Für die deutsche Wirtschaft sind die USA als größter Absatzmarkt für deutsche Waren ein außerordentlich wichtiger Partner. Die engen Beziehungen spiegeln sich auch in den Investitionen wider – deutsche und US-amerikanische Unternehmen gehören zu den wichtigsten ausländischen Investoren und Arbeitgebern im jeweils anderen Markt. Insbesondere die deutsche Industrie trägt mit Investitionsbeständen von insgesamt 552 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019, davon 258 Milliarden US-Dollar im verarbeitenden Gewerbe, maßgeblich zur Wirtschaftsleistung der USA bei. Deutsche Unternehmen beschäftigten zudem 2017 insgesamt 773.800 Arbeitnehmer in den USA. Damit sind die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen eine wichtige Stütze für Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland wie in den USA.
Diese Beziehungen sind in den letzten Jahren in schwieriges Fahrwasser geraten. Die Trump-Administration setzte mit ihrer „America First“-Politik auf die Neuverhandlung von bestehenden Handelsabkommen, auf die Umsetzung von Handelsregeln zum eigenen Vorteil sowie auf Zölle und Zollandrohungen. Darunter leidet die europäische und deutsche Wirtschaft. Seit 2018 sind US-Sonderzölle auf Importe von Stahl (25 Prozent) und Aluminium (zehn Prozent) in Kraft. Außerdem werden seit 2019 Zölle (von 15 bis 25 Prozent) auf europäische Produkte in Folge des Subventionsdisputs für die Flugzeughersteller Airbus und Boeing erhoben. BDI-Präsident Dieter Kempf kritisiert diese Handelspolitik: „Die deutsche Industrie wünscht sich vom Weißen Haus mehr Bereitschaft dazu, die transatlantischen Beziehungen wiederzubeleben. Zölle und Handelshemmnisse müssen der Vergangenheit angehören.“
Weitere Reibungspunkte sind der US-chinesische Handelskonflikt, von dem viele deutsche Unternehmen direkt oder indirekt betroffen sind, sowie die angedrohten US-Sanktionen bezüglich der Pipeline Nord Stream 2.
Sollte Donald Trump als US-Präsident wiedergewählt werden, muss man mit einer Fortsetzung oder sogar Verschärfung seiner bisherigen Handelspolitik rechnen. Joe Biden verfolgt weniger den Gedanken eines Nullsummenspiels in den Handelsbeziehungen und wird voraussichtlich einen kooperativeren Ton in der Zusammenarbeit mit der EU einschlagen. Er dürfte sich aber ähnlich hart in Verhandlungen mit China zeigen.
Für multilaterale Organisationen wie die WTO äußert Biden mehr Unterstützung als Trump. Für Biden hat die Stärkung der inländischen Produktion Priorität. Er möchte Strafsteuern gegen Unternehmen erheben, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Staatsaufträge sollen seiner Ansicht nach prioritär an US-Firmen gehen. Die Sonderzölle der Trump-Administration möchte Joe Biden einer genauen Prüfung unterziehen. Es wäre also denkbar, dass die USA auch unter Joe Biden weiterhin zu Zöllen oder anderen handelspolitischen Schutzinstrumenten für die Durchsetzung eigener Interessen greifen, jedoch will er Zölle nach eigener Aussage nicht allein nutzen, um „Härte vorzutäuschen“.
Unumstritten bleibt, dass unsere wirtschaftspolitischen Beziehungen mit den USA – unabhängig vom Wahlausgang – dringend einen Neustart benötigen. Denn Zölle und andere Handelshemmnisse verursachen Umsatz- und Wohlfahrtsverluste für alle – im pandemiebedingten Wirtschaftsabschwung trifft das beide Seiten besonders hart. „Priorität eines neuen US-Präsidenten muss sein, die wirtschaftliche Gesundung der größten Volkswirtschaft beherzt anzupacken. Die USA und Europa profitieren enorm davon, wenn es gelingt, Zölle auf Industriegüter abzuschaffen und technologisch stärker zusammenzuarbeiten“, sagt Dieter Kempf.
Für einen Abbau der aktuellen Barrieren und eine Stärkung der transatlantischen Beziehungen wird sich der BDI weiterhin einsetzen.