Steigende Stromkosten: Herausforderung für die Industrie
Die Energiewende ist ein Großprojekt. Damit sie gelingt, müssen gigantische Beträge aufgewendet werden. Laut der BDI Studie „Klimapfade 2.0 – Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft“ sind zur Erreichung der 2030-Ziele Mehrinvestitionen von über 400 Milliarden Euro bis 2030 in der Energiewirtschaft nötig. Im gleichen Zeitraum soll der Anteil aus erneuerbaren Energien von 42 Prozent im Jahr 2021 auf 80 Prozent steigen. Mit jeder Windrad- und jeder Photovoltaikanlage, die hier in Betrieb geht, werden mengenmäßig weniger Einfuhren von Öl und Erdgas als Energieträger benötigt. Langfristig wird Deutschland aber auch in einer klimaneutralen Welt auf Energieimporte zum Beispiel in Form von Wasserstoff und strombasierten Kraftstoffen angewiesen sein.
Rund 43 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland in Höhe von 2.317 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2020 entfallen nach den aktuellen Zahlen des Bundesverbandes der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) auf die Wirtschaft mit den Bereichen Industrie (28 Prozent) und Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (15 Prozent) – insgesamt gut 1.000 TWh.
Elektrizität ist für die Industrie Schlüsseltechnologie
Im Gegensatz zum Strombedarf in Privathaushalten für helle Wohnungen oder kalte Kühlschränke ist Elektrizität für die Industrie eine Schlüsselenergie und ein zentraler Produktionsfaktor. Fast die Hälfte des Stroms in der Industrie wird nach Angaben des Umweltbundesamtes zur Erzeugung mechanischer Energie oder für Wärmeanwendungen wie Schmelzprozesse genutzt. Allein für Prozesswärme werden rund zwei Drittel des Endenergieverbrauchs benötigt. Mechanische Energie sorgt für rund ein Viertel des Verbrauchs, ein Großteil der Energie wird für Prozesse (Strom und Wärme) benötigt. Daneben treibt die Automatisierung von Produktionsabläufen den Stromverbrauch in die Höhe. Auf der anderen Seite sind die Produktionsprozesse der deutschen Industrie mittlerweile die effizientesten der Welt, da bei den Energieeinsparungen in den letzten Jahren deutliche Fortschritte erzielt wurden. Zum Erreichen der Klimaziele ist eine Umstellung der industriellen Wärmeprozesse auf klimafreundliche Energieträger wie Strom, Biomasse und grünen Wasserstoff notwendig. Bis 2030 wird zum Erreichen der Ziele der zusätzliche Strombedarf allein durch die Umstellung von industrielle Wärmeprozesse um 63 Terrawattstunden steigen. Das ist mehr Strom als der Strombedarf der ganzen Schweiz.
Die Kosten für Strom sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Staatliche Umlagen und Abgaben sowie die Stromsteuer erhöhen auch für die Industrie die Stromkosten – mit direkten negativen Auswirkungen auf die Unternehmen und damit auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. Ohne den Einsatz von Strom sind industrielle Prozesse schlicht nicht möglich. Gerade vor dem Hintergrund der klimapolitischen Ziele, ist es wichtig die Umstellung auf Strom anzureizen. Strom muss daher in der Anwendung für Unternehmen günstiger als die fossilen Alternativen wie Erdgas und Öl werden.
Um die Energiekosten für stromintensive Großverbraucher wie etwa der metallverarbeitenden Industrie, der Papierverarbeitung oder der Chemieindustrie zu begrenzen, sind mehrere Ausnahmeregelungen entstanden, um stromintensive Verbraucher, die im internationalen Wettbewerb stehen, von Steuern und Abgaben zu entlasten. Allerdings profitieren nur rund vier Prozent aller Industrieunternehmen (ca. 2.000) von diesen Regelungen, sodass die Energiekosten-Schere zwischen Deutschland und anderen Volkswirtschaften, insbesondere den USA, bestehen bleibt. Die Politik hat mit der Abschaffung der EEG-Umlage einen ersten wichtigen Schritt eingeleitet. Allerdings bleibt Strom als Energieträger für viele Unternehmen noch zu teuer. Daher braucht es weitere Entlastungen, unter anderem bei den Netzentgelten und durch eine Reduzierung der Stromsteuer auf das europäische Minimum.
Ausnahmeregelungen stützen die Industrie
Bisher gibt es Ausnahmen und Entlastungen vor allem für besonders stromintensive Unternehmen. Studien haben gezeigt, dass diese die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie stützen und sie sich gesamtwirtschaftlich positiv auswirken.
Stromintensiven Großverbraucher zum Beispiel aus der metallverarbeitenden Industrie und aus der Chemieindustrie in Deutschland zahlen niedrigere Strompreise, bedingt vor allem durch keine, beziehungsweise reduzierte Steuern und Umlagen sowie geringere Netzentgelte. Allerdings profitieren in Deutschland nur rund 2.000 von 45.000 Betrieben insgesamt von entsprechenden Ausnahmeregelungen – also rund vier Prozent aller Industrieunternehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kriterien für die Beantragung nicht einheitlich definiert sind. So gibt es Ober- und Untergrenzen beim absoluten Stromverbrauch oder die Stromkosten müssen im Vergleich zu Wertschöpfung oder Umsatz ausgewiesen werden.
In Deutschland erfüllen vor allem Aluminium- und Kupferhersteller, die Stahlproduktion in Elektrostahlöfen und chemische Reduktionsprozesse nahezu alle Kriterien, um von staatlich regulierten Strompreiskomponenten entlastet zu werden. Die Privilegien umfassen Sockelbeträge für hohe Energieverbräuche, Steuerentlastungen bei einem hohen Anteil der Stromkosten am Gesamtumsatz und eine Reihe weiterer Ausnahmeregelungen zum Beispiel für Energieeffizienzmaßnahmen oder für Industrien mit besonders starkem internationalem Wettbewerb oder besonders stromintensiven Prozessen.
Ohne diese Ausnahmeregelungen würde sich die Produktion etwa von Aluminium und Chlor in Deutschland nicht lohnen und über kurz oder lang eingestellt werden. Ähnliches gilt für viele Papierhersteller und Stahlerzeuger. Höhere Strompreise bei einem möglichen Wegfall der Privilegien an die Nachfrager durchzureichen, wäre aber auch keine Lösung. Besonders stark würden dann die Produktpreise in der Papierindustrie und in der Nichteisen-Metallbranche steigen. Dadurch würde auch die Exportnachfrage in diesen stromintensiven Branchen sinken und die Produktion einbrechen. Deutschland möchte als Industrieland klimaneutral werden und zeigen, dass die Transformation hin zur Klimaneutralität mit einer wettbewerbsfähigen Industrie vor Ort vereinbar ist. Nur so wird Deutschland international Partner und Nachahmer finden.
Die BDI Klimastudie „Klimapfade 2.0 – Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft“ zeigt, dass die Industrie mit ihren Technologien der zentrale Wegbereiter für erfolgreichen Klimaschutz ist. Voraussetzung dafür ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Dafür braucht es Energiekosten, die international wettbewerbsfähig sind und auch bei der Umstellung unseres Energiesystems hin zur Klimaneutralität eine unverändert hohe Versorgungssicherheit als ein Markenzeichen des Standorts Deutschland.