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#WirMachen Gesundheit

Die Industrie macht Gesundheit besser

Empfehlungen für die 20. Legislaturperiode

Die industrielle Gesundheitswirtschaft (iGW) ist wie keine andere Industrie in der Lage, Deutschland den Weg aus der wirtschaftlichen Krise zu bahnen. Sie ist eine Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts und als entscheidender Wachstumstreiber und stabiler Jobmotor erfolgskritisch für den Standort Deutschland. Dafür müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche die Innovationskraft der iGW nachhaltig stärken und bestehende Wertschöpfungsketten schützen. Überregulierung und Kostendämpfung wirken dabei kontraproduktiv. Das Ziel ist, Deutschland und Europa als einen weltweit führenden iGW-Standort zu erhalten und auszubauen – im volkswirtschaftlichen, gesellschaftlichen und gesundheitspolitischen Interesse.

Die Politik muss der Gesundheitswirtschaft den Stellenwert einräumen, der der faktischen Bedeutung dieses Industriezweiges für unsere Gesellschaft entspricht. Während der Wert von Fortschritt in anderen Branchen in Deutschland auch wirtschafts- und gesellschaftspolitisch diskutiert wird, steht diese wichtige Diskussion bei der Gesundheitswirtschaft noch am Anfang. Das Verständnis von Gesundheit als „Kostentreiber“ ist überholt: Vielmehr müssen diese Ausgaben als Investitionen in unsere Gesundheit und in unsere Zukunft verstanden werden. Sie schaffen nicht nur einen Mehrwert für das individuelle Wohlergehen und unser gesellschaftliches Zusammenleben, sondern auch für die Gesundheitsbranche als Rückgrat einer stabilen Wirtschaft.

Die iGW ist einem harten internationalen Wettbewerb auf den Weltmärkten ausgesetzt. Sie agiert innovativ und zukunftsgerichtet unter Berücksichtigung der Besonderheiten eines vereinten Europas. Damit die iGW ihre volle Innovationskraft auch weiterhin am Standort Deutschland in Europa entfalten kann, ist eine öffentliche, entschlossene und durch konkrete Maßnahmen deutlich sichtbare Wertschätzung für die Wertschöpfung der Branche unerlässlich. Denn eine stabile Wirtschaft und eine funktionierende Gesundheitsversorgung basieren auf einer intakten industriellen Gesundheitswirtschaft.

Standortfaktor Gesundheitsindustrie – Wie gestalten wir die Schlüsselbranche des 21. Jahrhunderts?

Talk vom 16. Juni 2021 mit BDI-Präsident Siegfried Russwurm und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier

Für die Zukunft der Gesundheitsversorgung braucht Deutschland…

…Versorgungssicherheit

Lieferketten sichern

Die globalisierte Gesundheitswirtschaft braucht politische Unterstützung. Die Herstellung von Arzneimitteln, Diagnostika und Medizinprodukten basiert auf diversifizierten Lieferketten, also auf einer sorgfältigen internationalen Arbeitsteilung. Die jüngste Vergangenheit unterstreicht die enorme Bedeutung einer europäischen Versorgungsautonomie. Die Krisensicherheit kann und muss mit verbesserten Rahmenbedingungen erhöht werden.  Politische Maßnahmen sollen die Infrastruktur vor Ort erhalten, gezielte Kapazitätsreserven schaffen und Lieferbeziehungen zu Herkunftsländern strategisch absichern.

Produktionsbedingungen optimieren

Internationale, diversifizierte Lieferketten sind eine gelebte Realität mit vielen Vorteilen. Stabile, internationale Netzwerke der privaten Gesundheitsforschung und -produktion sind unerlässlich für den medizinischen Fortschritt. Freier Warenverkehr und offene Grenzen ohne Einfuhrzölle bilden dabei eine wichtige Voraussetzung. Die Förderung deutscher und europäischer Produktion gewährleistet eine über die allgemeinen Standards hinausgehende hohe Qualität; gleiches gilt für die finanzielle Entlohnung sowie den Arbeits- und Umweltschutz. Diese Faktoren können in der Zukunft ein wichtiger, differenzierender Wettbewerbsfaktor für die industrielle Gesundheitswirtschaft werden.

