Klimaneutralität als gigantische Transformationsaufgabe für Automobilindustrie mit ungewissem Ausgang

Die politische Fixierung auf die Vorgabe immer höherer Ziele statt auf die Diskussion mit der Industrie über erforderliche Instrumente und Rahmenbedingungen zur Umsetzung sei riskant für den Industriestandort Deutschland, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm beim heutigen Perspektivdialog mit dem Bundespräsidenten.

„Die jüngsten politischen Entscheidungen zur Klimaneutralität in der EU und in Deutschland werden nach unserer Einschätzung eine Verfünffachung der bisherigen CO2-Reduktionsrate in Europa erfordern. Das ist nicht nur, aber besonders für die deutsche Leitindustrie Automobil mit ihrer herausragenden Bedeutung für unsere Volkswirtschaft eine gigantische Transformationsaufgabe mit ungewissem Ausgang.

Die politische Fixierung auf die Vorgabe immer höherer Ziele statt auf die Diskussion mit der Industrie über erforderliche Instrumente und Rahmenbedingungen zur Umsetzung ist riskant für unseren Industriestandort und für den Klimaschutz. Nationale Ziele für jeden einzelnen Sektor – auf die Tonne und auf das Jahr genau – verteuern Klimaschutz unnötig. Der politische Hang zur Feinsteuerung von Technologiepfaden führt zu Ineffizienzen. Er reduziert ohne Not die Optionen, um die Klimaziele zu erreichen – für unser Land in Summe genauso wie für jedes einzelne Unternehmen und seine Arbeitsplätze.

Die massive Zielverschärfung macht eine komplexe europäische und deutsche Regulierungslandschaft noch komplizierter. So will die Politik die erst vor zwei Jahren ausgehandelten CO2-Flottengrenzwerte erneut aufschnüren. Dies belastet die Investitionssicherheit und -bereitschaft und ist das genaue Gegenteil von der Planungssicherheit, die die Unternehmen für die Weiterentwicklung ihres Technologie- und Angebotsportfolios und der damit verbundenen Arbeitsplätze brauchen.

Klimaschutz darf die Gesellschaft nicht in Gewinner und Verlierer spalten. Klimaschutz muss für alle bezahlbar und für die Industrie machbar sein. Klimaschutz um den Preis von Wohlstands- und Beschäftigungsverlust wird gesellschaftlich schwer vermittelbar und damit keine Lösung sein.

Wir müssen allen technischen Optionen eine faire Chance geben, neben der Elektromobilität auch Wasserstoff und alternativen Kraftstoffen. Wir wollen CO2-Überschuss in der Atmosphäre bekämpfen, nicht den Verbrennungsmotor, wenn er CO2-neutral zu betreiben ist. Eine Transformation im Verkehrssektor lässt sich, wie in vielen anderen Sektoren auch, nur über Innovation und nicht über Verzicht erreichen.

Die Unternehmen brauchen inmitten eines multiplen Strukturwandels mehr Planungs- und Investitionssicherheit. Nur dann werden sie diesen Veränderungsprozess erfolgreich gestalten.“