Es war ein ziemlich ernst blickender Günther Oettinger, der von einem konzentrierten TV-Interview im BDI-Foyer zum vollbesetzten Digitalisierungskongress eilte. Was der Gast aus Brüssel beim Berlin-Besuch am liebsten zu tun scheint, tat er auch dort – mit zunehmend sichtbarer Freude: Klartext reden. Er beklagte, der Abstieg Europas werde sich fortsetzen, „wenn einem die Auswahl des Oktoberfest-Dirndls wichtiger ist, als über Zukunftssicherung nachzudenken“. Die Deutschen lebten mittlerweile „in einem Romantik-Tal“. Ihm seien Schlaglöcher allemal lieber als Funklöcher. Die Positionierung als Freund deutlicher Worte gefällt dem 62-Jährigen offenbar. Erstmal in Schwung, bekamen auch die Unternehmer im Publikum ihr Fett weg. Haben die etwa Angst vor Übernahmen aus Übersee? Oettinger, inzwischen fast amüsiert, drehte den Spieß um: „Wenn Google bei Ihrem Unternehmen bislang noch nicht angeklopft hat“, klartextete der EU-Kommissar, „müssen Sie erkennen, dass Sie ein stinklangweiliges Unternehmen führen.“ Das war jetzt nicht unbedingt als Lob für jeden Anwesenden zu verstehen. Aber auch ein rechtzeitiger Weckruf mag Grund für Zuversicht sein. Realität statt Romantik.