Marktzugang erleichtern

Will Deutschland sich alsattraktiver Leitstandort profilieren, so müssen innovative Produkte und Forschungsleistungen der iGW im deutschen Gesundheitssystem zügig zur Anwendung kommen. In der Praxis jedoch stellt der Markteintritt bis hin zum Versuch, eine Abrechenbarkeit zu schaffen, eine große Barriere dar. Notwendig sind praktikable Lösungen, zum Beispiel auch mit niedrigschwelligen, personell gut ausgestatteten Beratungsangeboten für Fragen der Zulassung und Erstattung.

Erstattung innovationsfreundlich ausgestalten

Die Implementierung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) und die Regelung von Abrechnungen (Erstattung/Vergütung) muss kompetent, sachgerecht und adäquat erfolgen, ohne den medizinisch-technischen Fortschritt auszubremsen. Dies muss bei allen gesetzlichen Kostendämpfungen im Gesundheitssektor bedacht werden. Kurzfristige Einsparungen schaden langfristig den Patientinnen und Patienten und hemmen Innovationen.

EU-Regulierung für In-vitro-Diagnostika (IVDR) und Medical Devices (MDR) verbessern

Die beiden neuen EU-Verordnungen MDR und IVDR für die Zulassung von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika stellen die Hersteller vor enorme Herausforderungen, verursacht insbesondere durch Kapazitätsprobleme bei den Benannten Stellen, die für die Zertifizierung zuständig sind. Bei einigen Produkten gerät dadurch sogar die Versorgungssicherheit in Gefahr. Notwendig sind daher rasche und pragmatische Lösungen für die Umsetzungsprobleme. Dazu gehört ein Ausbau der Ressourcen bei den Benannten Stellen und die Beschleunigung der Notifizierung weiterer Benannter Stellen. Die vorhandenen Kapazitäten müssen sinnvoller eingesetzt werden – z. B. könnten Bestandsprodukte unter den bisherigen Vorgaben durch Zertifikate unter Auflagen genehmigt werden. Notwendig sind zudem Ausnahmeregelungen für Nischenprodukte und ausreichende Ressourcen für Innovationen. Falls diese Maßnahmen nicht ausreichen sollten, kann durch eine Verschiebung der Fristen mehr Zeit gewonnen werden, um die Versorgung der Menschen mit sicheren und modernen Medizinprodukten zu gewährleisten.

…Forschung und Innovationen

Studienstandort Deutschland attraktiver machen

Deutschland hat für forschende Unternehmen der Gesundheitswirtschaft einen hohen Stellenwert als Studienstandort. Doch der internationale Wettbewerb ist deutlich schärfer geworden. Diverse Standortfaktoren bestimmen, wo Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen ausgebaut oder neu errichtet werden. Dazu gehören eine gute Infrastruktur und zielgerichtete Förderprogramme, aber auch exzellente Kooperationspartner, wie Hochschulen oder andere Forschungseinrichtungen und hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Zunehmend an Bedeutung gewinnen auch Instrumente zur Förderung wichtiger medizinischer Innovationen auf europäischer Ebene, um sich gemeinsam gegen USA und Asien, insbesondere China, im globalen Wettbewerb zu behaupten.

