Aus Krisenmodus in Zukunftsmodus
Die Corona-Pandemie zehrt an der wirtschaftlichen Substanz unseres Landes. Eines ist klar: Die Gesundheit der Menschen hat Vorrang. Doch das Wiederanspringen der Konjunktur braucht Zeit und wirtschaftspolitische Flankierung. Ziel muss es sein, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemiebekämpfung möglichst gering zu halten und den Blick in die Zukunft zu richten. Die deutsche Industrie steht in den Startlöchern, neues Wachstum durch unternehmerische Investitionen und Innovationen zu entfachen.
„Wenn wir jetzt anfangen, können wir für die nächste Epidemie gerüstet sein“, mahnte Bill Gates in seinem mittlerweile berühmten Ted Talk schon 2015 an. Trotz der bekannten Gefahren durch hochansteckende Viren trifft das Coronavirus die Welt unvorbereitet. Auf die rasante Ausbreitung von Covid-19 reagieren die meisten Staaten früher oder später mit dem Shutdown des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Auch wenn die wirtschaftliche Tätigkeit in Deutschland nicht komplett eingeschränkt wurde, zwingt die Corona-Pandemie viele Unternehmen zur Vollbremsung. Mit harten Konsequenzen: die Industrie bricht so stark ein wie noch nie seit der Wiedervereinigung. In Deutschland wird die Wirtschaft dem Internationalen Währungsfonds zufolge im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent schrumpfen. Es kommt nun darauf an, die wirtschaftliche Aktivität wieder in Gang zu bringen. Für die Coronakrise waren wir nicht ausreichend gerüstet – doch auf den Neustart können wir uns vorbereiten.
Vier Phasen des Wiedereinstiegs
Die Rückkehr zu einer neuen Normalität kann nur schrittweise gelingen. Wir unterscheiden vier Phasen, in denen unterschiedliche politische Maßnahmen greifen:
- Eindämmungsphase (2020)
- Wiedereinstiegsphase (2020/21)
- Stabilisierungsphase (2021)
- Erholungsphase (2021/22)
In der Eindämmungsphase sind das öffentliche Leben und die wirtschaftliche Aktivität zumindest teilweise eingeschränkt. Der wirtschaftspolitische Fokus muss darauf liegen, Unternehmen und Beschäftigte vor krisenbedingten Insolvenzen zu schützen. In der Phase des Wiedereinstiegs kommt das öffentliche Leben schrittweise wieder in Gang, der Handel und die industrielle Produktion nehmen langsam wieder Fahrt auf. Die Betriebe müssen effektive Schutzmaßnahmen organisieren, um Neuinfektionen am Arbeitsplatz auszuschließen. Gleichzeitig kämpfen die Unternehmen noch mit deutlichen Behinderungen im grenzüberschreitenden Logistik- und Warenverkehr.
Spätestens mit der Verfügbarkeit eines Impfstoffes und therapeutischen Medikamenten beginnt die Stabilisierungsphase. Die wirtschaftliche Aktivität im Inland läuft dann größtenteils ungestört, international ist aber noch mit vielen Beeinträchtigungen zu rechnen. Das wirtschaftliche Vorkrisenniveau wird vermutlich erst im Laufe des Jahres 2021, möglicherweise erst 2022 erreicht. Einige Branchen kämpfen voraussichtlich mehrere Jahre mit einer Nachfragedelle. Auch die Erholung am Arbeitsmarkt wird sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.
Welche Maßnahmen jetzt nötig sind
Angesichts wieder steigender Infektionszahlen gilt es alles daran zu setzen, weitere Lockdowns zu verhindern. Dieser hätte für die sich langsam wieder erholende deutsche Wirtschaft fatale Auswirkungen. Für das kommende Jahr fehlen wichtige Auftragseingänge, worunter die stark exportabhängige deutsche Industrie besonders leidet. Die Unternehmen sind auf grenzüberschreitende Reisen angewiesen. Reisewarnungen müssen sich noch stärker am lokalen Infektionsgeschehen orientieren, um den Wiederhochlauf grenzüberschreitenden Verkehrs nicht flächendeckend zu hemmen. Dafür muss sich die deutsche EU-Ratspräsidentschaft konsequent einsetzen.
Ohne die europaweite Koordinierung verringern sich die Chancen für eine kraftvolle Erholung der europäischen Volkswirtschaften. Angesichts der enormen Dimension des wirtschaftlichen Einbruchs müssen auch die konjunkturellen Impulse und steuerlichen Entlastungen entsprechend groß ausfallen. Der BDI benennt Sofortmaßnahmen für den Wiedereinstieg und macht 66 konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau. In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Präsidenten der drei größten europäischen Unternehmerverbände – BDI, Confindustria und Medef – ein starkes Signal der Solidarität durch die EU. Es brauche einen umfassenden gesamteuropäischen Plan, der den Grundstein für erfolgreiches Wirtschaften in der Zukunft legt. Denn: nur mit einer starken Industrie lässt sich die Rezession in Deutschland und Europa abfedern.
Die Nachwirkungen der Coronakrise werden die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft noch über viele Jahre begleiten. Einige Unternehmen werden vom Markt verschwinden. Andere werden dank ihrer Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft gestärkt aus der Krise hervorgehen. Es lohnt sich, diese Zeit des Umbruchs trotz ihrer schmerzlichen Begleiterscheinungen auch als Chance zu begreifen – für die Transformation der Wirtschaft durch kreativen Unternehmergeist, digitale Geschäftsmodelle und grüne Investitionen.