Wasserstoff – Energieträger der Zukunft
Mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 steht Deutschlands Energiesystem und Wirtschaft vor enormen Herausforderungen. Als vielseitiger Energieträger und -speicher kann Wasserstoff im Sinne der Sektorenkopplung mithilfe von Umwandlungsprozessen (Power-to-X-Verfahren) in allen Sektoren eingesetzt werden. Damit ist er ein zentrales Element für die Energiewende.
Was ist Wasserstoff?
Wasserstoff (H2) ist das kleinste und leichteste Element und war das erste, das sich nach dem Urknall im Weltall bildete. Auf der Erde kommt es überwiegend chemisch-gebunden in Form von Wasser (H2O) und Kohlenwasserstoffen (CxHy) wie Erdgas oder Erdöl vor. Wasserstoff bildet also schon heute ein Grundelement für unsere Energieversorgung.
Exkurs: Farbenlehre des Wasserstoffs
Der Wasserstoff, der bereits heute als Energieträger eingesetzt wird, wird fast ausschließlich durch die Dampfreformierung von Erdgas hergestellt. Dieser Wasserstoff wird als „grau“ bezeichnet und verursacht aufgrund seiner fossilen Herkunft CO2-Emissionen.
Werden diese CO2-Emissionen in einem nachgeschalteten Verfahren abgeschieden, gespeichert oder dem Kohlenstoffzyklus wieder zugeführt werden spricht man von „blauem“ Wasserstoff, geschaffen durch „Carbon Capture and Storage or Utilisation“-Technologien (CCS- oder CCU-Technologien). Bilanziell kann blauer Wasserstoff als klimaneutral betrachtet werden. Sowohl Verfahren zur Speicherung als auch zur Nutzung des Kohlenstoffs stehen derzeit allerdings noch nicht im großen Maßstab zu Verfügung.
Als „türkis“ wird jener Wasserstoff bezeichnet, der über die Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt werden. Das Methan kann dabei fossilen, aber auch biogenen Ursprungs sein. Dabei wird der Kohlenstoff stofflich gebunden, beispielsweise als Grafit, und kann somit ebenfalls als klimaneutral betrachtet werden.
Das Verfahren der Elektrolyse ermöglicht es, Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Stammt der dazu verwendete Strom aus Kernkraft, wird der Wasserstoff als „rot“ oder "pink" bezeichnet. Wird allerdings erneuerbarer Strom verwendet, ist dieser Wasserstoff „grün“. Die Bundesregierung sieht nur grünen Wasserstoff auf Dauer als nachhaltig, hat sich aber in einer Übergangsphase auch für „blauen“ Wasserstoff ausgesprochen.
Als „weißen“ Wasserstoff bezeichnet man jenen, der natürlich in bestimmten Gegenden, beispielsweise in Afrika, vorkommt und mithilfe von Frackingtechnologien gewonnen werden kann. Die Potenziale dafür werden aber allgemein als äußerst gering eingeschätzt.
Die Bedeutung von Wasserstoff für die Energiewende
Erneuerbarer Strom aus Wind und Sonne wird in Deutschland der wichtigste Energieträger im Energiesystem werden. Allerdings lassen sich nicht alle Bereiche vollständig elektrifizieren. Das gilt insbesondere für die Grundstoff- und chemische Industrie sowie für Teile des Verkehrs. Die wichtigsten Energiequellen für diese Bereiche sind und bleiben Öl und Erdgas.
Um die CO2-Emissionen in allen Sektoren reduzieren zu können, muss erneuerbarer Strom speicher- und transportierbar gemacht werden, sodass dieser indirekt für fossile Energieträger eingesetzt werden kann. Wasserstoff ist der Schlüssel dafür. Durch sogenannte „Power-to-X“-Verfahren (PtX) kann Wasserstoff mithilfe von erneuerbarem Strom erzeugt und in andere Energieträger umgewandelt werden. Diese synthetisch hergestellten Brenn- und Kraftstoffe unterscheiden sich nicht in den Eigenschaften von ihren fossilen Pendants.
Bei den verschiedenen PtX-Verfahren unterscheidet man hauptsächlich zwischen dem Aggregatzustand (gasförmig oder flüssig) des Folgeprodukts. Wird Wasserstoff mithilfe von Elektrolyse aus erneuerbarem Strom hergestellt, spricht man von „Power-to-Gas“ (PtG). Dazu zählt auch die weitere Umwandlung von Wasserstoff zu synthetischem Methan durch Methanisierung. Wenn Wasserstoff oder synthetisches Methan dann in Gasleitung zum Heizen eingesetzt werden, kann man auch von „Power-to-Heat“ sprechen.
