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Aktuelle Handelsverhandlungen der USA – ein Überblick

Die Biden-Administration zeigt bisher keinen Appetit für die Verhandlung klassischer Freihandelsabkommen (FTAs). Sie verhandelt jedoch inzwischen eine Reihe an „Partnerschaften“, „Initiativen“ und „frameworks“.

Das aktuell letzte FTA, welches die USA abgeschlossen haben, ist das „United States Mexico Canada Agreement“ (USMCA). Dabei handelt es sich um eine modernisierte und nachverhandelte Version des North American Free Trade Agreement (NAFTA), die im Sommer 2020 – also noch unter der Trump-Administration – in Kraft trat. Unter US-Präsident Joe Biden werden bisher keine klassischen FTA-Verhandlungen geführt. Stattdessen verhandelt die Biden-Administration – das Büro der US-Handelsbeauftragten (USTR), das Department of Commerce (DOC) und das State Department – in unterschiedlichen Konstellationen mit verschiedenen Ländern und Regionen über Handels- und weitere Themen. Die derzeit wichtigsten Verhandlungen und Formate sind hier zusammengefasst.

EU-US Trade and Technology Council (TTC)

Im Sommer 2021, rund ein halbes Jahr nach Amtsantritt von Präsident Biden, gründeten die EU und die USA den EU-US Trade and Technology Council. Dort wird in zehn Arbeitsgruppen über die transatlantische Zusammenarbeit bei Technologie- und Handelsthemen verhandelt. Den USA scheinen die Technologiethemen wichtiger zu sein, während sich die EU mehr Fortschritte bei (bilateralen) Handelsthemen wünscht. Das vierte Treffen auf Ministerebene findet am 30. und 31. Mai in Schweden statt. Auf EU-Seite sind der Exekutiv-Vizepräsident und Handelskommissar Valdis Dombrovskis und die Exekutiv-Vizepräsidentin und Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager im Lead. Auf US-Seite liegt die Zuständigkeit bei US-Außenminister Anthony Blinken, US-Wirtschaftsministerin Gina Raimondo und der US-Handelsbeauftragten Katherine Tai. Eine Zusammenfassung zum Stand nach dem dritten Ministertreffen im Dezember 2022 ist hier zu finden. In den vergangenen Monaten wurde der TTC etwas überschattet vom Streit über diskriminierende US-Subventionen im Rahmen des Inflation Reduction Act.

Indo-Pacific Economic Framework for Prosperity (IPEF)

Im Mai 2022 gaben die USA zusammen mit 13 Ländern im indo-pazifischen Raum den Beginn von Verhandlungen im Rahmen des Indo-Pacific Economic Framework bekannt. Die Partnerländer sind Australien, Brunei Darussalam, Fidschi, Indien, Indonesien, Japan, Südkorea, Malaysia, Neuseeland, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Das IPEF umfasst vier Säulen: Handel, Lieferketten, saubere Wirtschaft bzw. saubere Energie („clean economy“ / „clean energy“) und faire Wirtschaft. Indien nimmt bisher nicht an den Verhandlungen zu Handel teil, darüber hinaus beteiligen sich jedoch alle Mitglieder an allen Themen.

Im September 2022 einigten sich die IPEF-Staaten zunächst auf Verhandlungsziele. Die Ziele für den Handel umfassen die Bereiche Arbeit, Umwelt, digitale Wirtschaft, Landwirtschaft, Transparenz und gute Regulierungspraxis („good regulatory practice“), Wettbewerb, Inklusivität, Handelserleichterungen sowie technische Hilfe und wirtschaftliche Entwicklung. Beim Thema Lieferketten soll der Schwerpunkt auf der Vermeidung künftiger Engpässe und der Sicherung kritischer Sektoren und Produkte liegen. Im Bereich „saubere Energie“ wollen die Partner Investitionsmöglichkeiten erweitern, Innovationen anregen und saubere Energiequellen erschließen. Unter der Säule „faire Wirtschaft“ wollen sich die Mitglieder mit Maßnahmen gegen Korruption und Steuerhinterziehung sowie Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und Rechenschaftspflicht befassen. Auf US-Seite ist das USTR für die Verhandlungssäule zum Thema Handel zuständig und das DOC für die drei weiteren Stränge.

