Die Industrie macht Standortpolitik durch Steuerpolitik
Empfehlungen für die 20. Legislaturperiode
Deutschland braucht eine zukunftsorientierte Ausrichtung in der Steuer- und Finanzpolitik, um die aktuellen Herausforderungen in Krisenzeiten zu bewältigen. Dabei gilt es, die richtigen Lösungen zu finden, um den hohen Energiekosten und den Folgen der Inflationsentwicklung zu begegnen. Ebenso ist Deutschland gefordert, für die Wirtschaft gute steuerliche Rahmenbedingungen sicherzustellen, damit diese die krisenbedingten Folgen, den Klimawandel und die Transformation der Wirtschaft bewältigen kann. Steuererhöhungen oder neue steuerliche Belastungen schaden dem Standort Deutschland. Gefordert sind nun eine zukunftsfähige Finanzpolitik, steuerliche Maßnahmen zur Entlastung von den hohen Energiepreisen, Investitionsanreize und moderne Unternehmenssteuern, die Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland sicherstellen.
Zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes in Krisenzeiten braucht Deutschland
- eine zukunftsfähige Finanzpolitik,die tragfähige öffentliche Haushalte ermöglicht und die Einhaltung der Schuldenbremse sichert;
- ein modernes Steuersystem,das die Einkommen der Bürger stabilisiert und Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in Deutschland fördert;
- ein nachhaltiges Steuersystem, das Anreize für Zukunftsinvestitionen v. a. in die notwendige Energiewende und grüne Technologien schafft;
- ein globales Steuersystem, das die internationale Tätigkeit von Unternehmen und Mitarbeitenden unterstützt;
- ein digitales Steuersystem, durch das eine vollständige Digitalisierung des Steuerverfahrens erreicht wird.
Für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort braucht Deutschland…
Staatliche Schuldenquote zurückführen und Schuldenbremse einhalten
Die staatliche Schuldenquote muss zurückgeführt und die Schuldenbremse ab 2023 wieder eingehalten werden. Der jährliche Verschuldungsspielraum des Bundes i. H. v. 0,35 Prozent des BIP (rd. 12,5 Mrd. Euro) sollte für notwendige Investitionen genutzt werden.
Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen
Der Solidaritätszuschlag ist als Ergänzungsabgabe nach dem Auslaufen des Solidarpakets II verfassungswidrig und sollte abgeschafft werden. Neue krisenbedingte Ergänzungssteuern sollten nicht unter dem Deckmantel Solidaritätszuschlag versteckt werden.
Kommunalfinanzierung krisenfest reformieren
Die aktuellen Krisenzeiten zeigen wiederholt die Schwächen der Gemeindefinanzierung und die Notwendigkeit einer Reform der Kommunalfinanzen. Ziel ist eine moderne Gemeindefinanzierung, die den Anforderungen eines modernen Unternehmenssteuerrechts und dem Finanzbedarf der Kommunen gleichermaßen gerecht wird.
Kalte Progression vollständig abbauen
Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen müssen von der kalten Progression entlastet werden und einen vollständigen Ausgleich für „heimliche Steuererhöhungen“ aufgrund der Inflation erhalten.
Einbehaltene Gewinne von Personenunternehmen entlasten (Paragraf 34a EStG)
Unternehmensgewinne, die für Zukunftsinvestitionen reinvestiert werden, müssen konsequent entlastet werden. Die sogenannte Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) ist nicht praxistauglich und muss reformiert werden.
Optionsmodell nachbessern
Personengesellschaften haben seit 2021 ein Wahlrecht, sich wie Kapitalgesellschaften besteuern zu lassen (sog. „Optionsmodell“). Es bedarf dringender gesetzlicher Nachbesserungen, um die notwendige Akzeptanz und Praktikabilität einer solchen Optionsbesteuerung zu schaffen.
Stammhausfunktionen der Unternehmen stärken
Notwendige Umstrukturierungen und Finanzierungen der Unternehmen müssen erleichtert werden, um deutsche Stammhausunternehmen im Inland zu stärken.
Wagniskapital für Start-ups fördern
Deutschland muss als Investitionsstandort für privates Wagniskapital attraktiver werden. Dazu gehört, steuerliche Hürden abzubauen und die Mitarbeiterkapitalbeteiligung weiter zu verbessern.
Innovationsprämie einführen
Zur Förderung von Investitionen in den Klimaschutz und Digitalisierung muss die angekündigte Investitionsprämie zeitnah umgesetzt werden. Außerdem sollte die degressive AfA dauerhaft fortbestehen und die steuerliche Forschungszulage erweitert werden, damit Deutschland hierbei international konkurrenzfähig ist.
