Eine knappe Woche nach dem Brexit-Referendum veranstalteten wir gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung einen Workshop zur zukünftigen Governance der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU). Dieser Termin hätte passender nicht sein können – jetzt werden die Karten völlig neu gemischt.
Ohne Großbritannien würde das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone 85 Prozent der EU ausmachen. Politik für die EWWU würde damit nahezu die gesamte EU betreffen. Das hätte sowohl Vor- als auch Nachteile. Einerseits würde die geldpolitische Koordinierung der Eurozone mit der Wirtschaftspolitik der gesamten EU ohne Großbritannien einfacher. Andererseits würden Mitgliedstaaten außerhalb der Eurozone in einigen Politikfeldern stärker an den Rand gedrängt.
Neben Großbritannien besitzt auch Dänemark einen „Opt-Out“ aus dem Euro und kann damit die nationale Währung behalten. Alle anderen EU-Länder haben zugesagt, mittelfristig die gemeinsame Währung zu übernehmen. Das würde die wirtschaftspolitische Steuerung der Eurozone entscheidend erleichtern. Bis es jedoch zur Deckungsgleichheit von EWWU und EU kommt, dürfte noch einige Zeit vergehen.
Das britische Referendum hat gezeigt, dass die Bereitschaft zu weiterer Integration in der EU aktuell gering ist. Zu diesen Fragestellungen unter den neuen, aber immer noch sehr unsicheren Rahmenbedingungen diskutierten EU-Parlamentarierin Esther de Lange, Christian Calliess (EU-Kommission), Jeffrey Franks (Internationaler Währungsfonds) und Guntram Wolff (Think Tank Bruegel) mit dem BDI-Netzwerk.
Ein wichtiges Ergebnis der Debatte war, dass National Ownership, also nationale Verantwortungsübernahme, essentiell für den Erfolg von Reformen ist. Nur wenn sich Mitgliedstaaten voll mit Reformen identifizieren können, werden diese auch ausreichend umgesetzt. Weitere Maßnahmen wie unabhängige Institutionen, die als unparteiische Schiedsrichter dienen, klare Kommunikation und ein unmittelbarer Mehrwert für die Bevölkerung könnten ebenfalls zielführend sein. Klar aber ist: Ein Patentrezept gibt es nicht.
Für uns im BDI bedeutet dies, ab sofort verstärkt die europäische Reformagenda in Deutschland einzubringen. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit in Europa erfordert immer häufiger, über den nationalen Tellerrand zu blicken.