Im Dezember 2022 kamen die Mitglieder schließlich zur ersten offiziellen Verhandlungsrunde zusammen. Im Februar 2023 fand eine Sonderverhandlungsrunde in Neu-Delhi statt, bei welcher der Bereich Handel jedoch ausgeklammert war. Laut Marisa Lago, Staatssekretärin für internationalen Handel im DOC, bekräftigten die 14 IPEF-Partner dabei ihr Ziel, hohe Standards für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand ihrer Volkswirtschaften zügig erreichen zu wollen. Eine zweite offizielle Verhandlungsrunde zu allen Themen fand im März auf Bali statt und die dritte Runde ist für den 8. bis 15. Mai in Singapur geplant. Bisher ist die Taktung der Treffen somit hoch. Konkrete Verhandlungsergebnisse liegen noch nicht vor. Laut US-Regierungsvertretern sollen jedoch bis Ende dieses Jahres wesentliche Ergebnisse vorliegen. Kanada äußerte bereits im Herbst 2022 Interesse, dem IPEF beizutreten. Dies scheint von allen Mitgliedern unterstützt zu werden.

IPEF ist für die US-Administration ein wichtiges Projekt, um das wirtschaftliche Engagement der USA im Indo-Pazifik auszubauen, ohne jedoch den eigenen Markt entscheidend öffnen zu müssen, wie es im Rahmen der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) der Fall gewesen wäre. Es bleibt abzuwarten, ob dies im Wettbewerb mit China um Partner in der Region ausreicht.

United States-Taiwan Initiative on 21st-Century Trade

Die United States-Taiwan Initiative on 21st-Century Trade wurde im Juni 2022 ins Leben gerufen. Die Verhandlungen finden unter dem Dach des American Institute in Taiwan (AIT) und des Taipei Economic and Cultural Representative Office in the United States (TECRO), den diplomatischen Vertretungen der USA und Taiwans im jeweils anderen Land, statt. Auf US-Seite hat das Büro der US-Handelsbeauftragten in den Gesprächen die Federführung als designierter Repräsentant des AIT. Im August 2022 gaben beiden Seiten gemeinsame Verhandlungsziele bekannt und führten im November vorbereitende Gespräche in New York. Die Verhandlungen werden sich laut dem gemeinsamen Mandat auf folgende Bereiche erstrecken: Handelserleichterungen, bewährte Regulierungspraktiken („good regulatory practices“), KMU, Landwirtschaft, Normen und Standards, digitaler Handel, Arbeit, Umwelt, Staatsunternehmen sowie nichtmarktbezogene Maßnahmen. Die erste Verhandlungsrunde fand schließlich Mitte Januar 2022 in Taipei statt. Dabei wurden unter anderem über Textvorschläge zu den Themen Handelserleichterungen, Antikorruption, KMU und gute Regulierungspraxis beraten.

United States-Kenya Strategic Trade and Investment Partnership (STIP)

Noch unter der Trump-Administration hatten die USA und Kenia im Sommer 2020 die erste Verhandlungsrunde im Rahmen von FTA-Verhandlungen veranstaltet. Das Handelsvolumen zwischen den USA und Kenia ist zwar relativ gering, jedoch ist das Land für die USA ein strategischer Sicherheitspartner in der Region. Kenia ist zudem eine der stärksten Volkswirtschaften Afrikas. Dies wäre das erste FTA der USA mit einem afrikanischen Land südlich der Sahara.Es könnte außerdem dazu beitragen, Chinas Einfluss in Kenia und der Region insgesamt entgegenzuwirken. Die Administration hatte gehofft, die Verhandlungen zügig abschließen zu können, was jedoch nicht realisiert wurde. Die Biden-Administration hat die FTA-Verhandlungen nicht weitergeführt.

Das grundlegende US-Interesse an der Region besteht auch unter Präsident Biden. So verhandeln beide Länder inzwischen über die United States-Kenya Strategic Trade and Investment Partnership (STIP). Auf US-Seite führt USTR die Verhandlungen. Eine erste Runde von Treffen und Sitzungen fand Ende Februar 2023 statt, bei der sich beide Seiten über folgende Bereiche austauschten: Landwirtschaft; Korruptionsbekämpfung; digitaler Handel; Umwelt und Klimaschutz; Gute Regulierungspraxis; KMU; Schutz von Arbeitnehmerrechten; Dienstleistungen; Unterstützung der Beteiligung von Frauen, Jugendlichen und anderen Gruppen am Handel; Zusammenarbeit bei Standards sowie Handelserleichterungen und Zollverfahren. Weitere Treffen sollen in den kommenden Monaten stattfinden.