Klinische Forschung unterstützen

Bürokratische, teure und langwierige Genehmigungsprozesse verringern die Attraktivität eines Standorts z. B. für klinische Studien. Die Dauer von Genehmigungsverfahren und notwendigen Voten der zuständigen Ethikkommissionen sowie der Umfang und Inhalt der vorzulegenden Unterlagen nimmt in Deutschland stetig zu, während sich gleichzeitig die Personalsituation in den Genehmigungs- und Fachbehörden verschlechtert. In der Folge sinkt die Zahl klinischer Arzneimittel-Studien von Pharma-Unternehmen in Deutschland seit Jahren. Wurden im Jahr 2015 von Pharma-Unternehmen hierzulande noch 683 klinische Studien begonnen, waren es 2020 nur noch 542 und damit abermals weniger als im Jahr zuvor (550). An der Pandemie liegt es nicht, wie ein Blick nach Spanien zeigt, weshalb klinische Studien zunehmend in andere europäische Länder und Nicht-EU-Länder abwandern. Dieser Trend muss im Interesse der Zukunftsfähigkeit Deutschlands und einer aktiven Gestaltung der Medizin von Morgen aufgehalten werden. Forschungs- und Entwicklungsprozesse sollten von Beginn an möglichst effizient laufen – gerade für die durch Patentlaufzeit beschränkten Wertschöpfungszeiträume innovativer Arzneimittel und Medizinprodukte.

Innovationsoffenheit stärken

Innovationsoffenheit beschreibt die Einstellung zu Innovationen, den Zugang zu Innovationen sowie die Nachfrage nach Innovationen. Bei einigen dieser Faktoren schneiden z. B. die USA und Singapur wesentlich besser ab als Deutschland. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen gemeinsam eine breite Basis für Innovationen schaffen. Deutschland ist das „Land der Ideen“, ein Hochtechnologieland, und seine Wirtschaftskraft wird maßgeblich durch die Innovationskraft bestimmt. Die iGW kann einen wichtigen Beitrag zur Lösung wesentlicher gesellschaftlicher Fragestellungen leisten. Diese starke Position im internationalen Wettbewerb können wir nur behaupten, wenn wir unter günstigen Rahmenbedingungen weiterhin die Produkte von morgen entwickeln.

Innovations-Check in der Gesetzesfolgenabschätzung einführen

Politische Rahmenbedingungen sollten Innovationen nicht erschweren oder gar verhindern, wie das Beispiel der drohenden Überregulierung bei der MDR / IVDR zeigt (s. o.). Bestehende und künftige Regelungen sollten stattdessen auf ihre Folgen für die Innovationsfähigkeit überprüft werden. Dies gilt auch für mögliche ungünstige Auswirkungen sogenannter „Kostendämpfungsgesetze“, wie Zwangsrabatte bei Arzneimitteln sowie der Fixkostendegressionsabschlag bei Medizinprodukten. Kurzfristige Einsparungen gehen spürbar zu Lasten einer nachhaltigen und modernen Gesundheitsversorgung. Solch ungünstige Effekte und innovationsfeindliche Signale müssen unbedingt von Experten bewertet und minimiert werden. 

Staatliche Förderung ausbauen

Die iGW verändert sich wie kein anderer Wirtschaftsbereich stetig – dies ist für die Branche Antriebskraft und Alleinstellungsmerkmal zugleich. Die FuE-Intensität, also der Anteil der für die Forschung aufgewendeten Ausgaben an der gesamten Bruttowertschöpfung der Branche, liegt bei der iGW mit 15 Prozent deutlich über dem Wert anderer Branchen (zum Vergleich: Maschinenbau 6,9 Prozent; Elektroindustrie 6 Prozent). Eine gute Innovationskultur in der deutschen Industrie insgesamt braucht die Rückendeckung von Politik und Gesellschaft. Das politische Ziel, bis 2025 den BIP-Anteil der FuE-Ausgaben auf 3,5 Prozent zu erhöhen, ist absolut notwendig.

