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Investitionsabkommen zwischen der EU und China – Was gewinnt die deutsche Industrie?

Es war zum Jahresende 2020 eine Nachricht, mit der kaum noch gerechnet worden war: Die EU und China verständigten sich auf Kernpunkte zum Comprehensive Agreement on Investment (CAI) zwischen den beiden Handelspartnern. Damit kamen die seit 2013 dauernden Verhandlungen vorerst zu einem Abschluss. Vorerst, weil der Bereich des Investitionsschutzes zunächst zurückgestellt wurde und in zukünftigen Verhandlungen aufgegriffen werden muss.

Genauso überraschend wie die Einigung zwischen der EU und China auf das Investitionsabkommen CAI ist der Prozess der Ratifizierung nur vier Monate später ins Stocken geraten. Die Europäische Kommission verweist mittlerweile deutlich auf die schwierigen Bedingungen. Ein weiterhin zügiges Voranschreiten wird in Brüssel als unwahrscheinlich erachtet.

Hoffnung auf baldiges Inkrafttreten gedämpft

Während die technischen Schritte der juristischen Prüfung und der Übersetzung des Textes in alle Amtssprachen der Europäischen Union weiter fortgeführt werden, dürften die politischen Schritte – Zustimmung durch den Europäischen Rat und Ratifizierung durch das Europäische Parlament – deutlich schwieriger werden. Der schwierigste Schritt wird wohl die Ratifizierung des Abkommens werden.

Vor allem das als sehr schwach empfundene Zugeständnis von chinesischer Seite, die Annahme der ILO-Konventionen zu Zwangsarbeit eigenständig voranzutreiben, stößt auf große Kritik. Hinzu kommen die aktuellen Ereignisse zu Xinjiang-Fragen und den diesbezüglichen Sanktionen der EU und Gegensanktionen Chinas. Von den Gegensanktionen Chinas sind u. a. mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments, der Unterausschuss für Menschenrechte im Europäischen Parlament und das Politische und Sicherheitspolitische Komitee des Rats der EU-Außenminister betroffen.

Auch vor diesem Hintergrund mehren sich die Stimmen in den Fraktionen des Europäischen Parlaments, die sich klar gegen die Ratifizierung aussprechen. Mit einer eigentlich für das erste Halbjahr 2022 unter einer französischen Ratspräsidentschaft geplanten Unterzeichnung des Abkommens kann inzwischen fast nicht mehr gerechnet werden.

Aber wie sieht es mit den verhandelten Inhalten des Abkommens aus? Wurden die gesteckten Ziele auf europäischer Seite erreicht? Was bringt das Abkommen für in China investierte europäische Unternehmen und solche, die Zugang zum chinesischen Markt suchen? Und wie sollte die EU weiterverhandeln?

Was kann das Abkommen?

Wichtige Ziele konnten erreicht und im Abkommen festgeschrieben werden. Dazu zählen unter anderem das Verbot von erzwungenem Technologietransfer, Transparenzauflagen für Subventionen im Dienstleistungssektor und die Auflage, dass Staatsunternehmen sich marktkonform verhalten müssen. Das Abkommen kann damit zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für die wirtschaftlichen Beziehungen sowie zur Lösung bestehender Herausforderungen beitragen. Dies begrüßt die deutsche Industrie.

Ebenfalls positiv hervorzuheben ist die Zusage Chinas, den Zugang zu chinesischen Normungsgremien umfassend auch europäischen Unternehmen zu ermöglichen. Es wurde auch ein umfangreiches Nachhaltigkeitskapitel in dem Investitionsabkommen verankert. Hierin bekundet China, an der Übernahme der ILO-Konvention gegen Zwangsarbeit zu arbeiten.

Was kann das Abkommen nicht?

Das CAI löst strukturelle Ungleichgewichte im Marktzugang nicht auf. Das chinesische System der Negativlisten bleibt ebenso bestehen wie zahlreiche Eingriffs- und Blockademöglichkeiten der chinesischen Behörden. Umgekehrt sichert die EU China auf unbestimmte Zeit die Offenheit des eigenen Marktes zu, was als großer Verhandlungserfolg für Peking zu bewerten ist. Die deutsche Industrie fordert deshalb von der Europäischen Kommission, dass der Druck auf China, weitere Zugeständnisse in Richtung Reziprozität und Wettbewerbsgleichheit zu machen, aufrechterhalten bleibt. Die Liste der weiterhin bestehenden Einschränkungen ist immer noch lang.

