Die Industrie macht Rohstoffe für die Produkte der Zukunft
Empfehlungen für die 20. Legislaturperiode
Deutschlands Stärke beruht darauf, dass deutsche Unternehmen die industrielle Wertschöpfungskette in der gesamten Breite – von der Grundstoff- bis zur High-Tech-Industrie – abdecken. Wenn das Industrieland Deutschland auch weiterhin eine führende Rolle auf den Märkten für Zukunftstechnologien einnehmen und High-Tech-Produkte „Made in Germany“ produzieren möchte, muss die nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen unbedingt gewährleistet sein.
Denn: Ohne Rohstoffe keine Energiewende, kein Bauwesen, keine Elektromobilität, keine Digitalisierung, kein Infrastrukturausbau und keine Industrie 4.0. Diese Projekte dürfen nicht abgekoppelt von der Rohstoffversorgung betrachtet und diskutiert werden. Rohstoffe sind die Grundlage für die Produkte der Zukunft. Zudem werden aus ihnen die Maschinen gefertigt, mit denen Zukunftstechnologien im Industrieland Deutschland hergestellt werden. Neben metallischen Rohstoffen, wie z. B. Lithium, Kobalt, Nickel, Kupfer, Zinn, Indium und Seltenen Erden für Windräder, Photovoltaikanlagen, Batterien oder Elektroautos, bedarf es mineralischer (Bau-)Rohstoffe und hochwertiger Industrieminerale (z. B. Quarzsande, Kaolin, Tone und Flussspat). Mineraldünger und Salz aus heimischem Abbau sichern nachhaltig die europäische Lebensmittelproduktion. Digitalisierung und die grüne Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft werden die Nachfrage nach Rohstoffen und folglich die Preise massiv treiben. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen sowie die Akzeptanz ihrer Gewinnung wird damit zu einer zentralen Herausforderung für Deutschland.
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stellt auch für die Rohstoffpolitik eine Zeitenwende dar. Die Abhängigkeit von vielen mineralischen Rohstoffen aus China ist bereits heute größer als jene bei Erdöl und Erdgas aus Russland. Im Gegensatz zu Öl und Gas gibt es bei mineralischen Rohstoffen jedoch keine nationalen (strategischen) Reserven. Ein Lieferstopp würde die deutsche Industrie folglich sofort und weitreichend treffen. Klassische Marktmechanismen verlieren global bei mineralischen Rohstoffen seit Jahren an Bedeutung. Für die privatwirtschaftlich organisierte deutsche Industrie stellt dies eine zunehmende Herausforderung bei der Diversifizierung von Bezugsquellen dar. Die deutsche Industrie will die wichtigen Zukunftsprojekte und den Wandel dorthin aktiv mitgestalten. Innovationen und technologische Lösungskompetenz sind Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung.
Für die Zukunft der Rohstoffversorgung braucht Deutschland…
Importrohstoffe, heimische Rohstoffe und Recyclingrohstoffe gleichrangig beachten
Industrie 4.0, die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, die Schaffung von benötigtem Wohnraum oder die Energiewende können ohne Rohstoffe nicht gelingen. Basis für die Umsetzung ist dabei eine sichere und nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen. Dafür bedarf es einer ganzheitlichen und strategischen Rohstoffpolitik, die auf drei Säulen basiert: Dem diskriminierungsfreien Zugang zu Rohstoffen aus dem Ausland (Säule 1), der Stärkung der heimischen Rohstoffsicherung sowie -gewinnung (Säule 2) und dem Recycling von Rohstoffen (Säule 3).
Innovative Rohstoffprojekte und Produktionsverfahren fördern
Technologische Innovationen eröffnen neue Möglichkeiten der Rohstoffversorgung. Die Politik muss innovative Rohstoffprojekte und Produktionsverfahren deshalb stärker fördern. Tiefseerohstoffe und Rohstoffe aus dem Weltall könnten perspektivisch einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit und Verringerung der Importabhängigkeit leisten. Durch additive Fertigung (3D-Druck) könnten Unternehmen die Wertschöpfungskette verkürzen und den Ressourceneinsatz verringern.
Maßnahmen der Rohstoffstrategie der Bundesregierung anpassen und zügig umsetzen
Mit der bestehenden Rohstoffstrategie der Bundesregierung aus dem Jahr 2020 hat die Politik die richtigen Akzente gesetzt. Jetzt gilt es die verankerten Maßnahmen vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und neuer geopolitischer Realitäten in enger Zusammenarbeit mit der deutschen Industrie anzupassen und rasch umzusetzen. Ziel muss es sein, im europäischen Verbund und mit befreundeten Partnern integrierte nachhaltige Wertschöpfungsketten von der Förderung über die Weiterverarbeitung bis zur industriellen Fertigung aufzubauen, um Abhängigkeiten zu reduzieren und die eigene Widerstands- und Handlungsfähigkeit zu stärken. Darüber hinaus muss die Politik privatwirtschaftliche Ansätze wie die unternehmenseigene Lagerhaltung stärker unterstützen, indem sie steuerrechtlich die bilanzielle Benachteiligung korrigiert. Eine sichere Rohstoffversorgung muss weiterhin im Mittelpunkt stehen.
