Investitionsförder- und Investitionsschutzverträge bleiben notwendig und haben Reformbedarf
Die Globalisierung, also die internationale Verflechtung von Märkten für Waren, Kapital und Dienstleistungen, steht unter Druck. Vermehrte geopolitische Krisen, die Fragmentierung der multilateralen Ordnung und der Missbrauch der Handelspolitik zur Durchsetzung einseitiger nationaler Interessen bremsen die Globalisierung aus. Für ihren wirtschaftlichen Erfolg ist die deutsche Industrie jedoch auf die weltweite Verflechtung angewiesen.
Der hohe Grad der Internationalisierung deutscher Unternehmen drückt sich neben den deutschen Exporten auch in den Beständen deutscher Direktinvestitionen im Ausland aus, die sich laut der Bundesbank seit 2010 auf rund 1,5 Billionen Euro zum Ende des Jahres 2021 mehr als verdoppelt haben. Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland öffnen neue Märkte und sorgen so dafür, dass die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt.
Nicht nur für Deutschland, sondern auch für die gesamte Weltwirtschaft werden grenzüberschreitende Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) immer wichtiger. Trotz der vermehrten Krisen sind die Bestände an FDI weltweit zwischen 1990 und 2022 um etwa das Achtzehnfache gestiegen (UNCTADStat). Gleichzeitig nehmen Direktinvestitionen eine immer größere Bedeutung für die Wirtschaft ein. 1990 machten die globalen FDI-Bestände noch 10,1 Prozent der Weltwirtschaftsleistung aus, im Jahr 2000 waren es schon 22,8 Prozent und im Jahr 2022 bereits 39,3 Prozent bei einem weltweiten BIP in Höhe von 101,3 Billionen US-Dollar (Weltbank). Auslandsinvestitionen sind aus der modernen globalisierten Volkswirtschaft nicht wegzudenken. Der Wohlstand und die Zukunftschancen in allen Ländern der Erde hängen von ihnen ab.
Völkerrechtlicher Investitionsschutz wird immer wichtiger
Die starke Verflechtung über FDI geht mit großen Chancen für Wohlstand und Entwicklung, aber auch mit Risiken für die Investoren einher. Neben den wirtschaftlichen Risiken bringt der Gang ins Ausland für Investoren auch politische Risiken mit sich. Ohne einen wirksamen rechtlichen Schutz vor diesen Risiken wäre globales Wirtschaften kaum möglich. Den notwendigen Schutz bieten Investitionsförder- und -schutzverträge (Bilateral Investment Treaties, BITs), von denen Deutschland 147 mit anderen Staaten abgeschlossen hat. Weltweit gibt es ungefähr 3.000 internationale Abkommen mit Regelungen zu grenzüberschreitenden Investitionen. Diese völkerrechtlichen Verträge zwischen zwei Staaten schützen Investoren im jeweils anderen Land vor Diskriminierung, kompensationsloser Enteignung sowie unbilliger und ungerechter Behandlung. Wichtig für die Investoren ist auch die Garantie des freien Kapitaltransfers. Außerdem ist das Bestehen eines BIT mit einem anderen Staat die Voraussetzung für die Vergabe staatlicher Investitionsgarantien, von denen in Deutschland gerade kleine und mittlere Unternehmen bei Investitionen in Entwicklungsländern Gebrauch machen.
Effektiver Schutz braucht Investor-Staat-Schiedsverfahren
Für den Fall der Verletzung von Investorenrechten sehen BITs in der Regel die Möglichkeit von Investor-Staat-Schiedsklagen (Investor State Dispute Settlement, ISDS) vor. So können die in einem BIT niedergeschriebenen Rechte auch eingefordert werden. Die Wirksamkeit der BITs ist neben den durch sie verbrieften Schutzrechten auch von der Ausgestaltung der ISDS-Verfahren abhängig. Die Zahl der weltweit bekannt gewordenen ISDS-Verfahren wächst mit zunehmenden globalen FDI-Beständen und lag laut UNCTAD Investment Dispute Settlement Navigator bis Mitte 2023 bei über 1.300 Fällen weltweit. Im zweiten Halbjahr 2023 wurden 30 weitere Fälle bekannt. Die klagenden Unternehmen kamen bisher zum Großteil aus Industrieländern. Die am häufigsten über ISDS angeklagten Länder sind Argentinien (65 Klagen), Venezuela (64 Klagen), Spanien (56 Klagen) und Mexiko (52 Klagen). Deutsche Investoren haben das Instrument bislang 84-mal benutzt – am häufigsten, um gegen andere EU-Staaten vorzugehen. Längst nicht alle der weltweiten ISDS-Klagen gehen für den Investor erfolgreich aus. Nur in 28 Prozent der abgeschlossenen Fälle wurde bisher zugunsten des Investors entschieden.
