Der industrielle Mittelstand macht Deutschland erfolgreich
Empfehlungen für die 20. Legislaturperiode
Ob eigenständig aktiv oder eingebunden in leistungsfähige, branchenübergreifende Wertschöpfungsverbünde: Der Mittelstand mit seinen vielen Familienunternehmen bietet innovative Systeme, vielseitige und nachhaltige Produkte, passende Dienstleistungen und Lösungen, die weltweit nachgefragt, doch meist in Deutschland erdacht, entwickelt, umgesetzt und zuerst eingesetzt werden.
Mittelstand und Familienunternehmen aller Größen schaffen attraktive Arbeitsplätze und gute Ausbildung – nicht zuletzt in ländlichen Regionen. Sie übernehmen Verantwortung weit über das Unternehmen und dessen Belegschaft hinaus. Sie sichern Aufkommen für das Steuersystem und die Sozialversicherungen. Vor Ort engagieren sie sich für kulturelle, sportliche und gesellschaftliche Angebote. Sie tragen zu einheitlicheren Lebensbedingungen, gesellschaftlichem Zusammenhalt und politischer Toleranz bei.
Nach Größe und Branchen ausdifferenzierte Unternehmensstrukturen bleiben ein Garant für die dynamischen Wettbewerbsvorteile der deutschen Industrie sowie für die Resilienz der Sozialen Marktwirtschaft als Modell für eine erfolgreiche Wirtschaft und für eine lebenswerte Gesellschaft. Gleichzeitig stehen der standorttreue Mittelstand und die Familienunternehmen im internationalen Wettbewerb und leiden besonders unter allein hausgemachten Belastungen.
Für einen zukunftsfähigen Mittelstand braucht Deutschland…
Energieversorgung sichern und Energiekosten senken
Die aktuell sehr hohen Energiekosten gefährden Produktion, Investition und Arbeitsplätze in Deutschland. Wachsende Fragen an die Versorgungssicherheit in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine erschweren die Planungen für Unternehmen. In der „Zeitenwende“ zählt jede Kilowattstunde und wirksame Abstimmung in Europa. Mit Pragmatismus gilt es, Unternehmen aller Größen, Branchen und Regionen durch die aktuelle Energiekrise zu bringen – ohne strukturelle Verwerfungen und schwere Schäden. Perspektivisch braucht es planbare Preise und eine sichere Versorgung mit Energie sowie eine flächendeckende, wettbewerbsfähige Verfügbarkeit von Wasserstoff, damit die Transformation hin zur Klimaneutralität gelingen kann.
Steuersystem modernisieren
Der Wirtschaftsstandort braucht eine zukunftsorientierte finanz- und steuerpolitische Strategie. Gefordert sind steuerliche Maßnahmen zur Entlastung von hohen Energiepreisen, Anreize für Innovationen und Klimaschutz sowie moderne Unternehmenssteuern, die Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland sicherstellen. Dazu gehört auch, die Kommunalfinanzierung krisenfest zu reformieren. Konkreter gilt es beispielsweise, einbehaltene Gewinne von Personenunternehmen zu entlasten und das Optionsmodell nachzubessern. Allen hilft zudem, wenn übermäßige Steuerbürokratie abgebaut und digitale Möglichkeiten konsequenter genutzt werden – etwa bei aufwändigen Betriebsprüfungen. Wer Innovationen am Standort stützen will, sollte die Forschungszulage vereinfachen und erweitern sowie privatem Wagniskapital mehr Einsatzmöglichkeiten bieten.
Beitragssätze zur Sozialversicherung dauerhaft begrenzen
Auf Basis aktuellen Rechts ist bis 2040 ein Anstieg des Beitragssatzes auf fast 50 Prozent zu erwarten. Das gefährdet internationale Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Entwicklung, wirkt ungünstig auf Arbeitsplätze und Investitionen vor Ort und setzt sozialen Zusammenhalt und Generationengerechtigkeit unter Druck. Es gilt, den Beitragssatz dauerhaft auf unter 40 Prozent zu begrenzen.
Regelaltersgrenze absehbar anheben
Es war richtig und notwendig, die gesetzliche Regelaltersgrenze schrittweise bis 2029 auf 67 Jahre anzuheben. Eine höhere Regelaltersgrenze hilft, den Rückgang des Arbeitskräftepotenzials zu begrenzen. Wenn die Lebenserwartung erfreulicherweise steigt, muss auch das Renteneintrittsalter – nicht zuletzt mit Blick auf die Beitragszahler – steigen. Wer die Kosten aus der Alterung der Gesellschaft generationengerecht verteilen will, muss rechtzeitig über die Anhebung der Regelaltersgrenze oder andere Optionen entscheiden.