Standort Deutschland wettbewerbs-und zukunftsfähig gestalten
Um international wettbewerbsfähig zu sein, bedarf es konkurrenzfähiger Energiepreise, zukunftssicherer Erkundungs- und Förderperspektiven und einer nachhaltigen Transportinfrastruktur in Deutschland. Die Förderung möglichst geschlossener Wertschöpfungsketten stärkt den Standort ebenso wie die Sicherung gut ausgebildeter und hochqualifizierter Fachkräfte.
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und Deutsche Rohstoffagentur (DERA) stärken
DieBGR und die DERA leisten mit richtungsweisenden Studien und Kooperationen einen wichtigen Beitrag zur Rohstoffsicherung. Ihre Informationen und Expertise sind für die deutsche Wirtschaft und die Politik von hoher Bedeutung. Die BGR und die DERA sollten daher durch eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung gestärkt werden, um das Beratungsangebot noch engmaschiger gestalten zu können.
Fairen und diskriminierungsfreien Zugang zu Rohstoffmärkten ermöglichen
Deutschland ist bei vielen Rohstoffen auf den Import angewiesen. Der wachsende Protektionismus durch politische Eingriffe schränkt den fairen Wettbewerb auf den globalen Rohstoffmärkten ein. Ohne freien und fairen Handel kann die deutsche Industrie nicht wettbewerbsfähig im internationalen Markt agieren. Die Politik muss sich daher weiterhin für einen fairen und diskriminierungsfreien Zugang zu Rohstoffen einsetzen. Dazu braucht es verlässliche Handelsregeln und die Einhaltung des Regelwerks der Welthandelsorganisation (WTO).
Politische Verantwortung nicht delegieren
Die Abhängigkeit von rohstoffreichen Ländern nimmt zu. Die deutsche Industrie unternimmt freiwillig große Anstrengungen für einen verantwortungsvollen Rohstoffbezug. Sie beteiligt sich u. a. an der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) für mehr Transparenz im Rohstoffsektor. Die politischen Herausforderungen vor Ort kann die Industrie jedoch nicht allein lösen. Hierfür bedarf es der Politik: Es kann und darf nicht Aufgabe von privaten Unternehmen sein, die politischen Verhältnisse in anderen Ländern zu verändern.
Entwicklungszusammenarbeit mit Rohstoffprojekten verzahnen
Durch eine stärkere Verzahnung der Entwicklungszusammenarbeit mit konkreten Projekten der Rohstoffförderung sollte die Politik Einfluss auf die Rahmenbedingungen vor Ort nehmen und die Einhaltung von Menschenrechten einfordern. So kann der Aufbau einer nachhaltigen Weiterverarbeitungs- und Zulieferindustrie befördert und hohe Standards in der Exploration implementiert werden. Das Instrument der Garantien für Ungebundene Finanzkredite (UFK-Garantien) sollte sich auf die Versorgungssicherheit fokussieren, um den direkten Rohstoffbezug ab der Mine und so die Diversifizierung der Bezugsquellen zu fördern. Regulierungen zur Sorgfaltsplicht in der Lieferkette sollten die Versorgungssicherheit insbesondere bei kritischen Rohstoffen berücksichtigen.
Gemeinsame Anstrengungen auf europäischer Ebene verstärken
Die Politik muss verlässliche Rahmenbedingungen für eine sichere Rohstoffversorgung schaffen. Deutschland und die EU müssen sich stärker für internationale Handelsabkommen, die Einhaltung internationaler Vereinbarungen und den freien Zugang zu Rohstoffen einsetzen. Die hohen Standards der heimischen Rohstoffindustrie dürfen nicht zu höheren Kosten gegenüber außereuropäischen Wettbewerbern mit niedrigeren Standards führen. Es braucht faire Wettbewerbsbedingungen, auch in der Energie- und Klimapolitik.