…medizinisch-technischen Fortschritt

Innovationen schneller zur Anwendung bringen

Wissenschaftliche und technische Innovationen verbessern Diagnosen und Therapien. In der Grundlagenforschung sowie der angewandten Forschung ist Deutschland stark. Der Weg zum Patienten in die Versorgung ist jedoch häufig langwierig und kostenintensiv. Neue Erkenntnisse und Know-how aus der Forschung müssen für Patienten und die Gesellschaft schnell nutzbar gemacht werden. Eine erfolgreiche Anwendung im Referenzmarkt Deutschland legt auch die Basis für den Exporterfolg. Bei forschungsintensiven Produkten ist es außerdem wichtig, dass sie nicht nur in Deutschland entwickelt, sondern durch die Ansiedlung künftiger Produktionsketten auch hier hergestellt werden. Nur so kann eine standortgebundene Wertschöpfung etabliert und gleichzeitig sichergestellt werden, dass Deutschland nicht aus dem Netzwerk internationaler Lieferketten verschwindet und damit in ungewollte Abhängigkeiten gerät.

Zugang zum Kapitalmarkt gewährleisten

Erfolgreiche Innovation und Industriegründungen erfordern ausreichende Finanzmittel. Forschung und Entwicklung im Bereich der industriellen Gesundheitswirtschaft sind nicht zuletzt aufgrund der hohen regulatorischen Anforderungen kostenintensiv und aufwendig. Öffentliche Förderprogramme sind wichtig, reichen jedoch nicht aus. Deutschland muss als Investitionsstandort für privates Wagniskapital attraktiver werden. Für eine effektive Finanzierung sind einerseits steuerliche, rechtliche und regulatorische Hürden abzubauen und andererseits Anreize für Investitionen in die iGW am Standort Deutschland zu fördern.

Kooperationen etablieren

Das Spektrum der Forschungsdisziplinen ist in der Gesundheitsindustrie so groß wie kaum anderswo. Neben Medizintechnik, Pharmazie, Biologie, Biotechnologie und Informatik zählen dazu auch medizinische Textilien, Bioökonomie, Robotik, Nanotechnologie, Elektroindustrie, Maschinenbau, Materialforschung u.v.m. Interdisziplinäre Zusammenarbeit wird daher immer wichtiger. Die Kooperationen von Unternehmen, Institutionen der Wissenschaft und klinischen Einrichtungen sollten neben der Beauftragung durch die Industrie (Drittmittel) auch direkt staatlich unterstützt werden. Benötigt wird zudem eine gezielte Förderung von europäischen und deutschen Public Private Partnerships (PPP).

Schutz geistigen Eigentums absichern

Geistiges Eigentum (Intellectual Property, IP) ist die Basis des Erfolgsmodells der forschenden Gesundheitswirtschaft. Ohne Patentschutz gibt es keine Innovationen. Für hohe Investitionen in oft viele Jahre dauernde Entwicklungsprozesse und einen entsprechenden Return on Investment sind angemessene Patentverwertungszeiten, die Nutzung von ergänzenden Schutzzertifikaten und der Unterlagenschutz entscheidend. Die Beibehaltung eines robusten und verlässlichen Schutzes geistiger Eigentumsrechte ist daher absolut unumgänglich. Die Schwächung des Schutzes geistigen Eigentums ist grundsätzlich nicht geeignet, um die Versorgung der Weltbevölkerung mit Impfstoffen, Therapeutika und Diagnostika zu verbessern. Daher spricht sich der BDI gegen eine Ausweitung des TRIPS-Waiver auf Therapeutika und Diagnostika zur Behandlung von COVID-19 aus. Wie schon der WTO-Beschluss zur Lockerung des Patentschutzes für COVID- 19-Impfstoffe ist auch die Entscheidung über die Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Therapeutika und Diagnostika nicht trivial, sondern mit gravierenden Implikationen für die Innovationstätigkeiten der betroffenen Unternehmen und damit für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas verbunden. Der BDI bittet die Bundesregierung um ein klares Bekenntnis zum Schutz des geistigen Eigentums für die Gesundheitswirtschaft am Standort Deutschland in Europa.

