Digital aufholen: Digitalisierung vorantreiben. Innovationslücke schließen
Empfehlungen für die europäische Legislaturperiode 2024-2029
Technologieoffenheit first, Regulierung second. Das ist Voraussetzung, damit Europa seinen digitalen Rückstand gegenüber den USA, China und anderen Wettbewerbern aufholt. Konkret heißt das ein unbürokratisches, kapitalstarkes Innovationsumfeld zu schaffen, in dem neue Technologien nachhaltig gedeihen. Es heißt auch, in die Kompetenzen der Arbeitnehmenden, in die Fachkräfteausbildung und das Anwerben digitaler Talente zu investieren. Wer die Technologieführerschaft der Zukunft übernehmen und Zukunftsmärkte sichern will, muss technologische Standards setzen. Hier ist angesichts der großen Innovationslücke ordentlich Speed gefragt.
Auf was es jetzt ankommt
Statt neue Technologien umgehend regulatorisch zu adressieren, muss die EU zur Wahrung ihrer Zukunftsfähigkeit dringend die gesellschaftliche Technologieoffenheit stärken, in Kompetenzen und die Fachkräfteausbildung investieren und gezielt die Entwicklung neuer innovativer Technologien fördern. Die Europäische Kommission sollte die zahlreichen beschlossenen digitalpolitischen Maßnahmen nun wirken lassen und unbürokratische sowie an die industrielle Praxis angepasste Implementierungskonzepte im Rahmen von Durchführungsrechtsakten entwickeln – unter enger Beteiligung der Industrie.
Die EU sollte den Aufbau von EU-Datenräumen vorantreiben. Insbesondere sollten keine zusätzlichen Regulierungsvorhaben eingeführt, sondern stattdessen die letzten EU-Legislativakte kritisch evaluiert und angepasst werden.
Das Beratungsangebot der europäischen Datenschutzbehörden für Unternehmen sollte verbessert und mehr Hilfestellungen für die praktische Umsetzbarkeit bereitgestellt werden. Vor allem aber ist eine möglichst europaweit einheitliche Auslegung der DSGVO anzustreben. Für den transatlantischen Datenaustausch ist dringend ein dauerhaft rechtssicher wirkender Angemessenheitsbeschluss mit Blick auf den Transfer personenbezogener Daten notwendig. Auch für den Transfer in andere Drittstaaten sollten weitere Angemessenheitsbeschlüsse verabschiedet werden.
Der Fokus sollte auf innovationsfördernden Maßnahmen wie beispielsweise Reallaboren liegen. Ferner sollten Compliancepflichten für Hochrisikoanwendungen für KMUs und Start-ups schnell, kostengünstig und unbürokratisch umsetzbar gestaltet werden.
Das Europäische Chip-Gesetz (auch EU Chips Act) soll das Halbleiterökosystem in der EU stärken. Damit das Gesetz einzahlt auf die technologische Souveränität und Resilienz der Lieferketten ist ein transparenter und für Unternehmen jeder Größe praktikabler Prozess für den Erhalt von Subventionen notwendig. Governance-seitig muss das EU Semiconductor Board als Beratungsgremium arbeitsfähig und für – an einer Mitarbeit interessierte – Unternehmen zugänglich gemacht werden. Daneben muss der Prozess zur strategischen und technologischen Souveränität und der Adressierung des 20%-Ziels der EU über den EU Chips Act hinaus weiterverfolgt werden, d.h. Fachkräftelücke schließen und beim Important Project of Common European Interest (IPCEI, wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse) Mikroelektronik II endlich mit dem Maßnahmenbeginn starten.
Die Anwendungsfälle des industriellen Metaverse befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Derzeit investieren europäische Unternehmen umfangreich in Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, um bestehende Technologien zu einem vollständig ausgereiften industriellen Metaverse zu vereinen. Aus diesem Grund sollte in diesem Stadium auf Regulierung verzichtet werden, um Innovation nicht im Keim zu ersticken.
Das Gesetz für Digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) reguliert besonders mächtige digitale Plattformen. Bei der Umsetzung des Gesetzes sollte der Fokus auf klaren Vorgaben und Verfahrensschritten für die Unternehmen und auf einer effektiven Durchsetzung liegen. Weitere Regulierungsvorhaben in der Plattformwirtschaft über den Digital Markets Act hinaus sind zurzeit nicht erforderlich, zumal der DMA erst seit dem 2. Mai 2023 verbindliche Anwendung findet.
Die EU sollte Horizon Europe mit ausreichend neuen finanziellen Mitteln ausstatten, um eine nachhaltige Unterstützung für innovative Forschungsprojekte zu gewährleisten. Zusätzliche finanzielle Ressourcen sind erforderlich, um den wissenschaftlichen Fortschritt voranzutreiben und die Innovationskraft der Industrie zu unterstützen. Es bedarf einer missionsorientierten und evaluierten Projektförderung, um alle Akteure der Gesellschaft unter einem übergeordneten Ziel zu vereinen.
Die Europäische Kommission muss zwingend eine EU-weit einheitliche Implementierung der NIS 2-Richtlinie sicherstellen und dafür Sorge tragen, dass europaweit aktive Unternehmen Vorfallsmeldungen nur einmal absetzen müssen. Ferner muss die Europäische Kommission die Industrie bei der Umsetzung des Cyber Resilience Act durch die zeitnahe Veröffentlichung der notwendigen Standardisierungsmandate unterstützen.
Mit dem Cyber Resilience Act werden zukünftig alle Produkte mit digitalen Elementen risikoadäquate Cybersicherheitsanforderungen erfüllen müssen. Die Entwicklung von Cybersicherheitsanforderungen für einzelne Produktgruppen im Rahmen des Cybersecurtiy Act (CSA, Cybersicherheitsgesetz) ist folglich nicht mehr notwendig und sollte im Sinne der Normklarheit ausgesetzt werden. Bei schon laufenden Erarbeitungsprozessen sollten ausschließlich technische Sicherheitsanforderungen definiert und die Industrie eng einbezogen werden.