Der Druck auf die Bundesregierung wächst, die Prioritäten in der Steuerpolitik neu zu setzen. Dieser Druck kommt vor allem aus dem Ausland: Der Steuerwettbewerb wird immer schärfer.
US-Präsident Donald Trump hat bereits begonnen, Unternehmen im eigenen Land zu entlasten und Einfuhren ins Land zusätzlich zu belasten – auch Exporte made in Germany. Mit dem Brexit droht ein stärkerer Wettstreit innerhalb Europas. Hinzu kommt, dass China zunehmend auf Innovationsförderung setzt und unsere Nachbarn Österreich und Frankreich Deutschland als attraktiven Innovationsstandort abgelöst haben – mit steuerpolitischen Instrumenten. Österreich hat die Forschungsprämie eingeführt und erstattet Unternehmen 14 Prozent ihrer Kosten für Forschung und Entwicklung (FuE) unkompliziert und zieht sie einfach von der Steuer ab.
Der neue Steuerwettbewerb zwingt die Bundesregierung zum Handeln. Ein vergleichbar niedrigeres Belastungsniveau für mehr Innovation in Deutschland muss zum zentralen Ziel der Steuerpolitik in dieser Legislaturperiode werden. Ein neues Instrument wie die FuE-Förderung gehört schnell umgesetzt. Sonst findet der Aufbau neuer Technologien in anderen Ländern statt.
Während deutsche Unternehmen im Zeitraum von 2010 bis 2016 in Ländern außerhalb der EU 44 Prozent mehr investiert haben, investierten ausländische Unternehmen im selben Zeitraum hierzulande nur 21 Prozent mehr. Wachstumszentren liegen heute nicht mehr in Europa, sondern in Boomzentren in Asien. Ihre Namen: Caojing, Schanghai, Shenzhen.
Nur wo investiert wird, entstehen Innovationen. Fehlende Innovationen und Ideen gefährden die Zukunft der deutschen Wirtschaft. Deshalb muss die Politik dringend Innovation fördern, indem sie steuer- und finanzpolitisch die richtigen Weichen stellt.
Die Bundesregierung will bis 2025 eine FuE-Quote von mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen – wobei unsere Unternehmen etwa zwei Drittel der FuE-Investitionen leisten. Dagegen ist der unmittelbare Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand konstant rückläufig: Waren es noch etwa 18 Prozent Anfang der 80er Jahre, sind es heute gerade einmal rund drei Prozent – ein weiterer Minuspunkt für Investitionsentscheidungen international tätiger Unternehmen in Deutschland.
Zieht sich der Staat zurück, tragen allein die Unternehmen die Investitionslast. Für FuE sind dies aktuell rund 63 Milliarden Euro – mehr als je zuvor. Trotzdem gibt Deutschland nur drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus.
Eine Trendumkehr ist dringend notwendig. Sie muss im Bundeshaushalt beginnen. Deshalb sind die Investitionspläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz viel zu zaghaft: Die Regierung stellt bis 2025 nur rund 1,1 Milliarden Euro pro Jahr bereit, um das 3,5-Prozent-Ziel zu erreichen. Jährlich wären allerdings mindestens 2,7 Milliarden Euro nötig, um das Investitionsvolumen in FuE bis 2025 tatsächlich um die versprochenen 0,5 Prozentpunkte anzuheben.
Mit einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung ließe sich das 3,5-Prozent-Ziel hierzulande schneller erreichen. Deshalb fordern wir von der Politik den breiteren Einstieg in die steuerliche Förderung von FuE unabhängig von der Unternehmensgröße.
Der wichtigste Grund für eine breite Beteiligung aller Unternehmen an dieser Förderung sind die positiven Ausstrahlungseffekte. Es muss aber eine steuerliche Förderung von FuE für alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe geben. Denn Unternehmen weiten ihre FuE-Investitionen deutlich aus, wenn die Kosten dafür sinken. Kleine und mittlere Unternehmen profitieren von den Innovationsaktivitäten der Großen – und umgekehrt. Dies erhöht den Anreiz der Förderung. Unterm Strich zahlt sich die staatliche Investition früher und spürbarer aus – auch für den Staat.
Unser Vorschlag: eine Steuergutschrift von zehn Prozent der Personalkosten für Forschung und Entwicklung, die mit dem monatlichen Lohnsteueraufwand der Unternehmen verrechenbar ist. Durch eine Begrenzung auf den FuE-Personalaufwand lassen sich die fiskalischen Kosten begrenzen. Zugleich lassen sich alle Unternehmen in die Förderung einbeziehen und Kollisionen mit den EU-Beihilfebestimmungen sowie komplizierte Abgrenzungsfragen vermeiden.
Die Politik sollte zügig vorhandene Instrumente einsetzen, um die Innovationskraft der Unternehmen zu stärken und inländische Investitionen zu fördern. Sie muss im internationalen Standortwettbewerb die Chancen für unternehmerische Entfaltung vergrößern und dafür bestehende Barrieren für Forschung und Entwicklung abbauen. Hierzulande schaden viele steuerliche Regelungen den Unternehmen und erschweren die Finanzierung von Innovation. Etwa die körperschaftsteuerliche Verlustverrechnung, die das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr sogar als verfassungswidrig beurteilt hat: Sie hindert Investoren daran, ihr Kapital in bislang verlustreiche, aber künftig erfolgversprechende Unternehmen zu investieren. Um ausländisches Wagniskapital und FuE-Investitionen besser nach Deutschland zu bringen, muss der Gesetzgeber diese Regelungen dringend reformieren.
Die Bundesregierung hat es in der Hand, ob Deutschland weiterhin nur in Trippelschritten Innovationen fördert und international den Anschluss zu verlieren droht – oder ob sie alle Unternehmen mit der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung motiviert. Diese Entlastung der Unternehmen ist eine Zukunftsinvestition in Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze.
Joachim Lang ist Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums im Bundesverband der Deutschen Industrie.