1. Säule der OECD-Vorschläge: Neuverteilung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen
Im Oktober 2019 hat das OECD-Sekretariat den „Einheitlichen Ansatz“ („Unified Approach“) zur Neuverteilung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen vorgestellt. Der Vorschlag basiert auf den Gemeinsamkeiten der Vorschläge aus dem vorangegangenen Arbeitsprogramm aus dem Mai 2019 und soll die Konsensfindung bis Ende 2020 realistischer machen.
Der „Einheitliche Ansatz“ soll große, verbraucherorientierte Unternehmen erfassen und eine Besteuerung im Marktstaat auch dann ermöglichen, wenn keine greifbare physische Präsenz betrieben wird. Eine Neuverteilung der Besteuerungsrechte zugunsten der Marktstaaten soll dabei durch neue Gewinnzuweisungsregeln, die über das Fremdvergleichsprinzip hinausgehen, erreicht werden. Der OECD-Ansatz soll die Rechtssicherheit für Steuerpflichtige und Steuerverwaltungen erhöhen und aus einem dreiteiligen Mechanismus bestehen.
Die erste Stufe, „Amount A“, stellt die zentrale Reaktion auf die Herausforderungen der Digitalisierung dar und soll Quellen- und Marktstaaten zusätzliche Besteuerungsrechte zuweisen. Dies soll durch die formelhafte Aufteilung von Unternehmensgewinnen erfolgen, sofern der Konzern noch zu definierende konzern- und länderspezifische Umsatzschwellen überschreitet. Steuerlicher Anknüpfungspunkt für das neue Besteuerungsrecht soll der Umsatz als Indikator für eine signifikante wirtschaftliche Tätigkeit im Marktstaat sein. Ob im Marktstaat eine physische Präsenz im Sinne einer Betriebstätte nach bisherigen Grundsätzen des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, wäre somit unerheblich.
Im Rahmen der zweiten Stufe, „Amount B“, sollen die Quellenstaaten, also solche Staaten in denen eine physische Präsenz im Sinne einer Betriebsstätte oder einer Tochtergesellschaft betrieben wird, eine feste Vergütung für sogenannte Basisaktivitäten erhalten. Im Fokus stehen dabei vor allem Marketing- und Vertriebsaktivitäten.
Sofern die Niederlassungen im Quellenstaat über die Basisaktivitäten hinaus Funktionen ausüben und Risiken tragen, soll den Quellenstaaten durch „Amount C“ auf der dritten Stufe ermöglicht werden, zusätzliche Besteuerungsrechte an sich zu ziehen. Streitigkeiten soll durch verbindliche und wirksame Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsmechanismen, die sich auf alle Elemente des OECD-Vorschlags beziehen, begegnet werden.
BDI-Bewertung zur Neuverteilung von Besteuerungsrechten
Der vorgeschlagene „Einheitliche Ansatz“ ist sehr komplex und sorgt aufgrund zahlreicher noch offener Detailfragen für Unklarheit. Eine abschließende Beurteilung ist somit nicht möglich.
Sofern eine globale Neuverteilung von Besteuerungsrechten politisch erwünscht ist, muss sichergestellt sein, dass hierüber ein internationaler Konsens besteht und die aus der Komplexität der Regelungen entstehende Doppelbesteuerung der Unternehmen durch effiziente Verfahren ex ante vermieden beziehungsweise ex post mit entsprechendem Einigungszwang gelöst wird.
Bei einer Neuverteilung von Besteuerungsrechten muss sichergestellt werden, dass alle Staaten ein identisches Verständnis haben. Es sollte an dem derzeit geltenden Grundsatz (Nexus-Approach) festgehalten werden und nur im Falle hierüber nicht zu lösender Allokationsfragen mit einer eindeutigen, international abgestimmten Definition eines neuen Steueranknüpfungspunktes das Besteuerungsrecht zuzuweisen.
Für die Neuverteilung der Besteuerungsrechte der Höhe nach muss es konkrete Maßstäbe geben, bei denen bisherige internationale Besteuerungsgrundsätze, wie insbesondere der Fremdvergleichsgrundsatz, beibehalten werden und diese nur punktuell für digitale Geschäftsmodelle durch einen klaren und abgestimmten Gewinnverteilungsschlüssel modifiziert werden. Hierbei muss jedoch sichergestellt sein, dass dessen Umsetzung in allen Staaten einheitlich erfolgt. Zudem ist es notwendig, dass hierbei künftigen wirtschaftlichen Entwicklungen Rechnung getragen wird und entsprechende Anpassungen der Formel möglich sind.
Zur Umsetzung eines möglichen Kompromisses müssen die beteiligten Staaten sich zwingen auf ein multilaterales Abkommen einigen, um Verwaltungsaufwand und Rechtsunsicherheit zu begrenzen. Um eine einheitliche Umsetzung zu gewährleisten und die Kosten für die Einhaltung der neuen Vorschriften zu minimieren, sollte die multilaterale Vereinbarung ein zentralisiertes Erhebungsverfahren prüfen. In diesem Verfahren sollten die Steuerbehörden des Staates, in dem die Muttergesellschaft des Konzerns seinen Sitz hat, die Erhebung und internationale Distribution der vereinnahmten Abgaben an die Quellen- und Marktstaaten vollziehen.
BDI zur Neuverteilung von Besteuerungsrechten
- Neue weltweit abgestimmte Maßnahmen für eine angemessene Aufteilung von Besteuerungsrechten müssen klar formuliert und von allen Staaten einheitlich umgesetzt werden.
- Die etablierten internationalen Besteuerungsgrundsätze, wie der Fremdvergleichsgrundsatz, sollten beibehalten werden und lediglich punktuell durch einen klaren und abgestimmten Gewinnverteilungsschlüssel modifiziert werden.
- Doppelbesteuerungsrisiken der Unternehmen müssen durch effiziente Verfahren vermieden bzw. gelöst werden.