Wird Wasserstoff zu flüssigen Folgeprodukten weiterverarbeitet, nennt man das „Power-to-Liquids“ (PtL). Folgeprodukte können Benzin, Diesel oder Kerosin sein. In diesem Zusammenhang spricht man von synthetischen oder strombasierten Brenn- und Kraftstoffen (eFuels). Werden durch die Weiterverarbeitung von Wasserstoff Grundchemikalien wie Ammoniak, Methanol, Ethylen oder Propylen hergestellt, kann man auch von „Power-to-Chemicals“ sprechen.
Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff
Wie die unterschiedlichen PtX-Verfahren deutlich machen, kann Wasserstoff direkt aber vor allem indirekt in allen Sektoren eingesetzt werden. Große CO2-Einsparungspotenziale ergeben sich beispielsweise durch den Einsatz im Industrie- und Verkehrssektor.
Im Industriesektor wird bereits heute in vielen Bereichen Wasserstoff eingesetzt. Insbesondere als Grundstoff zur Herstellung von Grundchemikalien sowie als Prozessgas in Raffinerieprozessen. Der dabei eingesetzte Wasserstoff ist derzeit überwiegend grau. Mit der Substituierung dieses Wasserstoffes durch grünen, türkisen oder blauen Wasserstoff lassen sich enorme Mengen an CO2 einsparen. Die Stahlindustrie stellt einen neuen Anwendungsbereich für Wasserstoff dar. In Deutschland wird Stahl fast ausschließlich über einen koksbasierten Hochofenprozess. Würde man die gesamte Stahlproduktion auf Direkt-Reduktionanlagen umstellen, die zu 100 Prozent Wasserstoff einsetzen, könnte eine Reduktion von 95 Prozent der CO2-Emissionen erreicht werden. Außerdem bietet Wasserstoff für die Zementindustrie indirekt eine Möglichkeit die unvermeidbaren Prozessemissionen zu reduzieren. Die dabei entstehenden CO2-Emissionen müssten abgeschieden und könnten mit Wasserstoff über PtX-Verfahren zu Grundstoffen weiterverarbeitet werden.
Im Verkehrssektor kann Wasserstoff in Bereichen des Öffentlichen Personennahverkehrs, Schwerlastverkehrs und PKW-Verkehrs direkt über die Brennstoffzelle als Kraftstoff oder indirekt über die Umwandlung in synthetisches Benzin oder Diesel eingesetzt werden. Insbesondere die Schiff- und Luftfahrt werden langfristig auf Treibstoffe angewiesen sein. Damit stellen strombasierte Kraftstoffe zentrale Alternativen dar, um CO2-Emissionen einzusparen.
Wie Wasserstoff der Durchbruch gelingt
Am Anfang der 2000 war man sich sicher, dass mit der Brennstoffzelle nun endlich der technologische Durchbruch von Wasserstoff käme. Doch man hatte sich zu früh gefreut. Aber warum ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen? Zum einen sind durch den Ausbau von erneuerbarer Energie die Stromgestehungskosten in vielen Regionen der Welt in den letzten Jahren stark gesunken. Das heißt, grüner Wasserstoff kann in einigen Regionen bereits heute zu wettbewerbsfähigen Preise produziert werden. Zum anderen steht die heutige Welt vor der Herausforderung den Klimawandel zu bekämpfen. Deshalb hat sich die EU das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 gesetzt – dafür werden große Mengen an CO2-freien oder klimaneutralen Wasserstoff notwendig sein.
Damit klimaneutraler Wasserstoff und seine Folgeprodukte als zentrales Element im Energiesystem etabliert werden können, müssen sie zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sein. Dafür braucht es internationale Zusammenarbeit: Während viele Länder über ausgezeichnete erneuerbare Energien-Ressourcen verfügen, kann es ihnen an den entsprechenden Wasserstoff-Technologien fehlen – und umgekehrt. Daraus ergeben sich Möglichkeiten zur Kooperation.
Einige Länder haben bereits nationale Wasserstoffstrategien verabschiedet und setzen damit starke Signale für die Entwicklung einer internationalen Wasserstoffwirtschaft (Japan 2017, Frankreich, Südkorea und Australien 2019, Niederlande und Norwegen 2020). Auch Deutschland hat 2020 erstmals eine nationale Wasserstoffstrategie veröffentlicht und plant diese im Jahr 2023 fortzuschreiben. Daraus wird deutlich, dass viele Länder das klima- und industriepolitische Potenzial von Wasserstoff erkannt haben und versuchen sich als Vorreiter in einem zukünftig umkämpften Wasserstoffmarkt zu positionieren. Mit der Entwicklung international vernetzter Lieferketten wird Wasserstoff der Durchbruch gelingen.