Digitaler Handel: Chancen nutzen durch moderne Handelspolitik
Grenzüberschreitender E-Commerce verringert Transaktionskosten, erleichtert die Teilnahme an globalen Wertschöpfungsketten, verbessert Marktzugang und -reichweite. Unternehmen ermöglicht der elektronische Handel somit deutliche Effizienzgewinne und Wettbewerbsvorteile. Schätzungen zufolge soll der grenzüberschreitende Business-to-Consumer E-Commerce im Jahr 2020 bereits eine Billion US-Dollar betragen – der grenzüberschreitende E-Commerce zwischen Unternehmen ist sogar noch bedeutender.
Der grenzüberschreitende Datentransfer ist eine Voraussetzung für internationalen E-Commerce und ebenso grundlegend, um die globalen Wertschöpfungsketten effizient zu steuern. Schätzungen von McKinsey zufolge trug bereits im Jahr 2014 der internationale Datentransfer (2,8 Billionen US-Dollar) mehr zum globalen Bruttoinlandsprodukt bei als der Außenhandel mit Waren (2,7 Billionen US-Dollar). Und der Handel mit Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) ist nicht nur für den Export wichtig, sondern bildet ebenso einen unverzichtbaren Produktionsinput für viele Industriegüter. Darüber hinaus beschleunigt der Handel mit IKT weltweit die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft und erleichtert die Teilhabe an technologischer und wirtschaftlicher Entwicklung.
Wachstumsmarkt digitaler Handel wird immer internationaler
Die drei Komponenten des digitalen Handels – Handel mit IKT-Produkten, internationaler E-Commerce sowie grenzüberschreitender Datentransfer – finden jedoch im internationalen Handelsregime, vom Informationstechnologie-Abkommen II (ITA II) der WTO und der Transpazifischen Partnerschaft (Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership, CPTPP) abgesehen, nur ungenügend Beachtung. Oftmals wird bestehendes internationales Handelsrecht im digitalen Handel uneinheitlich angewendet. Dies führt zu Planungsunsicherheit und öffnet Tor und Tür für digitalen Protektionismus. Seit der elften Ministerkonferenz der WTO Ende 2017 verhandelt nun eine große Gruppe von Mitgliedsstaaten ein umfassendes E-Commerce-Abkommen. Dies soll nach Vorstellungen vieler Mitglieder der Gruppe auch Regelungen für den grenzüberschreitenden Datentransfer und den Datenschutz enthalten. Zur nächsten Ministerkonferenz im Sommer 2020 werden erste Zwischenergebnisse erhofft. Damit die Chancen des digitalen Handels bald noch besser genutzt werden können, muss die EU auch in Freihandelsverhandlungen ambitionierte Regelungen für den digitalisierten Handel des 21. Jahrhunderts anstreben. Erste – aufgrund der strengen Datenschutzstandards der EU recht defensive – Schritte in die Richtung werden bei aktuellen Verhandlungen der EU mit Staaten wie Australien, Neuseeland und Indonesien gemacht.
Zudem versuchen Staaten rund um die Welt über bilaterale und regionale Freihandelsabkommen Standards für die Regulierung von Datenflüssen zu setzen. Beispielsweise enthalten das Transpazifische Partnerschaftsabkommen CPTPP und das Handelsabkommen zwischen Kanada, Mexico und den Vereinigten Staaten (U.S., Mexico, Canada Agreement, USMCA) entsprechende Klauseln. Die EU strebt ihrerseits die Regulierung von Datenflüssen in ihren zukünftigen Freihandelsabkommen an – z.B. mit Australien, Neuseeland und Indonesien. Auch das EU-Handelsabkommen mit Japan enthält eine entsprechende Revisionsklausel. Allerdings fordert die europäische Wirtschaft ambitioniertere Vertragsklauseln als sie derzeit von der EU in den Verhandlungen vorgeschlagen werden.
Internationale Politik muss dringend handeln
Bisher war und ist es üblich, elektronische Übertragungen über Ländergrenzen hinweg nicht mit Zöllen zu belegen. Bereits bei der zweiten WTO-Ministerkonferenz im Jahr 1998 hatten die WTO-Mitglieder beschlossen, diese Praxis für die nächsten zwei Jahre fortzuführen. Dieses Moratorium wurde bislang stehts verlängert und läuft nun im Dezember 2019 aus. Sollte diese Vereinbarung nicht vom Allgemeinen Rat der WTO erneuert werden, drohen neue Belastungen und Konflikte im Welthandel. Nicht nur wäre die Verzollung komplex und kontrovers.
Das European Centre for International Political Economy kommt in einer Studie (2019) zu dem Schluss, dass sich die Zölle negativ auf die WTO-Mitglieder auswirken würden. Denn die Kosten, die durch den Rückgang der Wirtschaftsleistung in Folge der Zölle entstünden, wären deutlich größer als der Nutzen durch die zusätzlichen Zolleinnahmen. Der BDI und die internationalen Wirtschaftsverbände wie die International Chamber of Commerce sprechen sich deshalb dafür aus, die Nicht-Verzollung von elektronischen Datenübertragungen unbefristet zu vereinbaren. Dies würde für Wirtschaft und Verbraucher Vertrauen und Planungssicherheit schaffen und Protektionismus einen Riegel vorschieben. Eine solche dauerhafte Lösung sollte zumindest im Rahmen der plurilaterlen E-commerce-Initiative möglich sein.