Rückenwind für die Kernfusion: Baut Deutschland das weltweit erste Fusionskraftwerk?

Kernfusion ist derzeit in aller Munde. Die Bundesregierung veröffentlichte im Oktober den Aktionsplan „Deutschland auf dem Weg zum Fusionskraftwerk“, in Deutschland arbeiten mehrere Startups an dem Thema und der BDI organisierte in den letzten Monaten auf dem Klimakongress und dem InnoNation Festival gleich zwei gutbesuchte Panels zur Fusion. Ist das alles nur ein Hype - oder steckt mehr dahinter?

Seit einigen Jahren kündigt sich ein „Wettlauf“ zwischen mehreren Ländern bei dem Thema Kernfusion an. Mit dabei die USA, China, Japan, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Zwar ist es noch immer ein Forschungsthema, aber der Witz mit der „Fusionskonstante“ (die Fusion kommt immer in 20 Jahren) wird heute kaum noch erzählt. Stattdessen wächst die Überzeugung, dass es schneller geht.

Laser oder Magnet – welcher Weg führt zum Erfolg?

Dass es noch immer ein Forschungsthema ist, wird auch daran deutlich, dass zwei alternative Methoden gegeneinander antreten und das Rennen völlig offen ist:

  • Zum einen die Laserfusion, bei der ein Hochleistungslaser eine Brennstoffkugel erhitzt und dadurch die Fusionsreaktion auslöst. Hier gab es im Dezember 2022 in Kalifornien einen technischen Durchbruch, als es erstmals gelang, mehr Energie aus der Fusionsreaktion zu gewinnen als durch den Laserstrahl hineingegeben wurde.
  • Zum anderen gibt es die Magnetfusion, bei der ein extrem heißes Wasserstoff-Plasma auf einer Bahn kreisend zwischen Magneten eingeschlossen wird und weiter aufheizt (über 100 Mio Grad), bis die Fusionsreaktion einsetzt. Die weltweit modernste Testanlage hierfür ist der Stellarator Wendelstein 7X in Greifswald.

Ein Novum: Denken vom Kraftwerk aus

Von den vier deutschen Fusions-Startups arbeiten zwei an der Laser- und zwei an der Magnetfusion. Bislang ist Deutschland vor allem bei der Magnetfusion engagiert und weltweit mit führend, maßgeblich ist das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik. Die Bundesregierung möchte laut ihrem Aktionsplan künftig beide Technologieansätze fördern und strebt auch den Aufbau von bisher fehlenden Infrastrukturen für die Laserfusion an.

Eine weitere Neuerung ist zu beobachten: Während die Fusionsforschung bislang vor allem ein Thema für Physiker war und sie gleichsam „nur im Labor“ stattfand, werden für die weitere Entwicklung nun auch erstmals Kraftwerksbauer eingebunden. Auf dem Weg zu einem konkreten Fusionskraftwerk kommt darauf an, die Fusion „vom Kraftwerk aus“ zu denken und einen ganzheitlichen Blick auf das Thema Stromerzeugung durch Fusion zu bekommen.

Die Bundesregierung ist Teil der Dynamik: Aktionsplan …  

Bereits die Ampel-Regierung hat die Fusion entschieden vorangetrieben. So gab es im Sommer 2023 ein Fusions-Symposium beim BDI, dass Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger und BDI-Präsident Russwurm gemeinsam ausgerichtet haben (Artikel). Die neue Regierung knüpft daran an und geht noch einen Schritt weiter: Im Koalitionsvertrag vom Mai 2025 verkündet sie als Ziel: „Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen“. Mit ihrem Aktionsplan Deutschland auf dem Weg zum Fusionskraftwerk vom Oktober 2025 greift sie dies auf und legt die Latte ihrer Ambitionen hoch: Ziel ist es, Deutschland als Energieproduzenten und Exportnation im Fusionssektor zu etablieren. Die Bundesregierung will den Aufbau eines „Fusionsökosystems“ aus Wissenschaft und Wirtschaft fördern und im Rahmen des Förderprogramms „Fusion 2040“ die öffentliche Finanzierung in dieser Legislaturperiode auf insgesamt 1,7 Mrd. Euro erhöhen.

… und neuer Rechtsrahmen.

Bevor ein Fusionskraftwerk gebaut werden kann, braucht es dafür einen passenden Rechtsrahmen, nach dem dieser Bau genehmigt werden kann. Ein solcher ist zudem auch ein wichtiges Signal an internationale Investoren, dass in Deutschland bei diesem Thema Rechts- und Planungssicherheit besteht.
In Expertenkreisen war schon früh klar, dass dieser Rechtsrahmen nicht das Atomgesetz sein kann. Technik und Gefährdungslage von Fusion und Kernspaltung sind zu verschieden, die Aufnahme in das Atomgesetz würde ein falsches Bild schaffen. Der Aktionsplan der Bundesregierung sieht nun eine Regulierung innerhalb des Strahlenschutzgesetzes vor, das Gesetzgebungsverfahren soll im Jahr 2026 über die Bühne gehen und abgeschlossen werden.