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Wahlprogramme 2021 – Was steckt drin für Deutschlands Mittelstand und Familienunternehmen?

Bei der Bundestagswahl im September 2021 geht es nicht nur ums Kanzleramt. Es stehen wirtschaftspolitische Richtungsentscheidungen an. Aus Perspektive von Mittelstand und Familienunternehmen kommt es darauf an, die Wettbewerbskraft nachhaltig zu stärken und mit einer Investitionsoffensive die Standortbedingungen zügig zu verbessern. Die Wahlprogramme greifen einige BDI-Empfehlungen auf.

Wer die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP umfassend bewertet, entdeckt durchaus grundlegende Unterschiede der Parteien im Verständnis von Staat und Markt.

Misstrauen und Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft unterscheiden die Parteien grundlegend

Die SPD sieht den Staat als „strategischen Investor“. Unternehmertum als Treiber wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Transformation bleibt unerwähnt. Auch das Programm von Bündnis90/Die Grünen offenbart ein dirigistisches Staatsverständnis. Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft sollen ersetzt werden durch Konzepte staatlicher Lenkung und Umverteilung mit Quoten, Verboten und Vorgaben. Für industrielle Familienunternehmen stellt sich etwa die Frage, warum Gründungen von Startups gefördert werden sollen, nachfolgenden Unternehmensgenerationen das Wirtschaften aber immer schwieriger gemacht wird, etwa per Vermögensteuer, Wegzugsteuer oder – wie die SPD vorschlägt – reformierter Erbschaftsteuer gegen eine „Überprivilegierung großer Betriebsvermögen“.

FDP und Union setzen weiter auf eine wachstumsfreundlichere Politik im Sinne der sozialen Marktwirtschaft unter Berücksichtigung individueller Leistungsbereitschaft. Sie zeigen mehr Vertrauen in Unternehmerinnen und Unternehmer mitsamt den Belegschaften und in deren Innovations- und Investitionswillen.

Zusätzliche Steuerbelastungen sind der falsche Weg für den wirtschaftlichen Neustart

Wer den volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beitrag von Mittelstand und Familienunternehmen in Deutschland versteht und wertschätzt, wird Enteignung, Verstaatlichung, Verbote, immer neue Regulierungen und zusätzliche Steuerbelastungen ablehnen. Nicht zuletzt für den wirtschaftlichen Neustart nach der Pandemie ist es an der Zeit, die effektive Steuerlast der Unternehmen in Deutschland auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau abzusenken. Im Vergleich: Die durchschnittliche Steuerbelastung im Jahr 2020 lag in Deutschland mit 30 Prozent deutlich höher als in den EU-28-Staaten (22,1 Prozent) und in der OECD (23,5 Prozent). Unternehmen wollen bestmöglich in die digitale und ökologische Transformation investieren. Wird der Zugang zu Kapital durch neue oder höhere Steuern eingeschränkt, verschärft das die anstehenden finanziellen Herausforderungen weiter. Entsprechend ist eine von SPD und Grünen geforderte Vermögensteuer abzulehnen. Dass unternehmerische Investitionen heute der Wohlstand von morgen sind, findet bei FDP und Union mehr Beachtung. Beispielsweise sehen CDU/CSU eine Unternehmensteuer von maximal 25 Prozent.

Die Parteien eint der Wunsch nach mehr digitaler Verwaltung

Alle Parteien erkennen, dass das Land eine agile und digitale Verwaltung braucht, ebenso wie schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dabei darf der Fokus nicht allein auf E-Government-Services für Bürgerinnen und Bürger liegen, sondern muss Unternehmen – die als Poweruser der Verwaltung im Jahr rund 130 Behördenkontakte haben – besonders berücksichtigen. Gerade mit Blick auf die anspruchsvollen Klimaschutzziele sind schnellere Verfahren essenziell, denn der Bau etwa von Elektrolyseanlagen oder Windrädern kann nicht mehrere Jahre warten. Die von den Grünen vorgeschlagene systematische Klimaverträglichkeitsprüfung bei Genehmigungsprozessen könnte Bürokratie allerdings weiter erhöhen und Prozesse verlängern.

Dass der Ausbau von Glasfaser- und leistungsfähigen Mobilfunknetzen zu lange dauert und die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet, ist bei allen Parteien angekommen. Das ist ganz im Sinn des standorttreuen Mittelstands, der traditionell eher außerhalb von Ballungsgebieten wirtschaftet. Die Freien Demokraten berücksichtigen zusätzlich, dass „Abwanderung, Überalterung und Fachkräftemangel“ dem Mittelstand in ländlichen Räumen besonders hart zusetzen.

Von Bürokratieabbau sprechen alle Programme, es bleibt aber meist vage. Dass Unternehmen zur Entwicklung klimaneutraler Technologien Luft zum Atmen brauchen, statt neuer Regulierungen und Berichtspflichten, berücksichtigen vor allem FDP und Union. Die FDP spricht sich für einen „Entfesselungspakt“ aus, CDU/CSU – mit einem Buchstaben mehr – für ein „Entfesselungspaket“. Beiden Parteien fehlt allerdings ein konkreter Zeitplan, der sichere Planung und berechtigte Hoffnung bringt.

Öffentliche und private Investitionen sind unumgänglich für die Zukunftsfähigkeit des Standorts

Positiv erscheint die Forderung der Grünen nach einem Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen. Würden in Deutschland pro Jahr die vorgeschlagenen 50 Milliarden Euro zusätzlich investiert, würde das den Standort stärken. Auch die FDP fordert einen Investitionsschub über zehn Jahre. Die SPD betont zu Recht die Bedeutung öffentlicher Investitionen, setzt aber zu wenig auf Anreize für private Investitionen. Die harte Position von CDU/CSU zur schwarzen Null ist dann nicht zielführend, wenn daran Zukunftsinvestitionen scheitern.

Beim Klimaschutz grenzen sich FDP und Union von den Wahlprogrammen der Grünen und der SPD ab. Statt auf Verbote setzen besonders die Liberalen auf Förderung von Innovation, Planungsbeschleunigung im Infrastrukturausbau und Technologieoffenheit, verknüpft mit einem europäischen CO2-Preismechanismus als Steuerungsinstrument. Die Mischung aus Anreizen und Regeln kontrastiert zu staatlich verordneten Preissetzungsmechanismen und ordnungsrechtlichem Klein-Klein bei den Grünen. Die SPD-Forderung nach wettbewerbsfähigen Industriestrompreisen ist zu begrüßen, sollte aber bestenfalls EU-weit umgesetzt werden.

Multilateralismus ist konsensfähig, weitere Freihandelsabkommen bergen Konfliktpotential

Mit Blick auf die Außenwirtschaft, ist zu begrüßen, dass sich alle Parteien grundsätzlich für Handel und Multilateralismus aussprechen. Grüne und SPD verkennen allerdings, wie stark Unternehmen und Arbeitsplätze von Export und funktionierenden Lieferketten in komplexen Wertschöpfungsverbünden profitieren. Den wirtschaftlichen Interessen nach regelbasiertem Freihandel räumen sie relativ zu sozial-ökologischen Interessen wenig Platz ein. Die Offenheit von CDU/CSU und FDP für weitere Freihandels- und Investitionsabkommen ist gerade in Perspektive des exportorientierten Mittelstands zu begrüßen.

Welche Koalition auch immer in der nächsten Legislaturperiode eine Regierung tragen wird: entscheidend bleiben Offenheit und Pragmatismus, um beste Lösungen für einen zukunftsfähigen Standort umzusetzen.