Rohstoffbewusstsein schaffen und Akzeptanz für Rohstoffgewinnung stärken
Deutschland ist globales Vorbild für eine Rohstoffgewinnung unter höchsten Umwelt-, Sicherheits- und Arbeitsschutzstandards. Durch die heimische Rohstoffgewinnung wird der Bedarf an Importrohstoffen verringert; kurze Lieferwege können bedeutende Mengen an Energie und Emissionen vermeiden. In der Gesellschaft wird die Bedeutung der heimischen Rohstoffförderung jedoch unterschätzt. Es fehlt ein faktenbasiertes Rohstoffbewusstsein. Die Steigerung der Akzeptanz von Rohstoffgewinnung muss politisch unterstützt werden. Die gesetzliche Regulierung sollte so ausgestaltet werden, dass Bodenschätze zum Nutzen der Gesellschaft gehoben werden können.
Langfristige Planungs- und Investitionssicherheit schaffen
Die deutsche Rohstoffwirtschaft braucht Planungs- und Investitionssicherheit. Ein Rohstoff lässt sich nur dort gewinnen, wo er lagert. Aufgrund dieser Standortgebundenheit müssen die dafür notwendigen Flächen systematisch und langfristig raumordnerisch gesichert werden. Entscheidungen zur Rohstoffsicherung dürfen sich dabei nicht nur an kurzfristigen Bedarfsabschätzungen ausrichten, sondern müssen strategischer Natur sein. Nur dann ist eine effiziente, ressourcenschonende und nachhaltige Rohstoffgewinnung durchführbar.
Verfahren effizienter gestalten
Effiziente und transparente Genehmigungsverfahren sind ein wesentlicher Baustein für die rechtssichere Zulassung von neuen Vorhaben bzw. die Erweiterung bestehender Betriebe. Unternehmerisches Handeln und die Bereitschaft zu hohen Investitionen erfordern zwingend einen berechenbaren Rechtsrahmen und zeitlich begrenzte verwaltungs- bzw. genehmigungsrechtliche Umsetzungsfristen. Die Bundesregierung sollte sich daher stärker für effiziente Raumplanungs-, Genehmigungs- und Zulassungsverfahren einsetzen und bürokratische Hürden abbauen. Die im Rahmen der Energiewende diskutierten Maßnahmen hinsichtlich der im Koalitionsvertrag angestrebten Planungsbeschleunigung sollten zwingend uneingeschränkt auch für die heimische Rohstoffindustrie Anwendung finden.
Pilotprojekte für heimische Rohstoffgewinnung unterstützen
Deutschland und Europa sind reich an mineralischen und energetischen Rohstoffen. Eine heimische Förderung könnte bestehende Importabhängigkeiten reduzieren und zur Diversifizierung von Bezugsquellen sowie mehr Nachhaltigkeit aufgrund höchster Standards beitragen. Kurze Transportwege führen zudem zu einem deutlich geringeren CO2-Ausstoß. Die Politik sollte Pilotprojekte für die heimische Förderung von kritischen Rohstoffen auf nationaler und europäischer Ebene realisieren, vor allem mit Blick auf Projekte wie z. B. die Batteriezellfertigung in Deutschland.
Leistungsfähige Recyclingkreisläufe aufbauen
In Produkten verbaute Materialien können mit einer geeigneten Recyclinginfrastruktur wiederverwendet werden. Der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette muss umgehend realisiert werden. Besonders bei Rohstoffen für Zukunftstechnologien können so Abhängigkeiten verringert werden. Notwendig sind geeignete politische Rahmenbedingungen, die eine Verwendung von Recyclingmaterialien und private Investitionen fördern und hierfür Rechts- und Planungssicherheit schaffen.
Optimierung und Erforschung von Recyclingprozessen unterstützen
Bei vielen Rohstoffen gestaltet sich die Rückgewinnung noch als schwierig.In vielen Bereichen ist Forschungsbedarf vorhanden. Dabei sind Ansätze zur besseren Erfassung, Stoffverfolgung und der Sicherstellung der Zuführung zu hochwertigen Recyclingprozessen zu erarbeiten. Zur Optimierung und Erforschung von Recyclingprozessen sollten Pilotprojekte in geeigneten Wirtschaftszweigen in enger Abstimmung mit den Unternehmen stärker gefördert werden.
Potenzial der Kreislaufwirtschaft besser nutzen
Recyclingrohstoffe schonen Primärressourcen, stärken die Versorgungssicherheit, verlagern Wertschöpfung in die eigene Volkswirtschaft und verringern die Importabhängigkeit der deutschen Industrie bei Rohstoffen. Die Erfassung und Einsteuerung in die Recyclingprozesse müssen weiterentwickelt werden. Es bedarf zusätzlicher rohstoffpolitischer Instrumente für das Schließen von Material- und Produktkreisläufen. Geschäftsmodelle und gesetzliche Rahmenbedingungen spielen dabei eine wichtige Rolle. Gegenwärtig wird dabei noch viel Potenzial verschenkt.