Investitionsschutzverträge haben Reformbedarf
In den vergangenen Jahren wurde weltweit intensiv über mögliche negative Auswirkungen von Investitionsschutz- und -förderverträgen diskutiert. Im Zentrum der Kritik stehen dabei die Regelungen zur Abwicklung von ISDS-Verfahren, die insbesondere im Falle des Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommens TTIP und des Freihandelsabkommens mit Kanada (CETA) zugespitzt diskutiert wurden. Bei aller Kritik kann es nicht darum gehen, ISDS-Verfahren abzuschaffen. Denn im Zuge der Globalisierung wird Investitionsschutz nicht nur für Deutschland, sondern auch für viele Entwicklungs- und Schwellenländer immer wichtiger. Vielmehr muss es darum gehen, die bestehenden Verfahren zu verbessern.
Notwendig ist unter anderem eine verbesserte Transparenz bei ISDS-Verfahren, zum Beispiel durch die Veröffentlichung von Dokumenten, die Einblick in die Verhandlungen erlauben. Rechtliche Konzepte und Definitionen wie etwa „indirekte Enteignung“ oder „faire und gerechte Behandlung“ müssen präziser definiert werden. BITs müssen außerdem Schutzmechanismen gegen unseriöse Klagen vorsehen, ebenso Ausnahmeklauseln für den Schutz der öffentlichen Interessen der Staaten. Begrüßenswert wäre es außerdem, die Prinzipien für den Schutz ausländischer Direktinvestitionen und die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten multilateral zu verankern. Der BDI begrüßt deshalb die Arbeiten der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) und der EU-Kommission zur Ausarbeitung von Grundlagen zur Errichtung eines Multilateralen Schiedsgerichtshofs (Multilateral Investment Court, MIC). Das übergeordnete Ziel ist die Einrichtung einer ständigen Instanz zur Entscheidung von Investitionsstreitigkeiten. Aus Sicht der EU-Kommission sollte dieser auf dem Ansatz der EU für ihre bilateralen Freihandelsabkommen aufbauen und eine wichtige Abkehr von den ISDS-Verfahren auf der Grundlage von Ad-hoc-Schiedsverfahren darstellen. Dafür sind u.a. eine Berufungsinstanz, fest bestellte Richterinnen und Richter und ein eigenes Sekretariat vorgesehen. Im März 2018 hat der Rat die Verhandlungsrichtlinien für die EU für einen Multilateralen Investitionsgerichtshof angenommen und veröffentlicht. Die Verhandlungsrichtlinien ermächtigen die EU-Kommission, im Namen der EU mit ihren Handels- und Investitionspartnern im Rahmen der UNCITRAL ein Übereinkommen zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten auszuhandeln. Seitdem dauern die Verhandlungen über einen ständigen Multilateralen Investitionsgerichtshof sowie über eine mögliche Reform der Investor-Staat-Streitbeilegung, Berufungsmechanismen und multilaterale Gerichtsverfahren auf Ebene der Vereinten Nationen an.
Aktuelle politische Entwicklungen und Handlungsbedarf
Seit Jahren arbeitet die United Nations Conference on Trade and Development, (UNCTAD) an neuen Standards für die Ausgestaltung von BITs. Die Investitionskapitel der Handelsabkommen der EU mit Kanada, Vietnam und Singapur beinhalten bereits weitreichende Reformen gegenüber dem Standard der BITs alter Prägung. So sehen die EU-Abkommen etwa einen Mechanismus zur Streitbeilegung vor, der viele Ideen der UNCTAD sowie der ISDS-Kritiker berücksichtigt. Beispielsweise wurde ein fester Investitionsgerichtshof verankert, der die bisher üblichen Schiedsgerichte ablösen soll.
Ein wichtiges Anliegen der deutschen Industrie ist es außerdem, dass weitere politische Maßnahmen zur Förderung grenzüberschreitender Investitionen ergriffen werden, die über den klassischen Investorenschutz hinausgehen (Investment Facilitation). Nur durch private Investitionen wird es möglich sein, die Ziele für nachhaltige Entwicklung („Sustainable Development Goals“, SDGs) der Vereinten Nationen zu erreichen.