…digitale Gesundheitslösungen

Digitalisierung im Gesundheitssystem vorantreiben

Eine digitale Gesundheitsinfrastruktur birgt große Chancen für eine effizientere, individuellere und weiterhin bezahlbare Gesundheitsversorgung. Die dringend erforderliche digitale Umstellung muss schnell und umfassend erfolgen, denn weitere Verzögerungen würden den Standort Deutschland schwächen. Zu den notwendigen Schritten gehört die flächendeckende Etablierung der Elektronischen Patientenakte (ePA) als unverzichtbare Grundlage für die Gesundheitsdatennutzung und die medizinische Forschung. Dafür muss die ePA nutzerfreundlich gestaltet und vom aktuellen Opt-In-Verfahren (aktive Zustimmung erforderlich) auf ein Opt-Out-Verfahren (Widerspruchsverfahren) umgestellt werden. Ergänzend zur ePA sollte das E-Rezept als zentraler Game-Changer für die Versorgungsqualität im deutschen Gesundheitssystem schnellstmöglich und mit verbindlichem Startdatum zur Pflichtanwendung ausgebaut werden. Zudem sind standardisierte Schnittstellen notwendig, um berechtigten Institutionen (z. B. Drittanbietern, Warenwirtschaftssystemen und weiteren Anwendungen) die Anbindung an den Fachdienst der Nationalen Agentur für Digitale Medizin (Gematik) zu ermöglichen.

Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschungszwecke stärken

Die Nutzung von Gesundheitsdaten ist ein zentraler Baustein für eine bessere Versorgung sowie für Forschung und Entwicklung. Die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs ist ein gutes Beispiel dafür, welche elementare Rolle Daten für die industrielle Gesundheitswirtschaft (iGW) bei der beschleunigten Forschung und Entwicklung spielen. Die Möglichkeiten der modernen Medizin werden unnötig limitiert, wenn Daten fehlen. Folgerichtig braucht das deutsche Gesundheitssystem mehr Vernetzung und funktionierende Schnittstellen, um strukturierte, qualitativ hochwertige Datensätze verknüpfen zu können. Gleichzeitig darf der Datenschutz keine Bremse für medizinische Innovationen sein. Vielmehr benötigen wir eine stärkere pandemieunabhängige und gesellschaftliche Akzeptanz für die Nutzung von Gesundheitsdaten.

Zugang der privaten Forschung zu anonymisierten oder pseudonymisierten Gesundheitsdaten ermöglichen

Eine hochqualifizierte Gesundheitsforschung stärkt die Resilienz unseres Gesundheitssystems. Diese Forschung findet jedoch nicht nur an Hochschulen und bei wissenschaftlichen Institutionen statt, sondern vor allem in der industriellen Gesundheitswirtschaft. Dort werden die Produkte entwickelt, die den medizinisch-technischen Fortschritt vorantreiben. Ausdrücklich notwendig ist es daher, auch die Rahmenbedingungen für den Zugang der Industrie zu Gesundheitsdaten zu verbessern. Dazu gehört auch ein gleichberechtigter Zugang privater Forschung zu Routinedaten des Gesundheitswesens über das Forschungsdatenzentrum (§ 303 d SGB V) sowie zu Registerdaten. Erkenntnisse aus Daten werden von der iGW verantwortungsvoll und zügig in die Anwendung, also zu Patientinnen und Patienten gebracht und tragen dadurch zu einer signifikanten Verbesserung in der Versorgung bei.

Einheitlichen Rechtsrahmen für Gesundheitsdaten umsetzen

Bund und Länder sollten sich gemeinsam für eine Harmonisierung der Regelungen zur Nutzung von Gesundheitsdaten zu wissenschaftlichen Zwecken engagieren. Zu den größten Hemmnissen der datengetriebenen Medizin zählen Rechtsunsicherheit sowie die Vereinbarkeit von Datenschutz und Datennutzung. Ein Flickenteppich an nationalen Datenschutzregeln, die uneinheitliche Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und eine lückenhafte Dateninfrastruktur kommen erschwerend hinzu. Übergreifendes Ziel muss eine einheitliche Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Deutschland und Europa sein.

