Verschärfungen der US-Exportkontrolle

Seit 2018 soll die US-Exportkontrolle auch industriepolitischen Zielen dienen. Dies schadet globalen Wertschöpfungsketten und dem transatlantischen Markt. Auslöser dieser Entwicklung ist der Systemwettbewerb mit China. Die neue US-Regierung kann mit ihren europäischen Partnern hier vieles richtig machen, denn: in der Exportkontrolle ist wegen China eine Rückkehr zum Status quo ante unmöglich.

Der Export Control Reform Act (ECRA) von 2018 zielt darauf ab, die nationale Sicherheit der USA durch die Regulierung US-amerikanischer Exporte zu schützen. Im Fokus von ECRA stehen Güter mit doppeltem Verwendungszweck, sogenannte Dual-Use-Güter. 

Grundsätzlich ist das Exportkontrollrecht der USA extraterritorial. Konkret bedeutet dies: Die USA wenden ihre Regeln auch auf Personen und Sachverhalte außerhalb der US-Staatsgrenzen an. Im Gegensatz zur Praxis in anderen Staaten verlieren US-Waren ihre „Staatsbürgerschaft“ auch dann nicht, wenn sie etwa im Ausland weiterverarbeitet werden. Die erneute Ausfuhr zwischen zwei Drittstaaten und nicht-US-Unternehmen, ein sogenannter Re-Export, muss deshalb ebenso durch das Bureau of Industry and Security (BIS) genehmigt werden wie der ursprüngliche Export der Vorprodukte aus den USA. Gleiches kann auch beim Transfer bestimmter Waren innerhalb eines Staates zutreffen. ECRAs Regulationsanspruch greift damit auch direkt in betriebliche Prozesse ein. So kann es innerhalb eines Unternehmens zu sogenannten „deemed exports“ kommen, bei denen ein Gut das Unternehmen zwar nicht verlässt, aber zwischen Mitarbeitern mit und ohne US-amerikanischer Staatsbürgerschaft geteilt wird. Dieser Austausch ist potenziell genehmigungspflichtig.

Von diesen Genehmigungspflichten betroffen sind auch Waren, die einen Anteil von mindestens 25 Prozent des Gesamtwarenwerts aus den USA beinhalten (diese Schwelle liegt bei zehn Prozent, sobald Länder und Märkte mit Terrorbezug im Spiel sind). Unternehmen oder Personen, die ohne Genehmigung gegen das Verbot des Exports oder Re-Exports handeln, machen sich strafbar. Auch Kreditgeber, wie Banken, können sich in einem solchen Fall strafbar machen. Da sich die meisten Geldinstitute im Dollarraum refinanzieren müssen, verleiht die US-amerikanische Währung der US-Exportkontrolle auch außerhalb der USA Wirkung.

Mit ECRA erhielt die US-Exportkontrolle auch geoökonomische Tragweite. Das Gesetz verpflichtet den Präsidenten ausdrücklich, die Exportkontrolle zu nutzen, um die wirtschaftliche Führungsrolle der USA in den Natur- und Ingenieurswissenschaften, der Industrie und der Grundlagenforschung aufrecht zu erhalten. Als Konsequenz dieses Anspruches führte ECRA weitere Kontrollen für bestimmte Zukunfts- (emerging technologies) und Basistechnologien (foundational technologies) ein. Größere Kategorien für Zukunftstechnologien wurden schon bestimmt. Der in der US-Ausfuhrkontrollpraxis eingeschlagene Weg, Zukunftstechnologien über das zuständige multilaterale Kontrollregime global zu regulieren, ist ermutigend. Grundsätzlich schafft jedoch das Nebeneinander von Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen in der US-Exportkontrolle Zielkonflikte. Diese können das transatlantische Wirtschaftsverhältnis ebenso beeinträchtigen wie die gemeinsamen Bemühungen in den internationalen Nicht-Verbreitungsregimen.

China sollen Zugänge zu Hochtechnologien verbaut werden

Als Folge des in ECRA formulierten Führungsanspruches der Vereinigten Staaten gerät nun auch die zivil-militärische Integration der Volksrepublik China in den Fokus der US-Exportkontrolle – also die aufgehobene Trennung zwischen einer zivilen Sphäre einerseits und einer militärischen Endverwendung andererseits. Im April 2020 veröffentlichte das BIS eine Neufassung der Export Administration Regulations (EAR). Hierin werden die Ausfuhr, der Re-Export und der nicht grenzüberschreitende Transfer von Gütern nach China, Russland und Venezuela verschärft. Von nun an gilt: Sobald Ausführer vermuten, ihre Exporte könnten einem militärischen Nutzen dienen, ist der Export untersagt. Militärische Endverwendung und militärischer Endverbleib sind nun weiter gefasst. Zudem wird der Gesichtspunkt „regionale Stabilität“ als Evaluierungskriterium geschärft. Wirtschaftsbeteiligte werden dazu verpflichtet, Ausfuhren in den genannten Länderkreis vollumfänglicher als zuvor elektronisch zu hinterlegen, um den US-Behörden zukünftig einen genaueren Überblick auf die Waren- und Güterexporte zu ermöglichen. Zusätzlich wurden neun Güterkategorien identifiziert, bei denen ebenfalls ein Genehmigungsvorbehalt gilt. Diese umfassen unter anderem Chemikalien, Informations-, Sensorik- und Lasertechnologie, Luftfahrt- und Bordelektronik, aber auch Antriebstechnologie und Raumfahrzeuge. 

