Wo stehen die transatlantischen Beziehungen?
Nach schwierigen und von Handelskonflikten geprägten Jahren unter Präsident Trump haben sich die transatlantischen Beziehungen seit dem Amtsantritt von US-Präsident Biden im Januar 2021 insgesamt erholt. Im Sommer 2021 gründeten die EU und die USA den EU-US Trade and Technology Council (TTC). Im Mai 2024 fand das sechste und letzte Treffen des TTC auf Ministerebene vor den Wahlen in der EU und den USA statt. Auch wenn der TTC hinter den Erwartungen der Wirtschaft zurückblieb, war er in den vergangenen Jahren ein wichtiges Forum für die transatlantische Wirtschaftszusammenarbeit. Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine schafften es die transatlantischen Partner, sich bei den Sanktionen gegen Russland eng abzustimmen, wobei der TTC eine wichtige Rolle spielte. Der TTC sollte aus Sicht der deutschen Industrie nach den US-Wahlen im November 2024 unbedingt weitergeführt werden. Gleichzeitig wären einige Änderungen, beispielsweise eine bessere Stakeholder-Einbindung, wünschenswert.
Alte Handelskonflikte noch nicht endgültig beigelegt
Bedauernswert ist, dass die Handelskonflikte aus der Trump-Zeit bisher nicht endgültig beigelegt werden konnten. Dazu gehört der Konflikt um die US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte, die 2018 eingeführt wurden und auf welche die EU mit eigenen Zöllen („rebalancing measures“) reagierte. Mit der Biden-Administration einigte sich die EU vorübergehend auf zollfreie länderspezifische Quoten: Nur darüber hinaus gehende Importe aus der EU werden mit Zöllen belegt, die EU verzichtet ihrerseits auf Ausgleichszölle. Zudem vereinbarten die EU und die USA Verhandlungen über ein globales Bündnis zu Überkapazitäten und Dekarbonisierung im Stahl- sowie im Aluminiumsektor („Global Arrangement on Sustainable Steel and Aluminium“, GSA / GASSA), in dessen Rahmen die EU auch die endgültige Abschaffung der US-Zölle und -Quoten fordert. Bisher konnten diese Verhandlungen jedoch nicht abgeschlossen werden. Stattdessen verlängerten die USA ihre Quotenregelung bis Ende Dezember 2025; die EU verlängerte die Aussetzung ihrer Ausgleichsmaßnahmen bis Ende März 2025.
Unter Trump eskalierte zudem der Konflikt um Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing. Beide Seiten erhoben Zölle auf Basis der jeweiligen Streitschlichtungsurteile der WTO – die USA ab Oktober 2019 und die EU ab November 2020. Aktuell haben beide Seiten ihre Zölle bis zum Sommer 2026 ausgesetzt. In der Zwischenzeit wollen sie eine dauerhafte Lösung finden. Bisher wurde jedoch keine solche permanente Einigung verkündet.
Transatlantische Verstimmung im Zuge des IRA
Transatlantische Verstimmungen blieben auch unter der Biden-Administration nicht ganz aus. So sorgte der im August 2022 in den USA verabschiedete „Inflation Reduction Act“ (IRA) teilweise für Ärger auf Seiten der EU, auch wenn die EU die US-Maßnahmen zum Klimaschutz grundsätzlich sehr unterstützt. Doch einige der im IRA enthaltenen Subventionen für grüne Technologien sind an diskriminierende und nicht-WTO-konforme „local content“-Bedingungen geknüpft und benachteiligen so ausländische Hersteller. Ein „Critical Minerals Agreement“ (CMA) zwischen der EU und den USA sollte die Benachteiligung europäischer Hersteller bei der Vergabe von Steuergutschriften für Elektroautos lindern. Allerdings gerieten auch diese Verhandlungen ins Stocken und konnten bisher nicht abgeschlossen werden.
Szenario Trump 2.0
Bei all diesen Verhandlungen – zum GSA, CMA und auch zu Subventionen im Flugzeugbau – ist es unwahrscheinlich, dass sie vor den US-Präsidentschaftswahlen im November 2024 abgeschlossen werden. Die Chance, diese Gespräche zumindest nach den Wahlen weiterzuführen, ist deutlich höher im Fall eines Sieges der Demokraten. Gleiches gilt auch für das Fortbestehen des TTC. Sollte Donald Trump die Wahl gewinnen, stünde dagegen zu befürchten, dass die Konflikte aus seiner zweiten Amtszeit wieder aufflammen. Auch könnte er auf Instrumente zurückgreifen, die er schon in seiner ersten Amtszeit benutzt hat – beispielsweise Abschnitt 232 des Trade Expansion Act of 1962, der die rechtliche Grundlage für die Zölle auf Stahl und Aluminium zum Schutz der nationalen Sicherheit bot. Darüber hinaus hat Trump bereits angekündigt, die US-Zölle im Fall seiner Wiederwahl flächendeckend deutlich erhöhen zu wollen und spielt beispielsweise mit der Idee „reziproker“ Zölle.
… und bei einem Sieg der Demokraten?
