Grüner Vorreiter bleiben: Technologische Innovationen für mehr Klima- und Umweltschutz fördern
Empfehlungen für die europäische Legislaturperiode 2024-2029
Bis Mitte des Jahrhunderts soll Europa klimaneutral sein. Die Industrie steht hinter diesem Ziel. Sie ist Enabler des Umstiegs auf eine klimaneutrale Produktion und entwickelt die notwendigen technischen Innovationen – von Kraftwerkspumpen bis emissionsarme Flugzeuge. Fakt ist aber auch: Das ehrgeizige Nachhaltigkeitsprogramm der EU, der Green Deal, ist für die Unternehmen ein enormer Kraftakt, vor allem wegen der unzähligen neuen klima-, umwelt- und verkehrspolitischen Vorschriften. Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie kam in der europäischen Klimapolitik bisher viel zu kurz. Die EU muss Unternehmen dringend eine überzeugende Perspektive für eine wettbewerbsfähige Produktion am Standort Europa aufzuzeigen.
Auf was es jetzt ankommt
Produktion europäischer Net-Zero-Technologien stärken
Die EU sollte das Netto-Null-Industrie-Gesetz (Net-Zero Industry Act, kurz NZIA) zu einer industriepolitischen Strategie weiterentwickeln, die wirksame Anreize und Rahmenbedingungen für den Markhochlauf von Net-Zero-Technologien schafft und so die ambitionierten Ziele des Green Deal flankiert. Investments in europäische Projekte müssen in einem technologieoffenen Ansatz durch schnellere Verfahren, vorteilhaftere Standortkosten und regulatorische Verlässlichkeit attraktiver werden. Den sektorspezifischen Herausforderungen muss mit einem technologieoffenen Ansatz begegnet werden, der neben einer Stromwende auch die Molekülwende (grüner Wasserstoff, usw.) forciert.
Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen beschleunigen
Der vorgeschlagene NZIA erfasst lediglich eine eng begrenzte Gruppe von Schlüsseltechnologien. Über diese Technologien hinaus muss die EU eine Initiative ergreifen, um allgemein Genehmigungsverfahren von Industrieanlagen systematisch zu beschleunigen, damit die Transformation gelingt und somit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gewährleistet wird.
European Green Deal hinsichtlich seiner Wirkungen auf den Wirtschaftsstandort überprüfen
Die EU muss die einzelnen Elemente des Green Deal auf ihre Kohärenz hin prüfen. Gerade im Hinblick auf die drängenden Herausforderungen der Klimatransformation kommt es darauf an, klare Prioritäten zu setzen und so die vielfach bestehenden Zielkonflikte zwischen Einzelmaßnahmen zu lösen. Dies bedeutet gegebenenfalls auch, vorgeschlagene Maßnahmen wie die Industrieemissionsrichtlinie und die Luftqualitätsrichtlinie zu überarbeiten oder zurückzuziehen.
Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Industrie in Europa stärken
Die EU muss dringend eine Strategie entwickeln, um Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Industrie in Europa zu stärken – gerade um die Ziele des Green Deal doch noch zu erreichen. Dafür braucht es auch eine sichere stoffliche Basis. Regulierungen wie der Vorschlag zur Beschränkung von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) stehen dem diametral entgegen.
Grenzwerte für Luftschadstoffe auf Klimatransformationsmaßnahmen abstimmen
Die in der Luftqualitätsrichtlinie festgelegten Minderungsziele müssen auf ihre Erreichbarkeit im Hinblick auf die zwischenzeitlich festgelegten Klimatransformationsmaßnahmen fortlaufend überprüft und hinsichtlich ihres Zeithorizonts angepasst werden.
Wertschöpfung in der EU bei REACH-Revision gewährleisten
Die mögliche Überarbeitung der REACH-Verordnung muss mit Augenmaß erfolgen. Regulatorische Optionen zur Erreichung ambitionierter Ziele müssen so gestaltet werden, dass die Wertschöpfung in der EU erhalten bleibt. Um innovative Technologien voranzutreiben, muss es auch zukünftig noch möglich sein, chemische Substanzen zu verwenden, wenn hiervon kein Risiko ausgeht, beziehungsweise, wenn dieses angemessen beherrscht werden kann.
Beitrag der Unternehmen zum Erhalt der Biodiversität berücksichtigen
Die Europäische Kommission sollte eine Initiative ergreifen, in der die von Unternehmen geleisteten Maßnahmen zum Schutz der Natur und zur Stärkung der Biodiversität systematisch erfasst werden. Diese Maßnahmen sollten von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur verpflichtend berücksichtigt werden.
