In vielen europäischen Raumfahrtprojekten ist die deutsche Raumfahrtindustrie führend dabei. Da wären beispielsweise die europäischen Navigationssatelliten Galileo, die weltweit bis auf einen halben Meter genaue Positionsdaten liefern und in Bremen gebaut werden. Mit dem European Service Modul wird eine systemkritische Komponente des neuen Orion Raumschiffs der NASA federführend in Deutschland hergestellt. Damit sollen wieder Menschen zum Mond fliegen. Ohne den Antrieb, der in Deutschland gebaut wird, undenkbar. Schließlich will ich noch die deutsche Beteiligung an der Internationalen Raumstation ISS nennen. In all diesen Projekten steckt also Technik „made in Germany“.
Die zentrale Herausforderung ist, dass weltweit immer mehr staatliche und private Akteure in den Zukunftsmarkt Weltraum drängen. In Deutschland ist die Raumfahrt noch kein 1A Thema. Das spiegelt sich auch in den staatlichen Investitionen wider. So fällt Deutschland gerade bei jungen Unternehmen kaum als Ankerkunde für die Unternehmen ins Gewicht. Investitionen, die die Unternehmen für ihre Planungssicherheit brauchen und die ihnen die Möglichkeit geben, auf kritische Größe zu wachsen, um dann selbst auf eigenen Füßen zu stehen. Folglich bleiben dann auch die privaten Investitionen aus.
In anderen Ländern, wie in Frankreich, geben gerade die staatlichen Akteure zum Teil große Ziele vor und bringen ein erhebliches Budget ein. Die Privatwirtschaft wird davon massiv beflügelt. Was derzeit in Deutschland fehlt, sind Finanzierungsinstrumente und letztlich auch der Investitionsmut. Darunter leiden insbesondere junge Start-up-Unternehmen. Auch ein nationaler Rechtsrahmen, der Rechtsunsicherheiten beseitigen würde, ist bisher nicht erlassen.
Viele gute Ideen bleiben dabei auf der Strecke, bevor sie beweisen können, was in ihnen steckt. Zu laut ist der Ruf der Geldgeber nach absoluten wirtschaftlichen Sicherheiten, nach Businessplänen, die noch das letzte Detail vorausplanen sollen. Eine schier unlösbare Aufgabe. Wann ist bei Erfindungen schon mal alles nach Plan verlaufen.
Neben den harten Fakten gibt es noch einen anderen Effekt, der meiner Meinung nach mindestens ebenso wichtig ist: Wir leiden unter der „deutschen Krankheit“ – dem Zukunftspessimismus. Es ist nicht gut für die Perspektive eines Landes, der nächsten Generation ständig zu sagen, dass wir nur Probleme haben. Vielmehr brauchen wir mehr Mut und Zuversicht, Dinge anzugehen. Innovationen müssen wieder als Lösungen wahrgenommen werden und nicht als Bedrohung der eigenen Bequemlichkeit.
Um das ideale Umfeld für Lösungen zu schaffen, kommen dem Staat zwei zentrale Bedeutungen zu. Zum einen ist er Auftraggeber und Ankerkunde. Zum anderen setzt er den Rahmen, in dem sich Unternehmen entfalten können. Bei allem Reden um die Kommerzialisierung der Raumfahrt, ist und bleibt der Staat als Investor in den nächsten Jahren von großer Bedeutung. Staatliche Investitionen schaffen die notwendige Infrastruktur, die wiederum Voraussetzung ist, um private Projekte in Gang zu bringen und es Unternehmen zu ermöglichen, auf eine kritische Größe zu wachsen. Abnahmegarantien und Aufträge des Staates geben den Unternehmen Planungssicherheit und ein Rahmen durch Gesetzgebung schafft Rechtssicherheit.
Deutschland ist Hightech-Nation, führende Exportnation und die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde. Der Anspruch an uns selbst sollte sein, dass wir im Weltraum nicht weniger erfolgreich sein wollen – nein, müssen.
Eine umfassende Bewertung der ESA-Aktivitäten hat ergeben, dass jeder Euro, der in die Raumfahrt investiert wird, zu einem Nutzen von sechs Euro in Europa führt. Ich halte dies für eine deutliche Antwort an all diejenigen, die bei Investitionen in Raumfahrt fragen „Ist das Geld nicht anderswo besser investiert?“ Nein, ist es nicht. Mit Investitionen in die Raumfahrt, investieren wir in Zukunft. Wir investieren in Innovationen, Mut, Ambitionen. Wir investieren in Begeisterung, Chancen und Aufbruch.
Wir glauben an Wettbewerb und den menschlichen Erfindergeist. Wir brauchen deshalb mehr und nicht weniger Wettbewerb, auch in der Raumfahrt. Voraussetzung ist aber ein Level-Playing Field und eine gute Infrastruktur im Weltraum. Bei den Rahmenbedingungen und der Infrastruktur muss uns die Bundesregierung viel stärker unterstützen. Im Weltraum ist es wie auf der Erde.
Dafür muss das Raumfahrtbudget deutlich angehoben werden. Ziel sollte sein, Augenhöhe mit Frankreich zu erreichen. Das französische nationale Raumfahrtbudget lag 2018 bei 726 Millionen Euro. Das nationale Programm für Weltraum und Innovation in Deutschland lag im gleichen Jahr nur bei 285 Millionen Euro. Damit liegt Deutschland insgesamt nur auf Rang 8. Hier wünsche ich mir mehr.
Darüber hinaus kann ein deutscher Weltrauminvestitionsfond dazu beitragen, private Raumfahrtvorhaben frühzeitig und gezielt zu fördern. Er sollte bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) angesiedelt sein und mit dem Aufbringen von privatem Wagniskapital verknüpft werden. Der Fond sollte sowohl kleine Investitionssummen für Start-ups als auch Kapital für große Vorhaben wie Satellitenkonstellationen bereitstellen.
Mit der ESA Ministerratskonferenz Ende November in Sevilla und den Entscheidungen über den Bundeshaushalt stehen in den kommenden Wochen wegweisende Entscheidungen an, die für die Raumfahrt und für damit auch für die gesamte Industrie entscheidend sein werden. Wir werden mit der Politik weiter darüber sprechen, wie Deutschland im Weltraum noch ambitionierter werden kann.
Wir brauchen mehr Begeisterung für die Raumfahrt, die junge Menschen motiviert, Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu finden. Wir brauchen Chancen, um ambitionierte Projekte voranzutreiben und zu verwirklichen.