Unter einer US-Präsidentin Harris wäre dagegen zu erwarten, dass ihre Administration den handelspolitischen Kurs der Biden-Administration weitgehend fortführt, in welcher der US-Arbeitnehmer im Zentrum steht („worker-centered trade policy“) und die Handelspolitik u.a. als Instrument gesehen wird, um den Klimaschutz voranzutreiben. Die Verhandlung neuer Freihandelsabkommen mit der EU oder anderen Partnern wäre weder bei einem Trump-, noch bei einem Harris-Sieg zu erwarten. Die Biden-Administration verhandelt stattdessen mit einigen Ländern und Regionen über „Partnerschaften“, „Initiativen“ und „Frameworks“. In den USA hat ein genereller Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Handelsliberalisierung, wie sie von den USA über viele Jahrzehnte in der WTO und auch durch den Abschluss zahlreicher Freihandelsabkommen vorangetrieben wurde, wird inzwischen von vielen Vertreterinnen und Vertretern beider großer Parteien kritisch gesehen. Sie habe zur Verlagerung von Industrie-Arbeitsplätzen nach China und in andere Länder geführt, die nun u.a. durch industriepolitische Maßnahmen wieder zurück ins Land geholt werden sollen. So ist auch zu erklären, dass die Biden-Administration die Handelspolitik ihrer Vorgängerregierung in weiten Teilen fortgeführt hat, wenn auch mit diplomatischerem Ton. Sie hat jedoch am harten Vorgehen gegenüber China und an der Kritik an der Welthandelsorganisation (WTO) festgehalten und blockiert auch weiterhin die Neubenennung von Richterposten im Berufungsgremium des WTO-Streitschlichtungsorgans.
Handel und Investitionen als wichtiges Fundament der transatlantischen Beziehungen
Im Gesamtbild haben die Konflikte und Entwicklungen dem transatlantischen Handel und Investitionen keinen Abbruch getan. Der US-Markt zeigte sich in den vergangenen Jahren trotz hoher Leitzinsen äußerst stabil und somit attraktiv für deutsche Unternehmen.
Die USA sind seit 2015 wichtigster Absatzmarkt für deutsche Warenexporte. Deutsche und US-amerikanische Unternehmen gehören zu den bedeutendsten ausländischen Investoren und Arbeitgebern im jeweils anderen Markt. Die Beziehungen zu den USA sind eine wichtige Stütze für Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland. Genauso profitiert die US-Wirtschaft von reibungslosen Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland und der EU. Das zeigt ein Blick auf die Daten zur transatlantischen Wirtschaft:
- 2023 betrug der Wert deutscher Warenexporte in die USA 158 Milliarden Euro und machte damit 9,9 Prozent der Gesamtexporte Deutschlands aus (Statistisches Bundesamt).
- Deutschland importierte 2023 Waren im Wert von 95 Milliarden Euro aus den USA. Bei den Warenimporten waren die USA Deutschlands drittwichtigster Partner nach China und den Niederlanden (Statistisches Bundesamt).
- Im ersten Halbjahr 2024 waren die USA Deutschlands wichtigster Handelspartner für Waren insgesamt und lösten somit China ab.
- Deutschland ist im Warenhandel der siebtgrößte Absatzmarkt für die USA, der viertwichtigste Bezugsmarkt und viertwichtigste Handelspartner insgesamt (nach Mexiko, Kanada und China; U.S. Census Bureau).
- Deutsche Investoren halten in den USA Investitionsbestände in Höhe von 658 Milliarden US-Dollar (Zahlen für 2023, Bureau of Economic Analysis). In Unternehmen mit Beteiligung deutscher Investoren arbeiten in den USA rund 923.600 Arbeitnehmer (Zahlen für 2021 – neuere Zahlen sind noch nicht verfügbar; „Majority-Owned Bank and Nonbank U.S. Affiliates“, „By Country of UBO“, Bureau of Economic Analysis).
- 2023 hielten US-Investoren Investitionsbestände in Höhe von rund 193 Milliarden US-Dollar in Deutschland. Mit diesen Investitionen verbunden waren 2022 Beteiligungen an 1.837 Unternehmen mit 637.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern („Majority-Owned Foreign Affiliates“, Bureau of Economic Analysis). Wenn man nicht das unmittelbare Kapitalgeberland, sondern den Sitz der Konzernspitze betrachtet, waren die USA 2022 der wichtigste ausländische Investor in Deutschland (Bundesbank).
- Die EU und die USA erwirtschafteten 2023 gemeinsam 43 Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes (GDP; World Bank) und standen für 54 Prozent der weltweiten ausländischen Direktinvestitionsbestände (Outward Stock; UNCTAD).
Auch wenn die Wirtschaft eng verflochten ist, sollte der Abbau von Barrieren im transatlantischen Handel weiter vorangetrieben werden, beispielsweise durch regulatorische Zusammenarbeit. Die EU und die USA sollten zudem daran arbeiten, ihre bilateralen Konflikte endgültig beizulegen. Der BDI wird die transatlantische Handelspolitik weiterhin eng begleiten, auch über die im Sommer 2021 gegründete Transatlantic Business Initiative (TBI).