Net-Zero Industry Act: EU-Kommission will die Klimatransformation beschleunigen
Produktion von europäischen Net-Zero-Technologien stärken
Mit dem Gesetzesvorschlag will die Europäische Kommission „die Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Produktion von Net-Zero-Technologien in der EU stärken und unser Energiesystem sicherer und nachhaltiger machen“. Hierfür will sie die Bedingungen für Netto-Null-Projekte in Europa verbessern und Investitionen in die entsprechenden Technologien – unter anderem Solarkraft, Windenergie, Batterien und Wärmepumpen – erleichtern. Ziel ist es außerdem, die europäische Technologieführerschaft in den genannten Bereichen zu sichern beziehungsweise wiederzugewinnen.
Beschleunigung von Genehmigungsverfahren
Konkret sieht der Vorschlag der Kommission Maßnahmen zur Erleichterung von Investitionen vor. Dazu zählt, den Verwaltungsaufwand für konkrete Projekte zu reduzieren und insbesondere Genehmigungsverfahren zu vereinfachen. Darüber hinaus sollen die Projekte Vorrang erhalten, die wesentlich sind, um die Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken. Für diese Projekte werden künftig noch kürzere Genehmigungsfristen und gestraffte Verfahren gelten.
Darüber hinaus will die Kommission der CCS-Technologie (Carbon Dioxid Capture and Storage) zur Abscheidung und Speicherung von CO2 zum Durchbruch verhelfen. Bis 2030 sollen jährliche Speicherkapazitäten von 50 Millionen Tonnen CO2 entstehen.
Als weitere Maßnahme sieht der Net-Zero Industry Act die Verbesserung der Qualifikationen von Arbeitskräften vor, die die Produktion von Netto-Null-Technologien in der EU gewährleisten. Mitgliedstaaten sollen zudem die Möglichkeit erhalten, spezielle flexible Regelungsrahmen („Regulatory Sandboxes“) zu errichten, mit denen sie neue Technologien testen und Innovationen stimulieren können.
Ein Schritt in die richtige Richtung
Die Initiative der Kommission ist grundsätzlich richtig, ergänzt sie doch den bislang klima- und umweltpolitisch fokussierten Green Deal der EU um die dringend benötigte industriepolitische Perspektive. Mit der Definition der acht Net-Zero-Technologien adressiert die Kommission zu Recht die Notwendigkeit, ausreichende industrielle Kapazitäten für die Herstellung dieser Technologien zu gewährleisten, damit die Energie- und Klimawende gelingt.
Genehmigungsverfahren als Hindernis für die Klimatransformation
Dabei ist insbesondere die Straffung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren eine wichtige Maßnahme. Wir erleben bislang allzu häufig, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren die Transformation der Industrieunternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität verzögern. Lange Verfahren, aufwändige Vorbereitungen für Genehmigungsanträge und fehlendes Personal in Behörden wie in Unternehmen sind die Hauptursachen. Dahinter stehen nicht nur strukturelle Probleme und ein komplexes nationales Verfahrensrecht, sondern auch europäisches Recht. Grundlage etwa für Umweltanforderungen in Genehmigungsverfahren oder umfangreiche Berichtspflichten der Unternehmen sind europäische Wasser-, Naturschutz- oder Immissionschutzrechte.
Klimatransformation der gesamten Industrie erfordert Verfahrensbeschleunigung für alle
Das gilt jedoch nicht nur für die von der Kommission vorgeschlagenen acht Technologien. Ein klimaneutraler europäischer Industriekontinent entsteht nur, wenn wir die Transformation der gesamten Industrie schnell in Angriff nehmen. Das betrifft alle Industrieanlagen aus den unterschiedlichsten Sektoren. Europa darf hier nicht ein Kontinent der zwei Geschwindigkeiten werden. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, muss der gesamte Industriesektor die erforderlichen Transformationsmaßnahmen rasch umsetzen.
Nur mit den Produkten, Innovationen und dem technischen Fortschritt der gesamten deutschen Industrie kann die Klimawende gelingen. Branchen wie die Stahl-, Chemie- und Zementindustrie sowie Energieerzeugung benötigen umfangreiche Umbaumaßnahmen, etwa für die Erzeugung von Wasserstoff sowie den Einsatz von Gas und Elektrizität als alternative Energieträger. Ihre Produkte – Stahl, Zement, Kunststoffe und chemische Basisprodukte – sind unerlässlich für die Klimaneutralität aller Bereiche, beispielsweise für den Bau von Windrädern oder Photovoltaikanlagen. Hierfür bedarf es Investitionen in hundertfacher Milliardenhöhe.
Im Gesetzgebungsverfahren müssen jetzt Rat und Europäisches Parlament darüber befinden, wie der Net-Zero Industry Act auf dieses größere Ziel ausgerichtet werden kann. Die Unternehmen in Europa brauchen schnell eine Perspektive, um die erforderlichen Investitionsentscheidungen zügig treffen zu können.