Einheitlichen europäischen Gesundheitsdatenraum schaffen

Die intelligente Nutzung und Vernetzung von Gesundheitsdaten auf nationaler wie europäischer Ebene ist essenziell für den medizinischen Fortschritt und eine bessere Versorgung. Eine bestmögliche Gesundheitsversorgung, zum Beispiel bei seltenen Erkrankungen, sowie eine effiziente Forschung und Entwicklung erfordern in Europa strukturell einen gemeinsamen Ansatz für die Nutzung von Gesundheitsdaten. Neben dem Aufbau einer technischen, kollaborativen Infrastruktur für den Datenaustausch benötigt ein europäischer Gesundheitsdatenraum (Euro-pean Health Data Space, EHDS) auch eine ökonomische Infrastruktur, die einen fairen und brei-ten Datenzugang zu wirtschaftlich angemessenen Konditionen schafft. Wichtig ist, den Ausbau funktionierender Schnittstellen auf multilateraler Ebene voranzutreiben, um strukturierte, qualita-tiv hochwertige Datensätze zu verknüpfen. 

…eine Strategie zu globaler Gesundheit

Deutschlands Rolle im Bereich Globaler Gesundheit ausbauen

Deutschlands Engagement für die Globale Gesundheit hat sich besonders im Zusammenhang mit der Covid- 19-Pandemie gezeigt. Deutschland ist während der Pandemie zum größten Geldgeber für die WHO geworden, mit rund 900 Millionen Euro für den Zweijahreshaushalt 2020/2021, was ein sehr wichtiger Schritt ist. Für die globale Gesundheitssicherheit sind funktionierende internationale Gesundheitsorganisationen, insbesondere eine starke WHO, von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus war die deutsche Regierung eine treibende Kraft hinter mehreren wichtigen Initiativen zur Bekämpfung der Krise. Dazu gehören die Unterstützung des wichtigsten internationalen Instruments zur Bekämpfung der Krise, des The Access to COVID-19 Tools (ACT) Accelerator, und der Mechanismus für die internationale Verteilung von Impfstoffen, Covax. Zudem wurde im September das von der deutschen Regierung finanzierte WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence in Berlin eröffnet. Deutschland wird international als Vorbild und führend auf dem Gebiet der Globalen Gesundheit wahrgenommen. Diese Führungsrolle sollte inhaltlich, gestalterisch und politisch noch stärker ausgebaut werden. Darüber hinaus ist es notwendig, dass Gesundheit konsequent und nachhaltig mit hoher Priorität in der Agenda multilateraler Foren wie G7 und G20 sowie in der EU verankert wird.

Gesundheitssysteme weltweit stärken

Eine zentrale Lehre aus den Folgen der weltweiten Covid-19-Pandemie ist, dass Gesundheit in engem Zusammenhang mit anderen Bereichen wie Klimawandel, Ernährung, Bildung, Versorgungsketten sowie politischer und wirtschaftlicher Stabilität gesehen werden muss. Ausreichend finanzierte und widerstandsfähige Gesundheitssysteme und der diskriminierungsfreie Zugang zur Gesundheitsversorgung sind erforderlich, um zukünftige Gesundheitskrisen vorbeugen und bewältigen zu können.

Sicherstellung des Schutzes der Rechte an geistigem Eigentum (IPR)

In der Debatte um die Verteilung von Covid-19 Impfstoffen sollte sich Deutschland für einen ausreichenden Schutz der Rechte an geistigem Eigentum im Rahmen der TRIPS-Ausnahmeregelung der WTO einsetzen.

