© Pixabay/Banner EU

EU-Klimaziel 2040: BDI fordert Fokus auf technische Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit

Die Europäische Kommission hat Anfang Februar 2024 ein sehr ehrgeiziges Ziel für die Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase vorgeschlagen: Bezogen auf 1990 sollen die Emissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent sinken. Wie genau bleibt vage. Der BDI sorgt sich angesichts der enormen Herausforderungen in Zeiten multipler Krisen um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und insbesondere der deutschen Industrie.

Bis 2050 will die Europäische Union klimaneutral werden. Auf dem Weg dahin gilt das Etappenziel, bis 2030 eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu erreichen. Im Februar 2024 hat die EU-Kommission nun ein neues Etappenziel vorgeschlagen: Bis 2040 sollen die Emissionen der Mitgliedsländer um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken.

Das 2040-Klimaziel für die EU festzulegen, wird nach der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2024 die Aufgabe der nächsten Kommission sein. Ob die neue Kommission sich den Vorschlag für das Minus-90 Prozent-Ziel zu eigen machen wird, ist offen. Unabhängig davon ist für den BDI klar, dass Klimaschutz Wirtschaftswachstum und Geschäftsmodelle braucht. Angesichts weltweit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeiten und Ambitionsniveaus beim Klimaschutz, darf das hochambitionierte europäische Klimaschutzziel nicht zulasten der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft gehen. Daher muss die nächste Kommission technische Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit in den Fokus rücken. Die klimaneutrale Transformation erfordert enorme Investitionen in sehr kurzer Zeit. Für kosteneffizienten Klimaschutz müssen der Ausbau der Erneuerbaren ebenso wie die Errichtung und der Ausbau der dafür notwendigen Strom-, Wasserstoff-, CO2- sowie Straßen- und Schienen-Infrastrukturen deutlich beschleunigt werden.

Die EU verursacht etwa acht Prozent der Welttreibhausgasemissionen – Tendenz weiter fallend. Um weltweit nennenswerte Minderungen zu erreichen, braucht es Lösungen in der EU, die Wachstum und Klimaschutz zusammenbringen und so zum Exportschlager werden. Nur dann wird Europa weltweit zum Vorbild für Klimaneutralität.

Industrial Carbon Management Strategie setzt richtige Anreize

Zusammen mit der Mitteilung zum 2040-Klimaziel veröffentlichte die Europäische Kommission auch ihre Mitteilung zur Industrial Carbon Management Strategie (iCMS), in der sie eine Reihe von Maßnahmen vorschlägt, um die CO2-Abscheidung, Entnahme, Speicherung und Nutzung (CCS/CCU) innerhalb der EU zu fördern. Demnach sollen noch in diesem Jahr die Arbeiten an einem CO2-Transport- und Speicherregelungspaket beginnen. Es gilt Fragen zur Markt- und Kostenstruktur, zum Zugang Dritter und zu CO2-Qualitätsstandards zu adressieren und rechtssicher zu regeln.

Der BDI begrüßt die Veröffentlichung der iCMS ausdrücklich, insbesondere den Fokus auf zusätzliche Anreizmechanismen und den notwendigen Hochlauf der CO2-Infrastruktur. Ohne CO2-Entnahmetechnologien ist ein Klimaziel in der Größenordnung von Minus 90 Prozent oder mehr nicht zu erreichen – das bestätigt auch die Modellierung der Europäischen Kommission zum 2040-Klimaziel selbst. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen laut Kommission bis 2050 etwa 450 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr abgeschieden werden. Ausgehend hiervon soll bis 2040 eine europaweite CO2-Speicherkapazität von 280 Millionen Tonnen pro Jahr entwickelt werden.

Rasche Umsetzung erforderlich

Bislang sind CCS-/CCU-Technologien jedoch noch sehr teuer und kommen kaum zum Einsatz. Auch die europäische Transport- und Speicherinfrastruktur für CO2 steht noch am Anfang. Umso wichtiger ist es, die Vorschläge der Industrial Carbon Management Strategie auf europäischer und nationaler Ebene nun rasch umzusetzen. In Deutschland ist die nationale Carbon Management Strategie einschlägig, deren Eckpunkte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) kürzlich veröffentlicht hat. Damit die Technologien hierzulande überhaupt zur Anwendung kommen können, muss der Gesetzgeber das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) rasch überarbeiten.

Die von der EU-Kommission vorgelegten Dokumente bleiben vergleichsweise vage, hinsichtlich der konkreten Maßnahmen, die nötig sind, um ein derart anspruchsvolles Ziel erreichen zu können. In Antwerpen haben deshalb Mitte Februar mehr als 50 hochrangige Unternehmensvertreter und 15 Industrieverbände an einem Treffen mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und dem belgischen Premierminister Alexander De Croo teilgenommen. Belgien hat zurzeit den Vorsitz in der Europäischen Union inne. In einer gemeinsamen Erklärung forderten die Teilnehmer deutlich eine industriefreundlichere EU-Politik. Dazu gehört eine Vereinfachung der Beihilferegelungen. Zudem müsse die nächste Kommission deutlich größere Anstrengungen unternehmen, um zu niedrigeren Energiekosten für die Unternehmen zu kommen und neue europäische Bergbauprojekte für wichtige Rohstoffe anzustoßen. Gleichzeitig warnen die Teilnehmenden in der „Erklärung von Antwerpen“ eindringlich vor der Konkurrenz aus den USA und China. Die Unternehmen drängen in ihrer Erklärung auch darauf, dass die Mitgliedstaaten die Risiken der erforderlichen Investitionen stärker absichern.

Europa steht vor gewaltigen Herausforderungen mit einem enormen Finanzierungsbedarf. Deshalb ist jetzt der Zeitpunkt, um Investitionen in große Infrastrukturen, Klimaprojekte und Innovationen zu katalysieren. Es muss gelingen, private Investoren davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, weiterhin in großem Maßstab die Transformation voranzubringen. Eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass die neue Kommission es schafft, rasch entscheidende Impulse für die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und das Gelingen der durch den Green Deal angestoßenen gesellschaftlichen Neuausrichtung der europäischen Staatengemeinschaft zu setzen.