Besseres Recht setzen und Bürokratie abbauen
Aufgrund begrenzter personeller und finanzieller Ressourcen ist gerade der Mittelstand auf einen effizienten und unbürokratischen Rechtsrahmen angewiesen. Brüssel und Berlin sollten die „One-in-one-out“-Regel auf ein „One-in-two-out“ erweitern. Nationale Übererfüllung europäischer Vorgaben – etwa zu Klima oder Umwelt – gefährdet die Einheitlichkeit von Regeln im EU-Binnenmarkt und schadet dem Standort. Regelmäßige Beteiligung der Wirtschaft an Praxischecks kann helfen, komplexe Regelungen auf Praktikabilität hin zu prüfen, einmalige wie laufende Erfüllungsaufwände realistischer abzuschätzen und Bürokratiekosten zu senken. Offenlegungspflichten sind praxistauglich und verhältnismäßig zu gestalten – auch um gläserne Unternehmerinnen und Unternehmer zu verhindern.
Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen
Lange und komplexe Planungs- und Genehmigungsverfahren hemmen den Gestaltungswillen von Mittelstand und Familienunternehmen in der Fläche. Parallel verschlechtert sich die Personalsituation in zuständigen Behörden. Noch dazu ist die Klagebereitschaft in der Gesellschaft hoch. Unternehmen brauchen aber verlässliche und rechtssichere Verfahren, die sie – im Interesse von gezielten Investitionen und rentablen Arbeitsplätzen – zügig und weitgehend ohne gutachterliche oder anwaltliche Unterstützung durchlaufen können. Auch eine zügige und umfassende Digitalisierung der Verwaltungsverfahren kann dazu einen Beitrag leisten.
Digitalen Staat schaffen
Mittelstand und Familienunternehmen sind darauf angewiesen, dass Behörden leistungsfähig und effizient arbeiten. Die Verfahren sind meist langwierig, umständlich und zu wenig serviceorientiert. Es braucht ein neues Ambitionsniveau und eine neue Gesamtstrategie für die Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung. Der Datenaustausch über Fachgrenzen und Verwaltungsebenen hinweg muss verbessert werden. Nur mit funktionierenden Registerabgleichen kann das „Once-Only-Prinzip“, d. h. die einmalige Datenerfassung, verlässlich Anwendung finden. Dies würde – neben einem zentralen digitalen Unternehmenskonto und einer Reduzierung von Schriftformerfordernissen – dringend benötigte Ressourcen in Unternehmen freisetzen.
Zugang zu Unternehmensfinanzierung sichern
Mittelstand und Familienunternehmen brauchen für Investitionen einen stabilen und verlässlichen Zugang zu Finanzmitteln. Regulatorische Initiativen zu nachhaltiger Finanzierung und die europäische Verordnung zur Taxonomie dürfen die Liquidität von Unternehmen, die oft mitten in digitaler und grüner Transformation stehen, nicht einschränken. Hilfreich bleiben unbürokratische Zugänge zu Finanzmitteln, die Unternehmen handhabbare Unterstützung bringen und deren Eigenkapitalausstattung schonen. Auch die Finalisierung von Basel III muss unternehmerischer Praxis klar Rechnung tragen.
Fachkräfte auch aus dem Ausland anziehen
Es sind vor allem praktische Probleme, die Zuwanderung von Fachkräften erschweren, teils sogar verhindern. Zu denken ist an lange Wartezeiten bei Auslandsvertretungen, komplizierte und langwierige Verfahren oder die nicht optimale Zusammenarbeit verschiedener Behörden und Stellen. Für beschleunigte und reibungslose Prozesse braucht es eine elektronische Akte zur übergreifenden Kommunikation sowie ein umfassendes behördenübergreifendes IT-System zur Erwerbsmigration. Entscheidend bleibt auch, alle Aufgaben zu qualifizierter Erwerbsmigration in spezialisierten Ausländerbehörden zu bündeln.
Aus- und Weiterbildung unterstützen
Immer mehr Digitalisierung führt zu neuen Softwareeinsätzen, Arbeitsmethoden, Karrierewegen und zu neuen Chancen auf produktive, gut bezahlte Arbeitsplätze. Diese Potenziale kann gezielte berufliche Fort- und Weiterbildung voll heben. Beschäftigte erhalten zusätzliche Anreize, wenn deren Aufwendungen für betriebsnahe Weiterbildung sinken.
