„Die Industrie entfaltet ihr volles Potenzial nur in der sozialen Marktwirtschaft. Investitionen, Innovationen und vor allem Mut und Unternehmergeist sichern den Erfolg. Ich mache mir Sorgen um die für Deutschland lange Zeit so typische Mittelschicht, die Grundlage für gesellschaftlichen Zusammenhalt und politische Stabilität ist. Je mehr klassische Industriearbeit verloren geht, desto größer wird der Nährboden für Populismus. Der Soziologe Andreas Reckwitz hat es in seinem Werk „Das Ende der Illusionen“ auf den Punkt gebracht: Die alte Mittelschicht des industriellen Massenwohlstands sorge sich um einen Statusverlust und Abstieg in solche Dienstleistungsbereiche, die geringer vergütet sind, während gleichzeitig eine wachsende, hochqualifizierte zumeist städtische Akademikerschicht sich als Vorreiter des Fortschritts wähnt.
Das Gefühl, abgehängt zu sein oder zu werden, die Angst, an einer Wohlstandssteigerung nicht mehr durch eigene Arbeitsleistung teilzuhaben, hat dramatische Folgen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Damit verbinde ich eine deutliche Warnung: Wer zusätzlich zur ohnehin stattfindenden, anspruchsvollen Transformation der Wirtschaft, wer zusätzlich zur coronabedingten Schwächung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, die europäische Industrielandschaft mutwillig belastet, der beschädigt nicht nur die industrielle Leistungsfähigkeit dieses Landes, er beschädigt die Mittelschicht, die dieses Land trägt.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Es gibt kein Zurück mehr zur alten Ordnung der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ der Wirtschaftswunderjahre. Lösungen für die Zukunft liegen selten in der Vergangenheit. Aber man kann aus ihr lernen. Es ist eben nicht alles, was in der Vergangenheit Basis unseres Wohlstandes war, für die Zukunft ungeeignet. Jeder einzelne der über fünf Millionen Industriearbeitsplätze – ob in Essen und Eckernförde, Stuttgart und Stralsund, Koblenz und Cottbus – ist es wert, dass wir um ihn kämpfen. Gehen diese Arbeitsplätze verloren, entstehen sie nicht automatisch in gleicher Qualität an anderer Stelle. Es muss unsere gemeinsame Aufgabe sein, dass gleichwertige, anspruchsvolle Arbeitsplätze mit ordentlichem Einkommen entstehen und hochqualifizierte Ausbildung erhalten bleibt. Ansonsten beschädigen wir das Fundament unserer Gesellschaft, auf das wir mit Recht stolz sind. Ich setze darauf, dass unsere Gesellschaft zu einem verantwortungsbewussten Diskurs gelangt.“