Handelskonflikte kennen keine Gewinner
US-Präsident Donald Trump nennt sich selbst den „Tariff Man“. Seit seiner Amtsübernahme haben die USA eine Vielzahl an Sonderzöllen verhängt, darunter Zölle auf Stahl und Aluminium unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit. Zudem ist die Zahl der Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen – beispielsweise Zölle auf Waschmaschinen und Solarzellen – deutlich gestiegen. Die davon betroffenen Länder haben ihrerseits Gegenzölle verhängt. Darüber hinaus droht der Präsident mit Zöllen im Automobilsektor.
Zudem eskaliert seit dem zweiten Halbjahr 2018 eine Zollspirale zwischen den USA und China. Die Zölle betreffen laut Peterson Institut mittlerweile zwei Drittel der US-Warenexporte nach China und nahezu die gesamten chinesischen Warenexporte in die USA. Sobald alle angekündigten Zölle am 15. Dezember 2019 in Kraft getreten sind, wird der durchschnittliche US-Zoll auf chinesische Waren von ursprünglich drei Prozent von Ende 2017 auf knapp 24 Prozent gestiegen sein. Der durchschnittliche chinesische Zoll auf US-Waren wird dann bei gut 25 Prozent liegen; Ende 2017 betrug er noch acht Prozent.
Weniger Wachstum in den USA und China
Der Economic Outlook der OECD von September 2019 macht deutlich: Die USA und China sind wirtschaftlich am stärksten von den Handelskonflikten betroffen. Die Sonderzölle zwischen den USA und China kosten die USA über die Jahre 2021 und 2022 0,7 Prozentpunkte des BIP. China ist noch stärker betroffen und büßt einen ganzen Prozentpunkt des BIPs ein. Die weltweite Wertschöpfung ist um 0,6 Prozentpunkte niedriger. Diese Modellschätzungen sind konservativ, da sie etwa sinkende Investitionen aufgrund der gestiegenen Unsicherheit nur unzureichend abbilden. Die Gefahr einer durch die Handelskonflikte verursachten Finanzmarktkrise wird gar nicht berücksichtigt. Doch gerade diese in den Modellen nicht zu erfassenden Faktoren sind für die Wirtschaft Deutschlands besonders gefährlich.
Die Populismusfalle: Sichtbare Gewinner, unsichtbare Kosten
Bisher spricht wenig für Präsident Trumps Behauptung, Handelskriege seien „einfach zu gewinnen“. Dennoch findet die US-Administration immer wieder Gründe, diese Politik als Erfolg zu verkaufen. Ein Foto mit dankbaren Managern einer protegierten Branche ist oft einfacher zu kommunizieren als komplexe volkswirtschaftliche Zusammenhänge, welche zu insgesamt niedrigerem Wachstum führen.
Ein in diesem Zusammenhang interessantes Ergebnis lieferte eine Studie von Wissenschaftlern der University of Chicago und der US-Notenbank FED: Durch die Zölle auf Waschmaschinen sind in der Branche tatsächlich etwa 1.800 neue Jobs in den USA entstanden. Zugleich verteuerten sich die Geräte in den USA um etwa zwölf Prozent, weshalb US-Verbraucher etwa 1,5 Milliarden US-Dollar höhere Kosten tragen mussten. Die staatlichen Einnahmen aus den Sonderzöllen betrugen 82 Millionen US-Dollar. Unterm Strich kostet ein Arbeitsplatz, der durch die Zölle auf Waschmaschinen entstanden ist, die US-Verbraucher über 800.000 US-Dollar pro Jahr. Da Verbraucher jeden Dollar nur einmal ausgeben können, kommt hinzu, dass andere Branchen Umsatzeinbußen erleiden. Dieses Beispiel unterstreicht den Konsens von Handelsökonomen: Durch Protektionismus geschützte Branchen gewinnen unterm Strich wesentlich weniger, als Verbraucher und andere Branchen verlieren. Die Effekte von Gegenzöllen anderer Staaten sind hier noch gar nicht mitberücksichtigt.
Risiko für die deutsche Wirtschaft und das Wachstum von Morgen
Laut Zahlen der EZB sind bisher nur 0,2 Prozent des europäischen Außenhandels von den neuen US-Zöllen direkt betroffen. Die im Oktober 2019 eingeführten US-Zölle auf EU-Produkte im Kontext eines WTO-Verfahrens um Subventionen im Luftfahrtbereich betreffen zusätzlich etwa 0,04 Prozent des EU-Warenexports. Allerdings gehen die Handelskonflikte auch an der europäischen Wirtschaft nicht spurlos vorbei. Deutsche Unternehmen produzieren sowohl in den USA als auch in China. Zulieferprodukte aus dem jeweils anderen Markt werden teurer; Exporte nehmen aufgrund der sinkenden Nachfrage ab.
Die deutsche Industrie leidet unter dem Rückgang der weltweiten Nachfrage nach Maschinen und anderen Investitionsgütern – einer direkten Folge der wachsenden Unsicherheiten. Unternehmen investieren nicht, wenn Unklarheit darüber besteht, ob ihre Produkte oder Zulieferketten von heute auf morgen von Zöllen betroffen sein könnten.
Die EZB stellt zudem fest, dass Zölle – und selbst ihre Androhung – signifikante Fehlallokationen von Investitionskapital nach sich ziehen. Wenn Investitionen nicht mehr von Marktsignalen, sondern von (zeitweisen) politischen Zollentscheidungen abhängen, unterminiert das die Produktivität der betroffenen Volkswirtschaften. Die Zollkonflikte schaden also dem Wachstum von morgen: Sowohl der Rückgang von Investitionen als auch die Fehlallokation von Investitionskapital verringern das langfristige Wachstumspotential. Dieser Schaden wird bleiben, selbst wenn die Zölle wieder aufgehoben werden.
Langfristig besteht die größte Gefahr für die deutsche Volkswirtschaft darin, dass die Politik von Präsident Trump zu einer erhöhten globalen politischen Akzeptanz für protektionistische Maßnahmen führt. Wenn sich andere Politiker daran ein Vorbild nehmen und mit protektionistischen Kampagnen Innenpolitik betreiben, droht den vom freien Welthandel abhängigen deutschen Produktionsnetzwerken und Geschäftsmodellen ein existenzielles Problem.