Strommarktdesign und Kapazitätsmechanismus - Glanz oder Grauen? Wie sehr die Strommarktdebatte aktuell polarisiert
Das BMWK hat ein Eckpunktepapier zur Anpassung des Strommarktdesigns vorgelegt. Der BDI begrüßt, dass die Debatte nun angeschoben wurde. Jedoch ist Vorsicht geboten: Die Entscheidung, wie prominent die Rolle des Staates im Strommarkt sein soll, welche Förderinstrumente gewählt und wie diese ausgestaltet werden, muss mit Bedacht getroffen werden. Der BDI unterstützt den Ausbau von Erneuerbaren, den damit verbundenen Netzausbau und das Bestreben nach mehr Flexibilität, hebt aber hervor, dass Planungssicherheit und strukturell wettbewerbsfähige Stromkosten essenziell für den Industriestandort Deutschland sind und bleiben.
Der Investitionsrahmen für Erneuerbare nach 2026 wird neu definiert
Erneuerbare sind in ihrem Einspeisungsprofil höchst volatil. Je nach Witterung, Tageszeit und Jahreszeit produzieren sie unterschiedlich viel. Je mehr Produktion aus Wind und Sonne zeitgleich ins Netz eingespeist wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Großhandelsstrompreis fällt. Für Erzeuger bedeutet das oft, dass sie nur sehr niedrige Markterlöse einfahren können. Diese Entwicklung wiederum führt zu Unsicherheit bei Investoren, die befürchten, dass die massiven Investitionskosten beim Anlagenbau nicht durch Markterlöse refinanziert werden können. Bis Ende 2026 sorgt die gleitende Marktprämie (EEG) für eine Absicherung, danach muss, bedingt durch EU-Vorgaben, ein neuer Fördermechanismus her. Das BMWK präsentiert im Eckpunktepapier vier Optionen für ein staatlich garantiertes Fördersystem. Dabei sollen Anreize verzerrungsfrei wirken können: Anlagen sollen bei Negativpreisen abregeln, bei Positivpreisen produzieren und sich generell systemdienlich verhalten. Zudem sollen Preis- und Mengenrisiken (sog. Cashflow-Risiken) abgesichert werden. Laut BMWK erfüllt eine Kapazitätszahlung mit produktionsunabhängigem Refinanzierungsbeitrag (Option 4) diese beiden zentralen Kriterien. Bis ins Detail ist die Option noch nicht ausgestaltet, in der Branche herrscht viel Diskussionsbedarf. Auch Verständnisfragen bleiben bei diesem ökonomisch komplexen Design weiterhin offen, die Angst vor dem Marktentwicklungsrisiko ist spürbar.
Für die deutsche Industrie ist dabei nicht entscheidend, ob die Absicherung über Marktprämie, produktionsabhängige oder -unabhängige zweiseitige Differenzverträge oder Kapazitätszahlungen erfolgt. Es kommt auf zwei Dinge an: Eine möglichst reibungslose Absicherung und im internationalen Vergleich wettbewerbsfähige Stromkosten. Eine Verlangsamung des Zubaus erneuerbarer Energien sollte dabei möglichst vermieden werden, darf aber keinesfalls dazu führen, dass sich die Systemkosten insgesamt erhöhen.
Kapazitätsmechanismus: Es geht nicht mehr ums „Ob“, sondern ums „Wie“. Zentral, dezentral oder gleich beides?
Da die Stromerzeugung aus Erneuerbaren volatil ist und Lastspitzen auch gedeckt werden müssen, wenn Sonne und Wind mal nicht verfügbar sind, muss genügend regelbare Kapazität zur Verfügung stehen. Die ursprüngliche Idee, dass sich neue Kraftwerke mit regelbarer Leistung über Preisspitzen finanzieren lassen, hat in der Praxis nicht zum Neubau von Kraftwerken geführt, da sich Investoren nicht darauf verlassen wollten, dass diese Preisspitzen auch tatsächlich eintreten. Um Versorgungssicherheit und Netzstabilität durch regelbare Kraftwerke gewährleisten zu können, muss jetzt also alles klappen mit der Einführung des technologieneutralen Kapazitätsmechanismus, den die Bundesregierung in ihrer Wachstumsinitiative vorgeschlagen hat. Das BMWK favorisiert momentan einen Kapazitätsmechanismus, der zentrale und dezentrale Elemente kombiniert. Kurzfristig sollen Kraftwerke für Flexibilität sorgen (zentrale Ausschreibungen von Zertifikaten), langfristig sollen Speicher und flexible Lasten für Entlastung sorgen (dezentral).
Aus Sicht des BDI ist dies allerdings ein hochgradig komplexes und potenziell fehleranfälliges System. Grund ist, dass die Kosten der Zertifikate als Teil der Gesamtkosten der Strombeschaffung an die jeweiligen Endkunden weitergegeben werden dürften und so zu kaum steuerbaren Kostensteigerungen führen. Ein zentraler Kapazitätsmarkt hingegen wäre ein einfaches schnell implementierbares und empirisch erprobtes System, wie die Erfahrungen zahlreicher europäischer Nachbarn zeigen. Klar definierte Leistungsgrößen würden zu verbindlichen Kapazitätszahlungen ausgeschrieben, mit dem Staat als verlässlichem Auftraggeber.
Bei einem einfachen, kompakten System könnten darüber hinaus Synergien mit den europäischen Nachbarn geschaffen und europaweit koordinierte Kapazitätsmechanismen etabliert werden, um die Versorgungssicherheit auf europäischer Ebene zu stärken.
Die Finanzierung eines Kapazitätsmechanismus – egal ob über eine gesonderte Umlage oder steigende Beschaffungskosten - darf nicht zu weiteren Kostenanstiegen führen, die Industrie könnte diese nicht schultern. Alternative Finanzierungsinstrumente müssten gefunden werden, damit die deutsche Industrie wettbewerbsfähig bleibt.