Industrie wartet ungeduldig auf Wirtschaftspolitik der Bundesregierung
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) senkt seine Konjunkturprognose für das laufende Jahr und verlangt deshalb von der Bundesregierung schnelleres Handeln. „Die Industrie wartet ungeduldig auf Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, vor allem in der Steuer-, Digitalisierungs- und Energiepolitik“, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf.
„Deutschland muss sich auf den Abschwung der Konjunktur gefasst machen. Deshalb müssen wir jetzt vorsorgen“, unterstrich Kempf. Der BDI revidiert seine BIP-Prognose von zweieinviertel auf zwei Prozent für dieses Jahr. Bei den Warenexporten rechnet der BDI statt eines Zuwachses von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr nun nur noch mit einem Plus von 3,5 Prozent in realer Rechnung.
„Die Hochphase der weltwirtschaftlichen Erholung ist vorbei, die Investitionstätigkeit hat sich abgeflacht“, erklärte Kempf. „Die deutsche Exportstärke und der für ein so großes Land mit knapp 50 Prozent ausgesprochen hohe Exportanteil werden immer stärker bedroht. Für deutsche Unternehmen entstehen Risiken mit fast jeder protektionistischen Maßnahme – selbst wenn sie sich von den USA gegen China richtet“, warnte der BDI-Präsident.
Kempf ging auch mit der Bundesregierung ins Gericht. „Eine Regierung im permanenten Selbstgespräche-Modus, das bedeutet Stillstand. Wir brauchen mehr Tempo in der Politik.“ Bürger und Wirtschaft verlangten nach einem überzeugenden Staat, der für sie da sei und Angebote für die Zukunft mache. „Niemandem nutzt eine Große Koalition, die sich in der neuesten Auflage vor allem mit hausgemachten Krisen zu beschäftigen scheint.“
In der Steuerpolitik warf der BDI-Präsident der Bundesregierung Tatenlosigkeit vor: „Das grenzt fast schon an unterlassene Hilfeleistung.“ Deutschland entwickele sich vom Hoch- zum Höchststeuerland, während Regierungen weltweit – in den USA, aber auch im Vereinigten Königreich und in Frankreich – die steuerlichen Rahmenbedingungen zu verbessern suchten.
Kempf verlangte mehr Ehrgeiz bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlags, auch um die hohe Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland zu senken: „Wir fordern noch in dieser Legislaturperiode für alle Unternehmen den Einstieg in den Ausstieg aus dem Soli.“ Ein Lichtblick sei die steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung, die Anfang Januar 2020 in Kraft treten soll.
Für den BDI-Präsidenten ist der Netzausbau die Grundvoraussetzung für die Digitalisierung von Staat und Gesellschaft, für Industrie 4.0 und künstliche Intelligenz. „Bis 2025 müssen Gigabit-Infrastrukturen im Fest- und Mobilfunknetz für alle Unternehmen, privaten Haushalte und entlang der Verkehrswege verfügbar sein“, sagte Kempf. Dies gelte auch für die gut zwei Drittel aller Industriearbeitsplätze, die sich auf dem Land befinden. Beim Thema 5G dürfe es nicht zu Verzögerungen bei der Frequenzversteigerung kommen: „Die Politik muss gemeinsam mit Netzbetreibern und Anwenderindustrien zügig konkrete Lösungskonzepte für eine weitgehende Versorgung liefern.“
In der Energie- und Klimapolitik warnte der BDI-Präsident vor einem dramatischen Rückstand im Netzausbau und einem kontinuierlichen Anstieg der Stromkosten. „Völlig außer Frage steht, wie wichtig mehr politisches Handeln und stärkere Förderung bei der energetischen Gebäudesanierung sind. Hier muss die Bundesregierung schnellstens einen wirksamen Impuls setzen.“
Der BDI-Präsident sprach sich in Deutschland und Europa für eine mutige, vorwärts gerichtete Politik aus, die Innovationskraft und Weltoffenheit verteidigt und ausbaut. „In unserer Gesellschaft darf Fremdenhass keinen Platz haben.“ Ein angeblich heimatliebender Nationalismus, der gegen Zuwanderung und Freihandel mobilisiere, sei falsch und eine Gefahr für das auf Offenheit basierende Geschäftsmodell der Industrie. „Investitionen ausländischer Unternehmen und die Integration von Fachkräften aus anderen Ländern tragen in Deutschland erheblich zu Wohlstand und Arbeitsplätzen bei“, so Kempf.