„Die deutsche Biotechnologiebranche wächst weiter. Unser Mitgliedsverband BIO Deutschland berichtet von einem satten Plus bei der Unternehmensfinanzierung: Mit Investitionen von rund 674 Millionen Euro war das vergangene Jahr ein neuer Rekord für die deutsche Biotechnologiebranche. Die Unternehmen sind auf diese Investitionen besonders angewiesen, denn Biotechnologie bedeutet Hightech mit hohen Kosten. Die Branche investiert allein 29,5 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung (FuE).
Wer jedoch denkt, der Erfolg der Branche und ihrer nachwachsenden Hightech-Unternehmen und Start-ups sei in Deutschland ein Selbstläufer, irrt. Rahmenbedingungen und Förderung hinken am Standort ihrer Bedeutung als Schlüsseltechnologie und den gesteckten ambitionierten Zielen, beispielsweise die Entwicklung neuer Medikamente und Diagnostika oder die effizientere und nachhaltigere Herstellung von Alltagsprodukten, hinterher.
Es müssen drei grundlegende Dinge geschehen: Die Branchengrenzen müssen durchlässiger werden. Als Schlüsseltechnologie öffnet Biotechnologie in vielen Anwendungsfeldern und Branchen neue Türen. Das bietet vielfältige Chancen für neue Produkte oder Verfahren als Cross-Industry-Innovation. Außerdem sind die Biotech-Unternehmen selbst eine neue Kundengruppe für unsere Industrie und bieten Entwicklungs- und Absatzchancen für den Maschinen- und Anlagenbau, die Elektro- und Elektronikindustrie, Prozess- und Logistiktechnologien.
Es liegt jetzt an der Bundesregierung, ihrer im Koalitionsvertrag angekündigten Agenda „Von der Biologie zur Innovation“ Taten folgen zu lassen. Ganz oben auf die Agenda gehören flexiblere und durchlässigere Ausbildungsprogramme und Beschäftigungssysteme sowie neue Transfer- und Vernetzungsinstrumente in der Projektförderung. Sie sind wichtig, weil sich Wissens- und Kompetenzfelder immer stärker gegenseitig verzahnen und durchdringen müssen, um zu neuen Lösungen und Innovationen kommen zu können. Um beispielsweise abbaubares Bioplastik im Automobilbau oder biotechnologisch hergestellte Spinnenseide in der Bekleidungsindustrie zu entwickeln, erfordert es biotechnologische Kompetenz in klassischen Ingenieursstudiengängen ebenso wie im Chemiestudium oder in entsprechenden dualen Ausbildungen.
Zweitens braucht eine erfolgreiche Biotechnologie auch erfolgreiche Hightech-Gründungen. Die Gründerzahlen gehen seit Jahren zurück. Es gibt aber einen Trend zu wissensintensiveren Neugründungen. Allerdings zählte die Statistik bei FuE-intensiven Gründungen zum Teil nur 1400 Gründungen pro Jahr. In der Biotechnologie waren es im vergangenen Jahr gerade einmal zehn Neugründungen in ganz Deutschland. Hier muss die Politik mit dem Aufbau eines Venture Capital-Umfeldes, das den Finanzbedarf von innovativen Geschäftsmodellen von der Gründung bis zur Markteinführung decken kann und einem wettbewerbsfähigen regulatorischen Umfeld, mehr Unterstützung leisten.
Drittens braucht die Biotech-Branche für Ihren Erfolg und ihre nachwachsenden Hightech-Unternehmen und Start-ups eine wettbewerbsfähige Forschungsförderung. Dazu gehört auch Mut bei der Einführung neuer Instrumente. Der BDI unterstützt seit langem die von OECD, EU-Kommission und der deutschen Expertenkommission Forschung und Innovation EFI empfohlene Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung. Die Koalitionäre haben sich im Koalitionsvertrag auch für Deutschland für ihre Einführung ausgesprochen. Bei der Willensbekundung darf es nicht mehr bleiben, jetzt muss ein Einstieg gelingen.
Neben der Digitalisierung sind die Biologisierung der Industrie und nachhaltiges Wirtschaften wichtige Triebfedern für künftigen Fortschritt. Die Biologisierung wirkt sich etwa auf Produktionsverfahren aus. Mit biotechnologisch basierten Verfahren lassen sich viele Grundstoffe und Konsumgüter ressourcenschonender, qualitativ besser und unter Einsatz von weniger Chemikalien und CO2 herstellen. Oder in der Energiewirtschaft: Mikroorganismen können entweder aus Sonnenlicht oder das CO2 aus dem Rauchgas von Kohlekraftwerken in Grundchemikalien umwandeln. Biokraftstoffe der nächsten Generation lassen sich aus Holz- und Papierabfällen erzeugen und stehen somit nicht mehr in Konkurrenz zur Nahrungsmittelversorgung. Biotechnologie wird einen tiefgreifenden Wandel in allen Bereichen der Gesellschaft und der Industrie auslösen. Damit dies gelingt, muss die Politik jetzt die richtigen Weichen stellen.“