Gewässernutzung im Rahmen wirtschaftlicher und industrieller Tätigkeiten gewährleisten
Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sollte einer grundlegenden Revision unterzogen werden. Wirtschaftliche und industrielle Tätigkeiten, die Gewässer nutzen, müssen erleichtert werden. Da viele Wasserkörper die Ziele der WRRL in dem vorgegebenen zeitlichen Rahmen verfehlen werden, sollten außerdem zumindest weitere drei Bewirtschaftungszyklen eingeführt werden, um diese Ziele zu erreichen und für die Betroffenen mehr Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Kreisläufe schließen und Innovationen in der Circular Economy stärken
Das regulatorische Umfeld der Circular Economy in der EU hat sich durch die Rechtssetzung zwischen 2019 und 2024 fundamental verändert (z.B. EU-BatterieVO, EU-ÖkodesignVO, EU-AbfallverbringungsVO, EU-VerpackungsVO). Damit diese Rechtsakte den Wettbewerb für Innovationen in der Circular Economy stärken, müssen zwischen 2024 und 2029 unzählige konkretisierende Rechtsakte (Durchführungs- und delegierte Rechtsakte) erarbeitet und verabschiedet werden. Es ist von größter Wichtigkeit, dass diese Rechtsakte in Koordination mit den relevanten Wirtschaftsakteuren und unter Einbeziehung der Expertise von Unternehmen entwickelt werden und dass kohärente Begriffsbestimmungen verwendet werden. Dies gilt insbesondere für die Umsetzung der neuen Ökodesign-Verordnung.
Circluar Economy relevante Rechtsbereiche verstärkt aufeinander abstimmen
Damit Unternehmen in Kreisläufen denken und planen können, müssen die relevanten Rechtsbereiche aufeinander abgestimmt werden. Die Schnittstellen von Abfall-, Produkt- und Stoffrecht sind nach wie vor nicht konsequent im Sinne einer Circular Economy ausgerichtet. Produktbezogene Doppelregulierungen sollten überdies unbedingt vermieden werden.
Industrien bei der Transformation unterstützen
Nur auf hohe CO2-Preise im EU ETS zu setzen, wirkt wie eine Strafe für Produktionsanlagen, wenn entscheidende Infrastrukturen fehlen. Carbon Contracts for Difference, Leitmärkte für grüne Grundstoffe und Green Public Procurement können dagegen entscheidend helfen, stabile Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Transformation zu schaffen.
Zugang zu Unterstützungsmaßnahmen vereinfachen
Die Förder- und Unterstützungslandschaften für Unternehmen in der EU und den Mitgliedstaaten sollten zusammenführt und wesentlich übersichtlicher gestaltet werden.
Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft unterstützen
Die EU sollte widersprüchliche Regelungen wie die Renewable Energy Directive III (RED III, Erneuerbare-Energien Richtlinie), die EU-Taxonomie oder das EU-Gaspaket so anpassen, dass sich Investitionen in H2-Technologien lohnen.
CBAM auf den Prüfstand stellen
Die EU sollte CBAM so korrigieren, dass Exporte von CBAM-Gütern nicht durch den Verlust der feien Zuteilung unmöglich gemacht werden. Sollte sich zeigen, dass CBAM nicht geeignet ist, Carbon Leakage zu verhindern, muss die EU den Mechanismus wieder abschaffen.
H2-, CO2- und Erneuerbaren-Infrastrukturen grenzüberschreitend ausbauen
Wichtige Klimaschutztechnologien wie Carbon Capture and Storage- (CCS) und insbesondere Carbon Capture and Utilization (CCU)-Technologien sind energieintensiv und erfordern daher ausreichend verfügbare Mengen erneuerbarer Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen.
Bedeutung innovativer Technologien für Klimaschutz ehrlich kommunizieren
Damit die Klimaziele überhaupt erreicht werden können, bedarf es der Anwendung innovativer Technologien, die nicht zuletzt mit der gesellschaftlichen Akzeptanz steht und fällt.
Fehlentwicklungen konsequent korrigieren
Die Europäische Kommission ist aufgefordert, die ihr in den Überprüfungsklauseln, insbesondere bei der Alternative Fuels Infrastructure Regulation (Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, AFIR), der CO2-Flottenregulierung für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge sowie ReFuelEU Aviation (Verordnung über nachhaltige Flugzeugstreibstoffe), zugeschriebenen Korrekturmöglichkeiten zu nutzen.
Hochlauf alternativer Antriebe und grüner Kraftstoffe flankieren
Die EU sollte die Lade- und Tankinfrastruktur – für alle Verkehrsträger sowie alle Antriebe und Kraftstoffe – rasch bedarfsgerecht, flächendeckend und vorauslaufend aufbauen sowie klare CO2-Preissignale für den Straßenverkehr über das ETS und die Energiebesteuerung von Kraftstoffen setzen.
Zusammenarbeit mit Erzeugerländern von Power-to-Liquid (PtL) stärken
Um ausreichende Mengen an PtL-Kraftstoffen bereits vor 2030 verfügbar zu machen, sind internationale Standards für Nachhaltigkeits- und Qualitätskriterien, ein internationaler Zertifikatehandel (Book & Claim-Verfahren) sowie internationale Vorgaben für die Anrechnung nachhaltiger Kraftstoffe erforderlich.
Carbon Leakage im Luft- und Seeverkehr verhindern
Die EU sollte europäisch und national einseitige Mehrkosten grüner Kraftstoffe gegenüber fossilen Alternativen in der EU für den internationalen Luft- und Seeverkehr ausgleichen. Sonst besteht die Gefahr von Carbon Leakage, also der Verlagerung von CO2-Emissionen. Eine Finanzierungmöglichkeit stellt die Umwandlung der nationalen Luftverkehrssteuern in eine europäische, endzielbezogene und zweckgebundene Klimaabgabe dar. Europäische Maßnahmen müssen fortlaufend durch Initiativen zur internationalen Harmonisierung der Klimaschutzambitionen flankiert werden.