Eine stärkere Polarisierung unter Verbündeten konnte man selten auf offener Bühne beobachten. Die kurz aufeinanderfolgenden Reden von Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Vizepräsident Mike Pence auf der diesjährigen MSC veranschaulichten die unterschiedlichen Herangehensweisen an die weltpolitischen Herausforderungen deutlich. Dem Bekenntnis zu Multilateralismus stand die klare Umsetzung der „America-First“-Doktrin gegenüber. Das erhoffte Signal für eine Stärkung des Dialogs und ein gemeinschaftliches Vorgehen der liberalen Demokratien blieben aus. Stattdessen bestimmten Konfrontationen die Konferenz. Das wachsende Vakuum, welches die USA als bisherige Schutzmacht einer regelbasierten Weltordnung zulassen, schürt Unsicherheit. Dies versuchte in München insbesondere die chinesische Delegation für die eigenen geopolitischen Ambitionen zu nutzen.
Die sensiblen Handels- und Logistikketten sowie Lieferantennetzwerke der globalisierten Weltwirtschaft sind von internationalen Spannungen oftmals zuerst betroffen. Die exportabhängige deutsche Industrie wird diese Entwicklungen direkt zu spüren bekommen. Aus Sicht der Industrie muss Europa entschlossen für den Erhalt der regelbasierten Weltordnung eintreten und die Bruchstellen der internationalen Beziehungen schließen. Den Europäern wird es nur dann gelingen, einen entscheidenden Beitrag zu leisten, wenn sie ein gemeinsames strategisches Verständnis über Europas Rolle in der Welt entwickeln und dafür entsprechende Ressourcen bereitstellen. Sicherheit, Migration, Wachstum, Arbeitsplätze, Globalisierung, Klimawandel: Diese Aufgaben können die Europäer nur gemeinsam meistern. Europa ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Die Wirtschaft ist ein Teil davon.
Für die deutschen Unternehmen ist die gesamte EU der Heimatmarkt. Fast 60 Prozent der Ausfuhren und gut 40 Prozent der Direktinvestitionen gehen in die EU. Umgekehrt stammen fast 80 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in unserem Land aus EU-Ländern.
Die EU ist und bleibt das erfolgreichste politische Projekt unserer Zeit. Der Weg zurück in den Nationalismus ist eine Sackgasse. Protektionismus und Populismus sind keine Lösungen für europäische Herausforderungen. Die Mitgliedsstaaten sind angesichts der skizzierten Entwicklungen mehr denn je gefordert, ihre Differenzen zu überwinden. Es gilt, den Erhalt der regelbasierten Weltordnung gemeinschaftlich als übergeordnetes Ziel zu verfolgen und die Außen- und Sicherheitspolitik entsprechend auszurichten.