plattformen.

Digitale Plattformen sind überall! – Müssen sie reguliert werden?

Über die Notwendigkeit einer stärkeren Regulierung von Plattformen wird auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene seit geraumer Zeit teils hitzig debattiert. Anlass für diese Forderung ist die marktmächtige Stellung einiger Online-Vermittlungsdienste, wie Suchmaschinen, Online-Marktplätze und App-Stores. Der BDI beobachtet diese Diskussionen mit Sorge, denn bis dato wird nur wenig zwischen den verschiedenen Typen und Einsatzzwecken von Plattformen differenziert.

Die deutsche Industrie befindet sich aktuell in einer Entwicklungsphase: von traditionellen hin zu digital-unterstützten Geschäftsmodellen. Hierfür bedarf es keines deutschen Silicon Valleys, sondern vielmehr auch weiterhin der Bereitschaft zahlreicher Unternehmen, bereits heute aktiv in die digitale Transformation ihres Geschäftsmodells zu investieren. Die Politik ist gefordert, hierfür ein innovationsfreundliches Ökosystem zu etablieren.

Mit Blick auf die Einführung einer ex ante Regulierung von Plattformen im Rahmen des  Digital Services Acts fordert daher Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung: „Reine Industrie- und B2B-Plattformen müssen explizit von der Plattformregulierung ausgeklammert werden. Sonst droht die EU-Kommission, die vielversprechende Entwicklung etlicher B2B-Plattformen in Europa im Keim zu ersticken. Im Gegensatz zu Verbraucherplattformen erschweren B2B-Plattformen nicht den Markteintritt neuer Unternehmen. Überbordende Regulierung und Verbote wären der falsche Weg. Es braucht ein vielfältiges industrielles europäisches Plattformökosystem, um Europas digitale Resilienz im globalen Wettbewerb mit China und den USA zu stärken. Digitale B2B-Plattformen sind entscheidend für digitale Souveränität und die Umsetzung von Industrie 4.0.“

Doch damit Unternehmen die Chancen der B2B-Plattformökonomie ausnutzen können, müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden. So geben 85 Prozent der Unternehmen an, dass „datenschutzrechtliche Grauzonen“ ein Hemmnis für die stärkere wirtschaftliche Datennutzung sind. Hier ist der europäische Gesetzgeber gefordert, eine eindeutige Unterscheidung von Personendaten und Maschinendaten in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einzuführen.