Was bedeutet es für europäische Wirtschaftsverbände in China?

In Annex II des EU-China Investitionsabkommens CAI ist mit Artikel 9 zu „Non-Profit Organizations” ein Passus enthalten, der aktuell für Unsicherheit sorgt. Es wird befürchtet, mit CAI erhalte die chinesische Führung das Recht, die Leiter von Niederlassungen europäischer NGOs in China zu bestimmen.

In dem Annex werden Politikfelder aufgeführt, die trotz des Investitionsabkommens weiterhin in der Autonomie der Vertragsparteien verbleiben und also nicht im Investitionsabkommen geregelt werden. Der Artikel 9 besagt, dass China sich trotz CAI weiterhin das Recht vorbehält, über Investitionen von ausländischen Investoren in Non-Profit Organisationen zu entscheiden. Gleichzeitig behält China das Recht, eine gesetzliche Regelung zu treffen, die dazu zwingt, das Führungspersonal solcher Non-Profit Organisationen mit chinesischen Staatsbürgern zu besetzen.  

China besteht durch Artikel 9 darauf, die Handlungsspielräume ausländischer NGOs auch weiterhin nach Belieben einengen zu können. Damit setzt China ein weiteres politisches Zeichen, ausländische NGOs mehr und mehr unter chinesische Kontrolle bringen zu wollen. Das würde auch Vertreter des offenen westlichen Gesellschaftsmodells wie Wirtschaftsverbände und politische Stiftungen betreffen. Dies ist nicht im Interesse der Wirtschaft. Bunderegierung und EU müssen hier tätig werden und diese potenzielle Einschränkung verhindern. Der entsprechende Abschnitt sollte aus dem Abkommen gestrichen werden.

CAI als wichtiger Teil einer europäischen Gesamtstrategie

In der Abwägung der Erwartungen an das Abkommen ergibt sich ein gemischtes Bild für die deutsche und europäische Industrie. In den Bereichen Marktzugang und Level Playing Field schreiben die gemachten Zusagen von chinesischer Seite weitgehend einen bereits über die letzten Jahre erreichten Status quo fest. Das CAI würde die Situation für europäische Unternehmen in China in einigen Bereichen verbessern, aber nicht grundlegend ändern.

Mindestens ebenso wichtig wie die einzelnen Bausteine des Abkommens ist die Rolle, die das Abkommen als konstruktiver Teil einer europäischen Gesamtstrategie spielt. Das CAI muss als ein Baustein in einer Reihe von Politikmaßnahmen gesehen werden, die sowohl dem Ausbau der Beziehungen der EU zu China als auch dem Schaffen eines Level Playing Field im unternehmerischen Wettbewerb zugutekommen müssen. Ein solch strategisches Vorgehen hatte der BDI bereits 2019 in seinem Grundsatzpapier zu China gefordert.

Ein Beispiel für weitere Komponenten einer Gesamtstrategie ist der Ausbau unilateraler Instrumente zum Schutz des Wettbewerbs in der EU. Dazu zählen vor allem die Überarbeitung und Finalisierung des Vorschlags für ein „International Procurement Instrument” (IPI), eine europäische Koordinierung bezüglich des Investment Screenings und ein verbessertes Regelwerk zur Bekämpfung ungerechtfertigter staatlicher Subventionen im Wettbewerbsbereich und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge („Foreign Subsidies Instrument”), zu dem die EU-Kommission unlängst einen Gesetzesvorschlag vorgelegt hat.

Um auch in Zukunft substanzielle Zugeständnisse beim Marktzugang und bei Wirtschaftsreformen zu erzielen, sollte die EU den positiven Druck auf China aufrechterhalten. Insgesamt zeigt das CAI, dass der bilaterale Verhandlungsweg nur ein Teil der Lösung im Systemwettbewerb mit China darstellt. Unilaterale Maßnahmen und auch die internationale Abstimmung mit Partnern wie den USA und Japan sind ebenso notwendig.