One-Health-Ansatz fördern

Der Fokus der Bundesregierung im Rahmen der G7 auf Themen wie Klima und Gesundheit, den One-Health-Ansatz und AMR ist wichtig und sollte weiterverfolgt werden.

Gesundheit als Kooperationsfeld  in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) stärken

Der Gesundheitssektor ist prädestiniert für eine engere bilaterale und regionale Zusammenarbeit und sollte als ein echter Schwerpunkt in der deutschen EZ ausgebaut werden. Die Zusammenarbeit mit Partnerländern zu Gesundheitsthemen sollte wieder deutlich ausgebaut werden. Gleichzeitig empfiehlt sich ein weiterer Ausbau des multilateralen Engagements der Bundesregierung. Klar in den Fokus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gehört dabei die Stärkung der Gesundheitssysteme.

Exportaktivitäten des Wachstumsmotors Gesundheitswirtschaft gezielt unterstützen

Die Gesundheitswirtschaft ist eine der wichtigsten und innovativsten Branchen, sichert und schafft in hohem Maß Arbeitsplätze und bildet mit rund 116,3 Mrd. Euro einen Stützpfeiler der deutschen Exportleistung. Für Stabilität und ein weiteres Wachstum des Sektors muss die Politik ihr bestehendes Engagement ausbauen. Notwendig sind vor allem auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fokussierte Maßnahmen zur Markterschließung.

Kohärenten politischen Ansatz gemäß „Health in all Policies“ etablieren

Die aktuelle Pandemie zeigt auf, wie intensiv und unauflösbar Gesundheit mit allen anderen Lebens- und Wirtschaftsbereichen verknüpft ist. Für eine konstruktive soziale und ökonomische Weiterentwicklung sowie für einen möglichst wirksamen Beitrag Deutschlands zu globaler Gesundheit ist ein über die relevanten Ressorts der Bundesregierung hinweg abgestimmter Ansatz („Health in all Policies“) absolut entscheidend. Unter Anerkennung der bedeutsamen Rolle der Gesundheitswirtschaft sollte diesbezüglich ein nachhaltiger, inhaltlich fokussierter Dialog zwischen Politik und Wirtschaft geführt werden.

…smarte Gesundheitspolitik mit Weitblick

Wirtschaftspolitisches Klima verbessern

De facto schafft die iGW eine essenzielle Grundlage für eine gesunde Bevölkerung und eine wachsende Wirtschaft. Mithilfe einer aktiven wirtschaftspolitischen Begleitung kann sich die Gesundheitsindustrie als hochinnovative, spitzentechnologiebasierte und von einem enorm hohen Exportpotenzial geprägten Branche ideal entfalten. Dazu gehört eine konkrete Unterstützung, indem verlässliche, ressortübergreifend abgestimmte Rahmenbedingungen Planungssicherheit geben und die Innovationskraft fördern.  Grundvoraussetzung ist die politische Anerkennung der Gesundheitswirtschaft als Leitbranche, verbunden mit einer politischen Priorisierung und entsprechenden Budgetierung. Dialogformate auf Landes- sowie Bundesebene müssen erweitert und fortgeführt werden. Der jüngst initiierte BMWK Round Table Gesundheitswirtschaft ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Bundesregierung die Bedeutung der iGW erkannt hat und über Instrumente der Standortförderung aktiv im Rahmen eines Dialogs nachdenkt.

Handelsabkommen spezifizieren

Zunehmende Spannungen, die Androhung und das tatsächliche Auflegen immer neuer Zölle belasten nicht nur zwischenstaatliche Beziehungen, sondern auch den internationalen Warenverkehr. Entscheidend sind Warenverkehrsfreiheit, offene Grenzen und Solidarität. Europa muss eine Lösung finden, die auf gute Standortbedingungen statt auf Protektionismus setzt. In zukünftigen Freihandelsabkommen mit Ländern außerhalb Europas sollten explizite Kapitel zur Erbringung von Leistungen in der Gesundheitswirtschaft formuliert und die Einhaltung globaler Standards festgeschrieben werden. Handelsabkommen sollten zudem auch die Standards für klinische Studien und Marktzulassung sowie Regelungen zu Digital Health und Interoperabilität festschreiben.