Ländliche Regionen stärken
Im ländlichen Raum wurzeln viele mittelständische Unternehmen, Hidden Champions und Weltmarktführer. Vor Ort tragen sie als Arbeitgeber, Ausbilder und Steuerzahler sowie als Förderer von Kunst, Kultur und Sport zu Wohlstand, Zusammenhalt und Toleranz in einer lebhaften Gesellschaft bei. Wer für attraktive Standortbedingungen mit effizienten Anbindungen sorgt, hält Investitionen vor Ort und beugt Wegzug vor.
Digitalisierung in der Breite voranbringen
Viele Mittelständler ringen in der digitalen Transformation mit knappen Ressourcen wie Budget, Zeit und Know-how. Voraussetzung digitaler Aktivitäten, auch in übergreifenden Lieferketten und Wertschöpfungsverbünden, ist der Ausbau glasfaserbasierter gigabitfähiger Netze in möglichst flächendeckender Versorgung auch ländlicher Regionen. Erfolgskritisch bleiben darüber hinaus eine smarte Datenpolitik per gestärkter Datensouveränität und gerechtfertigtes Vertrauen in digitale Technologien und cyberresiliente IT-Lösungen.
Forschung und Entwicklung fördern
Eine eng mit der Industriepolitik verzahnte Technologie- und Innovationspolitik auf nationaler und europäischer Ebene hilft dabei, Mittelstand und Familienunternehmen am Standort wettbewerbsfähig zu halten. Es gilt, neue unbürokratischere Formen enger Forschungszusammenarbeit und effizienter Projekte zu ermöglichen, und konsequente öffentliche Finanzierung bereitzustellen, auch jenseits einer zu erweiternden Forschungszulage.
Potenziale industrieller Start-ups entwickeln
Gezielte Kooperation zwischen etabliertem Mittelstand und Start-ups ist ein Erneuerungs- und Wachstumstreiber, der im besten Fall beide Seiten voranbringt. Ein lebhafter Markt für Wachstumskapital, ein relevantes Ökosystem aus Wissenschaft, Forschung und Unternehmen vor Ort sowie einfache Transfers von Ideen und Erkenntnissen können helfen, umfangreiche Potenziale zu heben. Das gelingt vor allem, wenn bürokratische, regulatorische und rechtliche Investitionshemmnisse fallen.
EU zukunftsfähig machen
Kaufmannstugend, Ingenieursleidenschaft und Pioniergeist im deutschen Mittelstand braucht ein zukunftsorientiertes Europa. Nur ein voll funktionsfähiger EU-Binnenmarkt bietet exportorientierten Unternehmen offene Grenzen. Barrieren für Produkte, Dienstleistungen, Kapital und Beschäftigte (u. a. per A1-Bescheinigung) müssen verlässlich fallen. Es gilt, freien Transfer über alle Grenzen in Europa sicher, einheitlich und zuverlässig zu organisieren. Auch operativ – hinsichtlich bürokratischer Entlastung und gezielter Förderung – gehören Mittelstand und Familienunternehmen fest auf der politischen EU-Agenda verankert: durch eine reformierte KMU-Definition, durch Berücksichtigung von „Mid-caps“ sowie durch gezielte Abstimmung der EU-Strategien für Industrie, Außenhandel, KMU und „Green Deal“. Die Bundesregierung wiederum sollte durch einheitliche Umsetzung von EU-Recht – ohne nationale Übererfüllung per „Gold-Plating“ – den einheitlichen Rechtsrahmen im Binnenmarkt sichern.
Außenwirtschaft intensivieren
Viele Mittelständler und Familienunternehmen sind durch Arbeitsteilung, Wissensaustausch, Investitionen und Handel – auch in grenzüberschreitenden Lieferketten und Wertschöpfungsverbünden – weltweit verflochten. In Deutschland hängt jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab, in der Industrie sogar mehr als jeder zweite. Schon das zeigt, wie wichtig eine zukunftsfähige Außenwirtschaftspolitik national und europäisch – auf Grundlage von Multilateralismus, Offenheit und fairem Wettbewerb – ist. Komplizierte Zollverfahren in der EU dürfen weder Marktzugangsbarriere für Unternehmen aus Drittländern noch Exporthindernis sein. Für mehr Zugang braucht es weitere, umfassende Handelsverträge mit strategischen Partnern inklusive hilfreichem KMU-Kapitel. Unverzichtbar bleibt eine leistungsfähige WTO für regelbasierten Welthandel.