Überprüfung von Ausnahmegenehmigungen durch das BIS

Die Genehmigungspflicht für die Ausfuhr, den Re-Export und inländische Transfers bestimmter Güter an Staaten, die mit einer D:1-Einstufung geführt werden, wurde verschärft. Staaten mit dieser Einstufung werden von den USA als potenzielle Gefährder der nationalen Sicherheit bewertet. Dazu gehören beispielsweise China oder auch Russland. Eine bisherige Ausnahmegenehmigung für all jene Ausfuhren, die an einen zivilen Endverwender mit dem Zweck eines plausiblen zivilen Endverbleibs verbracht wurden, wurde damit kassiert. 

Darüber hinaus prüft das BIS, ob die Genehmigungsprivilegien bestimmter Staaten bei Re-Exporten beendet werden sollten. Ein entsprechendes Konsultationsverfahren zu „Additional Permissive Re-exports“ endete im Juni. Das BIS sieht Defizite in der Durchsetzung US-amerikanischer Interessen bei der Genehmigungspraxis vieler A:1-Staaten und Hongkongs von Re-exporten in D:1-Staaten. A:1-Staaten werden als grundsätzlich vertrauenswürdig angesehen. Diese Gruppe setzt sich zusammen aus den Staaten des Wassenaar Arrangements ohne Russland, die Ukraine und Malta. 

Sorgen der global integrierten deutschen Industrie

Aus dem Blickwinkel der US-amerikanischen Exportkontrolle sind die Verschärfungen in sich schlüssig und politisch nachvollziehbar. Die Volksrepublik China steht in einem systemischen Wettbewerb mit den liberaldemokratischen Marktwirtschaften des politischen Westens. Chinas technologischer Fortschritt, wirtschaftliche Entwicklung und militärische Rüstung sind in diesem Konflikt schwerer voneinander zu trennen als in der Vergangenheit. Die zivil-militärische Integration der Volksrepublik ist bei den Verschärfungen in der US-Exportkontrolle die klar treibende Kraft. Das in der Volksrepublik zum Dezember 2020 verabschiedete Exportkontrollrecht ist ein weiterer Grund zur Besorgnis, denn die kommunistische Partei verfügt nun über ein weiteres Instrument, um seine Wirtschaftskraft für seine geopolitischen Ziele zu missbrauchen. Das Argument der USA, dass gerade die Kontrolle von Zukunftstechnologien das geistige Eigentum der Wirtschaftsbeteiligten schützt, ist daher verständlich. Regulatorische Antworten in der US-Exportkontrolle waren zu erwarten.

Für die deutsche Industrie ergeben sich jedoch zwei Probleme. Erstens beschädigen die Militarisierung der zivilen Wirtschaft in China und die unilaterale exportkontrollrechtliche Antwort der USA die Legitimität der internationalen Exportkontrollregime. Diese Regime zur Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen stellen ein sehr hohes Gut dar. Die Verwendung der Exportkontrolle zu geopolitischen Zwecken birgt die Gefahr, das Ziel der Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu entwerten. 

Zweitens wird immer wahrscheinlicher, dass zumindest kurz- und mittelfristig Wertschöpfungsketten nicht mehr dem Preissignal folgend gestaltet werden können. Wirtschaftsbeteiligte werden Wertschöpfung und Lieferketten zunehmend entlang der Sollbruchstellen der internationalen Politik gestalten müssen. Separate Wirtschaftsräume werden damit wahrscheinlicher. Unterschiedliche Produktlinien für unterschiedliche Absatzmärkte wären die Folge. Dies gilt zunächst für den Bereich der Hochtechnologie, bedeutet jedoch für eine Industrie 4.0, wie sie in Deutschland langsam Gestalt annimmt, eine außerordentlich bedenkliche Entwicklung. 

Bessere Transatlantische Abstimmung und Kooperation notwendig

Auf Dauer könnte ein von der US-Exportkontrolle „halbsanktionierter“ Raum entstehen. Die verfasste deutsche Industrie lehnt den Einsatz der Ausfuhrkontrolle für klar industriepolitische Zielen ab, weil diese dem Wettbewerb schaden und Wohlstand minimieren können. Die deutsche Industrie erkennt jedoch an, dass sich die Staaten des liberal-demokratischen Westens an die veränderte sicherheitspolitische Lage durch den Systemwettbewerb mit der Volksrepublik China anpassen müssen. Die transatlantischen Partner sollten sich in der Zukunft bei Güterkontrollen auf eine enge Zusammenarbeit einigen. Eine koordinierte Ausfuhrkontrollpraxis könnte zudem wichtige Impulse in der multilateralen Ausfuhrkontrolle setzen. Hierfür steht die deutsche Industrie in der Transatlantic Business Initiative und bei den Gesprächen des Transatlantic Trade and Technology Council jederzeit zur Verfügung.