Höhe der Steuern und Ausgaben beschränken

In Deutschland gab es seit über zwölf Jahren weder nennenswerte Steuerstrukturreformen noch Entlastungen für die Unternehmen. Im internationalen Vergleich hat sich Deutschland mittlerweile mit einer Gesamtsteuerbelastung für Unternehmen i. H. v. rund 31 Prozent zum Höchststeuerland entwickelt. Zahlreiche EU-Staaten haben mittlerweile den Steuersatz für die Unternehmensbesteuerung auf 25 Prozent und darunter gesenkt; im EU-Durchschnitt liegt die tarifliche Belastung von Kapitalgesellschaften 2020 bei 20,7 Prozent des Gewinns.Damit ist Deutschland im internationalen Standortwettbewerb nicht mehr zukunftsfähig. Ein Konzept für eine zeitgemäße Steuerpolitik ist dringend erforderlich. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um mittelständische Familienunternehmen oder um börsennotierte Konzerne handelt. Der erfolgte Einstieg in eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung (Forschungszulage) ist ein wichtiger Schritt, um die Rahmenbedingungen für mehr Forschung, Entwicklung und Innovation in Deutschland zu verbessern – dies muss aber durch Deckelanhebung oder gar Deckelaufhebung weiter ausgebaut werden.

Arbeitskräfte sichern

Bereits jetzt können in der Gesundheitswirtschaft viele Stellen nicht adäquat besetzt werden. Die fortschreitende Spezialisierung in Prävention, Diagnose, Therapie und Rehabilitation machen eine bessere Aus- und Weiterbildung der Ärzte, Pharmazeuten, Naturwissenschaftler und Techniker in der Gesundheitsversorgung sowie der weiteren Angehörigen der Pflege- und Heilberufe auf dem jeweils wissenschaftlichen Höchststand notwendig. Dabei könnten neue Berufsbilder, die den heutigen Anforderungen gerecht werden, hilfreich sein. Idealerweise sollte die entsprechende Ausbildung schon in den Schulen beginnen. Ergänzend muss das medizinische Personal digital geschult werden, um die neuen Technologien am Patienten anwenden zu können.

Energiekosten stabilisieren

Energiekosten sind in den vergangenen Jahren ein immer stärkerer Standortfaktor geworden. Parallel zum ambitionierten Ziel der Energiewende wurde und wird die europäische Industrie durch steigende Energiekosten vor große Herausforderungen gestellt. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist die Energieversorgungssicherheit Europas konkret bedroht. Die hohen Energiekosten schlagen auf die Herstellerpreise durch und treffen die iGW besonders hart, denn sie kann die gestiegenen Bezugskosten aufgrund des regulierten Gesundheitsmarktes nicht weitergeben. Angesichts der sich zuspitzenden Energienotlage müssen koordinierte Handlungsprioritäten auf bundespolitischer und auch auf EU-Ebene ergriffen werden. Gleichzeitig sind Vorkehrungen für eventuelle Gasknappheiten notwendig. Als Branche, die Verantwortung für gegenwärtige und folgende Generationen übernimmt, braucht die iGW eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik aus einem Guss, die die realen Gegebenheiten anerkennt und berücksichtigt.

Covid-19 und globale Wertschöpfungsketten in der industriellen Gesundheitswirtschaft

Mit einer leistungsfähigen Gesundheitswirtschaft hat Deutschland die Coronakrise bisher sehr gut bewältigt. Doch als Apotheke der Welt verliert Deutschland an Boden. Die Krisenanfälligkeit muss weiter gesenkt, die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Abschottung ist keine Option, denn die Globalisierung geht trotz Corona weiter.

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