Anreize für Investitionen in die energetische Gebäudesanierung schaffen
Für die Errichtung von Nichtwohngebäuden sollten ebenfalls stärkere finanzielle Anreize gesetzt und steuerliche Hemmnisse beseitigt werden.
Anreize für die Nutzung klimafreundlicher Mobilität schaffen
Die steuerlichen Rahmenbedingungen müssen verbessert werden, um die Nutzung von emissionsarmen Verkehrsmitteln und Sharing-Angeboten zu unterstützen(z. B. durch steuerliche Erleichterungen bei Mobilitätsbudgets für Beschäftigte in Form von praxisgerechten Lohnsteuer-Pauschalierungen).
Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß reduzieren
Die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft muss auch über die Energiebesteuerung unterstützt werden. Das deutsche Energiesteuersystem sollte an die europäischen Vorgaben der Energiesteuerrichtlinie angepasst werden und nur eine geringe Besteuerung von klimaneutralen Energieträgern und Strom vorsehen. Dafür sollte der Stromsteuertarif von 20,50 Euro/MWh auf den EU-Mindeststeuersatz von 0,50 Euro/MWh reduziert werden, um die anstehende Elektrifizierung der Produktionsprozesse durch wettbewerbsfähige Strompreise zu unterstützen.
Umsetzung der globalen Mindeststeuer vereinfachen
Die globale Mindeststeuer ist hochkomplex. Um den enormen Zusatzaufwand für die deutschen Unternehmen zu begrenzen, sollten nur Fälle von echter Relevanz erfasst werden. Technische Mängel müssen beseitigt und eine praxistaugliche, nationale Umsetzung in Deutschland sichergestellt werden.
Niedrigsteuergrenze bei der Hinzurechnungsbesteuerung anpassen
Mit der Einführung der Mindeststeuer ist eine gleichzeitige Anpassung der Niedrigsteuergrenze auf 15 Prozent zwingend geboten, um den unverhältnismäßigen Bürokratieaufwand hierbei zu beseitigen und die Hinzurechnungsbesteuerung auf tatsächliche Missbrauchsfälle zu beschränken.
Mobiles Arbeiten im Ausland erleichtern
Steuerliche Hürden beseitigen und Rechtssicherheit schaffen: Keine unbeabsichtigte Begründung von Betriebsstätten im Ausland bei bis zu 120 Tätigkeitstagen beziehungsweise 183 Aufenthaltstagen im Ausland und klare Regeln bei langfristiger mobiler Arbeit im Ausland.
Steuerliche Compliance-Pflichten der Unternehmen reduzieren
In den letzten zehn Jahren wurden zahlreiche neue Compliance-Pflichten der Unternehmen geschaffen, die u. a. auch aus internationalen oder europäischen Vorgaben resultieren, wie zum Beispiel das CbC-Reporting oder die Anzeigepflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen. Diese Vorgaben sollten evaluiert und mit dem Ziel eines Bürokratieabbaus vereinheitlicht und vereinfacht werden.
Vollständig digitalen Steuerbescheid schaffen
In Deutschland besteht erheblicher Nachholbedarf bei der Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens. Für alle Steuerarten muss ein rein digitales Verfahren geschaffen werden, sodass auf Papierbelege und -bescheide verzichtet werden kann. Soweit Daten bei den Behörden bereits vorhanden sind, sollten sie nicht erneut von den Steuerpflichtigen abgefragt werden (z. B. vorausgefüllte Steuererklärung bei der Grundsteuer).
Digitalisierung der Betriebsprüfung vorantreiben
Bei der steuerlichen Betriebsprüfung muss die digitale Kommunikation ausgeweitet und der digitale Datenaustausch weiter ausgebaut und standardisiert werden (z. B. mittels Schnittstellen und cloudbasierten Datenräumen). Ziel ist eine notwendige Verbesserung der Effizienz und eine Beschleunigung der Betriebsprüfung. Dazu sind zugleich weitergehende verfahrensrechtliche Verbesserungen erforderlich. Um zu kooperativen und prozessorientierten Prüfungsverfahren zu gelangen, sollten auch betriebliche Steuerkontrollsysteme (Tax CMS) miteinbezogen werden.
Einführung eines elektronischen Meldesystems für Rechnungen
Zur Missbrauchsbekämpfung bei der Umsatzsteuer sollte in Deutschland ein elektronisches Meldesystem für Rechnungen eingeführt werden. Dies muss jedoch mit der geplanten europäischen Lösung harmonisiert werden. Für die Unternehmen sind hierbei eine Beschränkung der Meldepflichten auf mehrwertsteuerliche Pflichtbestandteile, die Beibehaltung bestehender Rechnungssysteme sowie eine besondere Unterstützung für KMU notwendig.