U.S./UK Dialogue on the Future of Atlantic Trade

Das Vereinigte Königreich (VK) hatte nach dem Brexit gehofft, mit den USA zügig ein FTA abschließen zu können und unter US-Präsident Trump wurden im Mai 2020 Verhandlungen begonnen. Diese wurden jedoch – wie die Verhandlungen mit Kenia – nach Amtsantritt der neuen Regierung nicht weitergeführt. Stattdessen führten beide Seiten im März 2022 das erste Treffen im Rahmen der U.S./UK Dialogues on the Future of Atlantic Trade unter der Leitung von USTR Tai und der VK-Staatssekretärin für internationalen Handel, Anne-Marie Trevelyan, in Baltimore durch. Ein zweiter „Dialogue“ fand im April 2022 in Aberdeen statt. Bisher ging es in den Treffen um KMU, digitalen Handel, Arbeitnehmerrecht, Lieferketten, Lebensmittelsicherheit und Klimaschutz. Daneben wurde ein weiterer Dialog zu grenzüberschreitendem Datenverkehr gegründet, den US-Wirtschaftsministerin Raimondo und die VK-Staatssekretärin für Digitales, Kultur, Medien und Sport, Michelle Donelan, leiten.

Einigen Kongressmitgliedern, darunter den Senatoren Chris Coons (D-DE) und John Thune (R-SD), geht das Format der Handelsdialoge nicht weit genug. Am 9. März 2023 legten die beiden Senatoren einen gemeinsamen Gesetzesentwurf vor, welcher es der Administration ermöglichen bzw. sie auch dazu zwingen würde, Verhandlungen über ein umfassendes Freihandelsabkommen mit dem VK zu führen. Es handelt sich somit um ein auf das VK begrenztes Handelsmandat („Trade Promotion Authority“). Senator Coons hatte im vorigen Kongress bereits einen ähnlichen Gesetzentwurf vorgelegt, damals zusammen mit dem republikanischen Senator und ehemaligen USTR Rob Portman. Das VK geht derweil noch einem weiteren Ansatz nach: Es verhandelt mit ausgewählten US-Bundesstaaten beispielsweise über Forschungskooperationen, kohlenstoffarme Wirtschaft und die wirtschaftliche Zusammenarbeit in einzelnen Sektoren. Bisher wurden Memoranda of Unterstanding (MoU) unter anderem mit Indiana, North Carolina und South Carolina unterzeichnet. Diese sind jedoch nicht rechtsverbindlich und beinhalten nur vage Absichtserklärungen.

Americas Partnership for Economic Prosperity (APEP)

Beim „Summit of Americas“ im Juni 2022 in Los Angeles verkündete US-Präsident Biden die Americas Partnership for Economic Prosperity (APEP). Beteiligt sind neben den USA elf weitere amerikanische Länder: Barbados, Kanada, Chile, Kolumbien, Costa Rica, die Dominikanische Republik, Ecuador, Mexico, Panama, Peru und Uruguay. Mit neun dieser Länder haben die USA bereits ein FTA geschlossen. Diese reichten aber laut USTR nicht mehr aus, um neue Probleme in den nächsten Jahrzehnten zu adressieren. Ein wirtschaftliches Schwergewicht in der Region, das bisher nicht APEP-Partner ist, ist Brasilien. Nach Angaben des Weißen Hauses soll sich die APEP auf regionale Wettbewerbsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit, gemeinsamen Wohlstand sowie „integrative und nachhaltige Investitionen“ konzentrieren. Im Januar 2023 fand ein Treffen auf Ministerebene unter der Leitung von US-Außenminister Blinken und USTR Tai statt. Dort sagte Tai, die APEP werde „eine neue Art von wirtschaftlicher Vereinbarung sein, die auf der Zusammenarbeit beruht, um unsere Volkswirtschaften von unten nach oben und von der Mitte nach außen aufzubauen“.

Fazit

Im US-amerikanischen Kongress wurden in den Anhörungen Katherine Tais im März 2023 zur handelspolitischen Agenda des Präsidenten die Stimmen lauter, die unzufrieden mit diesem Ansatz sind. Einigen Abgeordneten gehen die Formate nicht weit genug und sie wünschen sich umfassendere Verhandlungen, die den USA mehr Marktzugang in anderen Teilen der Welt bringen. Andere fordern zumindest mehr Einbeziehung des Kongresses in diese Verhandlungen. Eine schnelle Abkehr vom derzeitigen Ansatz ist jedoch im Rahmen der „worker-centered trade policy“ der Biden-Administration nicht zu erwarten.